Sechsphasiger Pflegeprozess nach Fiechter/Meier
Der Sechsphasiger Pflegeprozess (Sechs-Phasen-Modell) nach Fiechter und Meier ist ein systematisches Pflegemodell, das in der Pflegeplanung und -dokumentation verwendet wird. Es wurde von den Schweizer Pflegewissenschaftlerinnen Liliane Juchli und Schwester Elisabeth Fiechter entwickelt und bietet eine strukturierte Vorgehensweise zur Sicherstellung einer individuellen und umfassenden Pflege.
Hintergrund und Geschichte
Der Pflegeprozess nach Fiechter und Meier ist ein systematischer Ansatz, der in den 1960er Jahren von den Schweizer Pflegewissenschaftlerinnen Liliane Juchli, Erika Fiechter und Martha Meier entwickelt wurde. Er dient als Rahmen für die strukturierte und systematische Pflege von Patienten und hat sich seit seiner Einführung zu einem zentralen Element der professionellen Pflege entwickelt. Der Pflegeprozess besteht aus mehreren Phasen, die es ermöglichen, individuelle Pflegebedarfe zu erkennen, zu planen, umzusetzen und zu evaluieren.
Geschichte
1960er Jahre: Entstehung und Einführung
In den 1960er Jahren war die Pflegepraxis oft unstrukturiert und basierte weitgehend auf Erfahrungswissen und Traditionen. Es fehlte ein systematischer Ansatz, um die Pflegebedarfe der Patienten systematisch zu erfassen und zu behandeln. Erika Fiechter und Martha Meier, beide erfahrene Pflegefachfrauen, erkannten die Notwendigkeit einer strukturierten Methode und entwickelten den Pflegeprozess, der auf wissenschaftlichen Prinzipien basierte.
1970er Jahre: Verbreitung und Akzeptanz
In den 1970er Jahren wurde der Pflegeprozess zunehmend in der Schweiz und in anderen deutschsprachigen Ländern eingeführt. Liliane Juchli, eine weitere bedeutende Pflegewissenschaftlerin, trug maßgeblich zur Verbreitung und Weiterentwicklung des Pflegeprozesses bei. Sie integrierte den Prozess in das von ihr herausgegebene „Pflegelehrbuch“, das zu einem Standardwerk der Pflegeausbildung wurde.
1980er Jahre: Internationalisierung und Anpassungen
Der Pflegeprozess fand in den 1980er Jahren auch international Beachtung. Er wurde in viele Pflegecurricula aufgenommen und den spezifischen Bedürfnissen und Gegebenheiten verschiedener Länder angepasst. Dabei wurden die grundlegenden Prinzipien beibehalten, aber kulturelle und strukturelle Unterschiede berücksichtigt.
Überblick über die sechs Phasen
- Informationssammlung
- Erkennen von Problemen und Ressourcen
- Festlegung der Pflegeziele
- Planung der Pflegemaßnahmen
- Durchführung der Pflegemaßnahmen
- Evaluation der Pflege
Detaillierte Beschreibung der Phasen
1. Informationssammlung
In dieser Phase werden alle relevanten Daten und Informationen über den Patienten gesammelt. Dies umfasst biografische Daten, aktuelle Beschwerden, Krankheitsgeschichte, physische und psychische Verfassung, soziale Umstände und vorhandene Ressourcen. Ziel ist es, ein umfassendes Bild des Patienten zu bekommen, um eine individuelle Pflegeplanung zu ermöglichen.
- Ziel
➜ Erhebung eines umfassenden Patientenprofils. - Methode
➜ Gespräche, Beobachtungen, medizinische Dokumente.
2. Erkennen von Problemen und Ressourcen
Auf Basis der gesammelten Informationen werden in dieser Phase die Pflegeprobleme und die vorhandenen Ressourcen des Patienten identifiziert. Probleme können physischer, psychischer, sozialer oder spiritueller Natur sein. Ressourcen sind Fähigkeiten oder Mittel, die dem Patienten helfen können, seine Probleme zu bewältigen.
- Ziel
➜ Identifikation von Pflegeproblemen und Ressourcen. - Methode
➜ Analyse der gesammelten Daten.
3. Festlegung der Pflegeziele
Hier werden konkrete und realistische Pflegeziele definiert, die auf den identifizierten Problemen und Ressourcen basieren. Die Ziele sollten messbar, erreichbar, relevant und zeitgebunden (SMART-Kriterien) sein.
- Ziel
➜ Definition klarer und realistischer Pflegeziele. - Methode
➜ Formulierung von Zielen basierend auf den Pflegeproblemen.
4. Planung der Pflegemaßnahmen
In dieser Phase wird detailliert geplant, welche Pflegeinterventionen notwendig sind, um die definierten Pflegeziele zu erreichen. Dies beinhaltet die Festlegung von Verantwortlichkeiten und Zeitplänen. Die Maßnahmen müssen individuell auf den Patienten abgestimmt sein.
- Ziel
➜ Erstellung eines individuellen Pflegeplans. - Methode
➜ Auswahl und Planung spezifischer Pflegeinterventionen.
5. Durchführung der Pflegemaßnahmen
Die geplanten Interventionen werden nun in der Praxis umgesetzt. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit des Pflegepersonals und eine kontinuierliche Anpassung der Maßnahmen an die Bedürfnisse des Patienten.
- Ziel
➜ Umsetzung des Pflegeplans. - Methode
➜ Praktische Durchführung der geplanten Maßnahmen.
6. Evaluation der Pflege
In der letzten Phase wird überprüft, ob die Pflegeziele erreicht wurden und wie effektiv die Maßnahmen waren. Dies beinhaltet eine Bewertung der Ergebnisse und gegebenenfalls Anpassungen des Pflegeplans.
- Ziel
Bewertung der Pflegeergebnisse und Anpassung der Maßnahmen. - Methode
➜ Evaluation und Feedbackgespräche.
Zusammenfassung
Das Sechs-Phasen-Modell nach Fiechter und Meier ist ein bewährtes Instrument in der Pflegepraxis, das durch seine systematische und strukturierte Vorgehensweise eine hochwertige und individuelle Patientenversorgung ermöglicht. Es stellt sicher, dass Pflegeprobleme frühzeitig erkannt, realistische Ziele gesetzt und wirksame Maßnahmen geplant und umgesetzt werden, die kontinuierlich evaluiert und angepasst werden.
Quellen
- Elsevier GmbH, & Menche, N. (Hrsg.). (2019). Pflege Heute (7. Aufl.). Urban & Fischer in Elsevier.
- Elsevier GmbH (Hrsg.) (2017) PFLEGEN: Grundlagen und Interventionen. 2. Aufl. München: Urban & Fischer in Elsevier.
- Fiechter, V. und Meier, A. (1981). Pflegeplanung: Prozessmodell zur Qualitätssicherung in der Pflege. Thieme, Stuttgart.
- Müller-Staub, M. (2009). ‚Der Pflegeprozess als zentrales Element der Pflegequalität‘, Pflegezeitschrift, 62(5), S. 282-285.
- Kesselring, A. und Eisenbacher, C. (2012). ‚Implementierung des Pflegeprozesses nach Fiechter und Meier im klinischen Alltag‘, Pflege, 25(3), S. 155-160.