Perkussion

Perkussion des Abdomens
Perkussion des Abdomens
Wortart:
Substantiv, feminin
Aussprache (IPA):
[pɛʁˈkʊsi̯oːn]
Adjektiv:
perkussiv
Verb:
perkutieren
Plural:
Perkussionen
Trennung:
Per|kus|si|onPer|kus|si|on
Synonym:
Abklopfen, Perkutieren
Englisch:
percussion
Abstammung:
latein.: percussio = Erschütterung

Perkussion ist eine grundlegende Untersuchungsmethode in der medizinischen Diagnostik. Sie wird verwendet, um Informationen über den Zustand von Organen und Geweben zu gewinnen, indem man auf die Körperoberfläche klopft und die dabei entstehenden Schallwellen analysiert. Diese Technik, die seit Jahrhunderten angewendet wird, ermöglicht es Ärzten, Krankheiten und Anomalien zu erkennen, die mit anderen Methoden schwer zu diagnostizieren wären.

Historischer Hintergrund

Die Perkussion als diagnostische Methode wurde im 18. Jahrhundert von Leopold Auenbrugger, einem österreichischen Arzt, entwickelt. Er veröffentlichte seine Erkenntnisse 1761 in seinem Werk „Inventum Novum“, in dem er die Technik beschrieb, durch Klopfen auf den Brustkorb den Zustand der darunterliegenden Organe zu beurteilen. Seine Methoden wurden zunächst skeptisch betrachtet, fanden aber im 19. Jahrhundert durch den französischen Arzt Jean-Nicolas Corvisart und andere Anerkennung und Verbreitung.

Prinzipien der Perkussion

Physikalische Grundlagen

Perkussion beruht auf der Erzeugung von Schallwellen durch Klopfen auf die Körperoberfläche. Diese Wellen breiten sich durch das Gewebe aus und werden je nach Dichte und Beschaffenheit des Gewebes unterschiedlich reflektiert und gedämpft. Die wichtigsten physikalischen Prinzipien, die dabei eine Rolle spielen, sind:

  • Resonanz
    ➜ Luftgefüllte Hohlräume wie die Lunge erzeugen beim Beklopfen einen resonanten, hohlen Klang.
  • Dämpfung
    ➜ Dichteres Gewebe wie Muskel oder Flüssigkeit dämpft die Schallwellen und erzeugt einen gedämpften, festen Klang.
  • Reflexion
    ➜ Knochen und andere feste Strukturen reflektieren die Schallwellen stark, was einen klaren, harten Klang erzeugt.

Techniken der Perkussion

Es gibt zwei Haupttechniken der Perkussion: die direkte und indirekte Perkussion.

  • Direkte Perkussion
    ➜ Bei der direkten Perkussion klopft der Untersucher direkt mit den Fingerspitzen auf die Körperoberfläche.
  • Indirekte Perkussion
    ➜ Hierbei wird ein Finger der nicht dominanten Hand (Pleximeter) auf die Körperoberfläche gelegt, und der Untersucher klopft mit den Fingerspitzen der dominanten Hand auf das Pleximeter. Diese Methode ist präziser und wird häufiger angewendet.
Perkussion des Abdomens
Abb. 1.1: Perkussion des Abdomens

Anwendungsgebiete der Perkussion

Thorax

Die Perkussion des Thorax ist eine der häufigsten Anwendungen dieser Technik. Sie hilft bei der Beurteilung der Lunge und der angrenzenden Strukturen.

  • Lunge
    ➜ Durch Perkussion kann man zwischen gesunder, luftgefüllter Lunge und pathologischen Zuständen wie Pneumonie, Pleuraerguss oder Pneumothorax unterscheiden. Ein sonorer Klang weist auf gesunde Lunge hin, während ein gedämpfter Klang auf eine Konsolidierung (wie bei einer Pneumonie) oder Flüssigkeit (wie bei einem Pleuraerguss) hindeutet.
  • Herz
    ➜ Die Perkussion des Herzens hilft bei der Bestimmung der Herzgröße. Ein gedämpfter Bereich weist auf die Position des Herzens hin, wobei Abweichungen von der Norm auf pathologische Zustände wie Kardiomegalie hindeuten können.

Abdomen

Die Perkussion des Abdomens hilft bei der Beurteilung von Organen und Hohlräumen im Bauchraum.

  • Leber
    ➜ Durch Perkussion kann die Größe der Leber bestimmt werden. Ein gedämpfter Klang über der Leber zeigt deren normale Position und Größe an, während eine Vergrößerung (Hepatomegalie) auf verschiedene pathologische Zustände hinweisen kann.
  • Milz
    ➜ Eine vergrößerte Milz (Splenomegalie) kann durch eine gedämpfte Perkussion im linken oberen Quadranten des Abdomens erkannt werden.
  • Aszites
    ➜ Freie Flüssigkeit im Bauchraum kann durch die sogenannte „Schwappwellen-Perkussion“ erkannt werden, bei der der Flüssigkeitspegel während der Perkussion verändert wird.

Peripherie

Perkussion kann auch an peripheren Körperteilen angewendet werden, um Knochendichte oder Flüssigkeitsansammlungen in Gelenken zu beurteilen.

Klinische Anwendung und Diagnostik

Respiratorische Erkrankungen

  • Pneumonie
    ➜ Eine bakterielle oder virale Infektion der Lunge führt zu einer Konsolidierung des Lungengewebes, die durch eine gedämpfte Perkussion erkannt werden kann.
  • Pneumothorax
    ➜ Bei einem Pneumothorax (Luft im Pleuraspalt) erzeugt die betroffene Seite einen hypersonoren Klang aufgrund des erhöhten Luftgehalts.
  • Pleuraerguss
    ➜ Flüssigkeit im Pleuraspalt führt zu einer gedämpften Perkussion über dem betroffenen Bereich.

Kardiovaskuläre Erkrankungen

  • Kardiomegalie
    ➜ Eine vergrößerte Herzkontur kann durch eine Verschiebung der gedämpften Perkussionsgrenze nach lateral festgestellt werden.
  • Perikarderguss
    ➜ Flüssigkeit im Herzbeutel führt zu einer gedämpften Perkussion über dem unteren Sternum.

Gastrointestinale Erkrankungen

  • Hepatomegalie
    ➜ Eine vergrößerte Leber führt zu einer Verschiebung der gedämpften Perkussionsgrenze nach unten.
  • Splenomegalie
    ➜ Eine vergrößerte Milz zeigt eine gedämpfte Perkussion im linken oberen Quadranten des Abdomens.

Urogenitale Erkrankungen

  • Nierenvergrößerung
    ➜ Eine vergrößerte Niere kann durch eine gedämpfte Perkussion im Flankenschmerzbereich festgestellt werden.
  • Blasenfüllung
    ➜ Eine übervolle Blase erzeugt eine gedämpfte Perkussion im Unterbauch.

Perkussion in der Notfallmedizin

In der Notfallmedizin ist die Perkussion eine schnelle und effektive Methode, um lebensbedrohliche Zustände zu erkennen.

  • Spannungspneumothorax
    • Ein hypersonorer Klang auf einer Seite des Thorax in Verbindung mit Atemnot und Kreislaufkollaps erfordert sofortige Intervention.
  • Herztamponade
    • Gedämpfte Herztöne und eine vergrößerte Herzkontur bei der Perkussion können auf eine Herztamponade hinweisen.

Grenzen der Perkussion

Trotz ihrer Nützlichkeit hat die Perkussion auch ihre Grenzen. Sie ist abhängig von der Erfahrung und dem Geschick des Untersuchers und kann durch adipöses Gewebe oder starke Muskulatur erschwert werden. Zudem liefert sie oft nur indirekte Hinweise, die durch bildgebende Verfahren bestätigt werden müssen.

Fallbeispiele

Fallbeispiel 1: Pneumonie

Ein 65-jähriger Patient kommt mit Fieber, Husten und Atemnot in die Notaufnahme. Bei der Untersuchung zeigt die Perkussion über dem rechten unteren Lungenfeld eine gedämpfte Resonanz, was auf eine Konsolidierung hindeutet. Eine anschließende Röntgenaufnahme bestätigt die Diagnose einer Lungenentzündung.

Fallbeispiel 2: Pleuraerguss

Eine 45-jährige Frau klagt über zunehmende Atemnot. Die Perkussion zeigt über der linken unteren Thoraxhälfte eine gedämpfte Resonanz, was auf einen Pleuraerguss hinweist. Eine Ultraschalluntersuchung bestätigt die Ansammlung von Flüssigkeit im Pleuraspalt.

Fallbeispiel 3: Kardiomegalie

Ein 70-jähriger Mann mit chronischer Herzinsuffizienz zeigt bei der Untersuchung eine seitlich verschobene gedämpfte Perkussionsgrenze. Ein Echokardiogramm bestätigt eine vergrößerte linke Herzkammer.

Zukunft der Perkussion

Die Perkussion bleibt eine wertvolle Untersuchungstechnik, aber technologische Fortschritte wie Ultraschall und andere bildgebende Verfahren erweitern die diagnostischen Möglichkeiten. Dennoch bleibt die Perkussion ein grundlegender Bestandteil der klinischen Untersuchung, insbesondere in ressourcenarmen Umgebungen.

Zusammenfassung

Perkussion ist eine wichtige Fertigkeit für medizinisches Personal, die präzise Informationen über den Zustand von Organen und Geweben liefert. Trotz ihrer Grenzen ist sie eine unverzichtbare Methode in der klinischen Diagnostik, die durch Erfahrung und technisches Geschick des Untersuchers verbessert werden kann. Die Integration moderner Technologien wird die diagnostischen Möglichkeiten weiter erweitern, aber die grundlegenden Prinzipien der Perkussion bleiben relevant und nützlich.

Quellen

  • Urban & Fischer Verlag (Hrsg.). (2006). Roche Lexikon Medizin Sonderausgabe (5. Aufl.). Urban & Fischer in Elsevier.
  • Andreae, S. (Hrsg.). (2008). Lexikon der Krankheiten und Untersuchungen (2. Aufl.). Thieme.
  • Menche, N. (Hrsg.). (2016). Biologie Anatomie Physiologie: Mit Zugang zu pflegeheute.de (8. Aufl.). Urban & Fischer in Elsevier.
  • Wied, S., & Warmbrunn, A. (Hrsg.). (2012). Pschyrembel Pflege (3. Aufl.). Walter de Gruyter.