Kleinhirn: Anatomie, Funktion, Pathologie

Synonym:
Cerebellum, Zerebellum
Größe:
2 – 4 mm dicke Oberflächenschicht
Lage:
Über dem Hirnstamm
Latein:
Cerebellum
Englisch:
cerebellum
Aussprache (IPA):
klaɪ̯nhɪrn

Das Kleinhirn (Cerebellum) ist eine komplexe und essenzielle Struktur des Gehirns, die eine zentrale Rolle bei der Koordination von Bewegungen, der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts und der Feinabstimmung motorischer Aktivitäten spielt.

Anatomie des Kleinhirns

Lage und Makroanatomie

Das Kleinhirn befindet sich im hinteren Teil des Gehirns, unterhalb der Okzipitallappen des Großhirns und hinter dem Hirnstamm. Es ist durch das Tentorium cerebelli vom Großhirn getrennt. Das Kleinhirn besteht aus zwei Hemisphären, die durch eine mediane Struktur, den Vermis, verbunden sind. Diese Struktur gliedert sich weiter in:

  • Lobus anterior und Lobus posterior
    ➜ getrennt durch die Fissura prima.
  • Lobus flocculonodularis
    ➜ der durch die Fissura posterolateralis von den anderen Lappen getrennt ist.

Mikroskopische Anatomie

Die Kleinhirnrinde ist in folgende drei Schichten unterteilt:

  • Molekularschicht
    ➜ enthält wenige Zellkörper, aber viele Dendriten und Axone.
  • Purkinje-Zellschicht
    ➜ enthält die großen, birnenförmigen Purkinje-Zellen, die die Hauptausgabeneuronen des Kleinhirns darstellen.
  • Körnerschicht
    ➜ enthält dicht gepackte Körnerzellen.

Im Inneren des Kleinhirns befinden sich vier paarige tiefe Kleinhirnkerne:

  • Nucleus dentatus
  • Nucleus emboliformis
  • Nucleus globosus
  • Nucleus fastigii

Funktion des Kleinhirns

Motorische Kontrolle und Koordination

Das Kleinhirn spielt eine wesentliche Rolle bei der Feinabstimmung von Bewegungen. Es erhält sensorische Eingaben aus verschiedenen Quellen, darunter Rückenmark, Vestibularsystem und Großhirnrinde, und sendet Ausgaben über die tiefen Kleinhirnkerne zurück an motorische und prä-motorische Kortexregionen.

Funktionelle Einheiten

  • Vestibulocerebellum
    ➜ beinhaltet den Lobus flocculonodularis und ist für Gleichgewicht und Augenbewegungen zuständig.
  • Spinocerebellum
    ➜ beinhaltet den Vermis und die intermediären Hemisphärenanteile und ist für die Kontrolle der Körperhaltung und grobmotorischer Bewegungen verantwortlich.
  • Cerebrocerebellum
    ➜ beinhaltet die lateralen Hemisphären und ist für die Planung und Feinabstimmung präziser Bewegungen sowie kognitive Funktionen zuständig.

Klinische Relevanz

Ataxie

Schädigungen des Kleinhirns können zu Ataxie führen, einer Störung, die durch unkoordinierte Bewegungen und Gleichgewichtsstörungen gekennzeichnet ist.

Dysmetrie

Diese Störung betrifft die Fähigkeit, Bewegungen präzise zu steuern, was dazu führt, dass Betroffene das Ziel über- oder unterschreiten.

Dysdiadochokinese

Eine Unfähigkeit, schnelle, abwechselnde Bewegungen auszuführen, ist ein weiteres Symptom von Kleinhirnstörungen.

Intentionstremor

Ein Zittern, das bei gezielten Bewegungen auftritt, ist typisch für Kleinhirnschädigungen.

Untersuchung des Kleinhirns

Neurologische Tests

  • Finger-Nase-Test
    ➜ zum Nachweis von Dysmetrie.
  • Schnelle alternierende Bewegungen
    ➜ zum Nachweis von Dysdiadochokinese.
  • Romberg-Test
    ➜ zur Beurteilung des Gleichgewichts, obwohl dieser Test auch von propriozeptiven und vestibulären Systemen beeinflusst wird.

Zusammenfassung

Das Kleinhirn, auch Cerebellum genannt, ist ein Teil des Gehirns, der sich im hinteren Schädelbereich befindet, unterhalb der Großhirnhemisphären und hinter dem Hirnstamm. Es spielt eine zentrale Rolle bei der Koordination von Bewegungen, der Feinabstimmung motorischer Aktivitäten, der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts und der Körperhaltung. Darüber hinaus ist das Kleinhirn an der motorischen Lernfähigkeit beteiligt, indem es Bewegungsmuster speichert und optimiert. Anatomisch besteht es aus zwei Hemisphären und einem mittleren Teil, dem Vermis. Schäden am Kleinhirn können zu Gleichgewichtsstörungen, unkoordinierte Bewegungen und Schwierigkeiten bei der Feinmotorik führen.

Quellen

  • Faller, A., & Schünke, M. (2016). Der Körper des Menschen: Einführung in Bau und Funktion (A. Faller & M. Schünke, Hrsg.; 17. Aufl.). Thieme.
  • Haupt, W. F., & Gouzoulis-Mayfrank, E. (2016). Neurologie und Psychiatrie für Pflegeberufe (W. F. Haupt & E. Gouzoulis-Mayfrank, Hrsg.; 11. Aufl.). Thieme.
  • Menche, N. (Hrsg.). (2016). Biologie Anatomie Physiologie: Mit Zugang zu pflegeheute.de (8. Aufl.). Urban & Fischer in Elsevier.
  • Carter, R. (2019) Das Gehirn: Anatomie, Sinneswahrnehmung, Gedächtnis, Bewusstsein, Störungen. Aktualisierte Neuausgabe. München: Dorling Kindersley.