Status epilepticus

Wortart:
Substantiv, maskulin
Aussprache (IPA):
[ˈstaːtʊs epiˈlɛptɪkʊs]
Abkürzung:
SE
Trennung:
Sta|tus e|pi|lep|ti|cus
Synonym:
epileptischer Status
Englisch:
status epilepticus, status seizure
ICD-Klassifikation:
G41.-, G41.0, G41.1, G41.2, G41.8, G41.9
Med. Fachgebiet:

Status epilepticus (SE) ist ein neurologischer Notfall, der durch anhaltende oder wiederholte epileptische Anfälle gekennzeichnet ist, die ohne vollständige Erholung dazwischen auftreten. Dies erfordert sofortige medizinische Intervention, um das Risiko von dauerhaften Hirnschäden oder Tod zu minimieren. Status epilepticus wird üblicherweise als ein Anfall definiert, der länger als fünf Minuten dauert, oder als mehrere Anfälle, die innerhalb von 30 Minuten auftreten, ohne dass der Patient das Bewusstsein wiedererlangt.

Definition

Status epilepticus ist ein medizinischer Notfall, bei dem ein epileptischer Anfall länger als 5 Minuten anhält oder wiederholt auftritt, ohne dass der Betroffene das Bewusstsein dazwischen wiedererlangt. Er erfordert sofortige Behandlung, da er zu Hirnschäden oder Tod führen kann. Ursachen können Epilepsie, Hirnverletzungen, Infektionen oder Drogenmissbrauch sein.

Epidemiologie

Die Inzidenz des Status epilepticus liegt in Europa bei etwa 10–20 Fällen pro 100.000 Einwohner pro Jahr, wobei ältere Menschen und Kinder besonders gefährdet sind. Die Mortalität variiert stark und liegt zwischen 10 % und 30 %, abhängig von der Dauer des SE, der zugrunde liegenden Ursache und dem allgemeinen Gesundheitszustand der Patienten. Der Status epilepticus tritt häufiger bei Menschen mit vorbestehenden Epilepsien, Hirnverletzungen, Schlaganfällen oder Infektionen auf. Die häufigsten Ursachen sind akute Hirnschädigungen wie Schlaganfall, Traumata, Infektionen oder Entzugserscheinungen, aber auch metabolische Störungen oder Medikamente können eine Rolle spielen. Frühe Diagnose und schnelle Behandlung sind entscheidend für die Prognose.

Ätiologie

Die Ätiologie (Ursachen) eines Status epilepticus kann vielfältig sein und variiert je nach Alter, zugrundeliegenden Erkrankungen und Umweltfaktoren. Hier eine Übersicht der wichtigsten Ursachen:

Akute Ursachen

  • Zerebrale Schädigungen
    ➜ Schädel-Hirn-Trauma (SHT)
    ➜ Schlaganfall (ischämisch oder hämorrhagisch)
    ➜ Zerebrale Infektionen (z.B. Meningitis, Enzephalitis)
    ➜ Hirntumoren oder Metastasen
    ➜ Hypoxische Hirnschädigung (Sauerstoffmangel im Gehirn)
  • Metabolische Störungen
    ➜ Hypoglykämie (niedriger Blutzucker)
    ➜ Hyponatriämie (niedriger Natriumspiegel)
    ➜ Hypokalzämie (niedriger Kalziumspiegel)
    ➜ Azidose (Störung des Säure-Basen-Haushalts)
  • Drogen und Medikamente
    ➜ Akute Intoxikation (Alkohol, Drogen wie Kokain oder Amphetamine)
    ➜ Abruptes Absetzen von antiepileptischen Medikamenten
    ➜ Entzugssyndrome (insbesondere Alkohol- und Benzodiazepinentzug)
  • Fieber
    ➜ Insbesondere bei Kindern als Ursache für den fieberbedingten Status epilepticus
  • Eklampsie
    ➜ Schwangerschaftskomplikation, die zu Krampfanfällen führt

Chronische Ursachen

  • Strukturelle Hirnveränderungen
    ➜ Chronische Erkrankungen wie Malformationen der Gehirnstruktur
    ➜ Narbengewebe nach vorangegangenen Hirnschäden (z.B. nach früheren Anfällen, Infektionen oder Traumata)
  • Degenerative Erkrankungen
    ➜ Alzheimer und andere Demenzerkrankungen
  • Epilepsie
    ➜ Ein chronischer epileptischer Zustand, bei dem bestimmte Anfallsarten in einen Status epilepticus übergehen können, vor allem, wenn die Behandlung nicht optimal ist.

Idiopathische Ursachen

Bei manchen Patienten lässt sich keine klare Ursache für den Status epilepticus feststellen. Dies betrifft besonders Kinder oder junge Erwachsene, bei denen der SE oft idiopathisch auftritt, ohne erkennbare strukturelle oder metabolische Veränderungen.

Genetische Faktoren

Bestimmte genetische Syndrome und Mutationen können das Risiko für epileptische Anfälle und einen Status epilepticus erhöhen, z.B. Dravet-Syndrom, Lennox-Gastaut-Syndrom oder genetisch bedingte kanalopathische Störungen.

Infektionen und Entzündungen

Entzündliche Erkrankungen wie Autoimmunenzephalitis oder systemische Infektionen (Sepsis) können auch zu einem Status epilepticus führen.

Andere Ursachen

  • Toxine
    ➜ Verschiedene Giftstoffe, wie Blei oder Pestizide, können zerebrale Dysfunktionen verursachen, die Anfälle begünstigen.
  • Erhöhte Körpertemperatur
    ➜ Besonders bei Kindern kann hohes Fieber zu einem febrilen Status epilepticus führen.

Klassifikation und Symptome

Status epilepticus kann in verschiedene Typen unterteilt werden, abhängig von der Art der Anfälle und dem klinischen Erscheinungsbild:

Konvulsiver Status epilepticus

  • Merkmale
    ➜ Generalisierte tonisch-klonische Anfälle, die länger als fünf Minuten dauern oder wiederholt auftreten, ohne dass das Bewusstsein zwischen den Anfällen wiedererlangt wird.
  • Symptome
    ➜ Krampfanfälle, Bewusstseinsverlust, Zungenbisse, Inkontinenz.

Nicht-konvulsiver Status epilepticus

  • Merkmale
    ➜ Anhaltende oder wiederholte fokale Anfälle oder Absencen, die nicht mit deutlichen motorischen Symptomen verbunden sind.
  • Symptome
    ➜ Verwirrtheit, veränderter Bewusstseinszustand, subtile motorische Anzeichen (z.B. Augenblinzeln, kleine Zuckungen).

Myoklonischer Status epilepticus

  • Merkmale
    ➜ Wiederholte, kurze Muskelzuckungen, die generalisiert oder fokal sein können.
  • Symptome
    ➜ Myoklonische Zuckungen, die häufig symmetrisch sind und in kurzen Abständen auftreten.

Diagnostik

Klinische Untersuchung

  • Sofortige Beurteilung des Anfallsverhaltens, Bewusstseinszustandes und Vitalparameter.
  • Anamneseerhebung, falls möglich, um mögliche Auslöser und vorherige Anfälle zu identifizieren.

Elektroenzephalographie (EEG)

  • Schnelle EEG-Durchführung zur Bestätigung des Status epilepticus und zur Unterscheidung zwischen konvulsiven und nicht-konvulsiven Formen.
  • Langzeit-EEG-Monitoring zur Überwachung der Anfallsaktivität und zur Beurteilung der Therapieeffektivität.

Bildgebende Verfahren

Laboruntersuchungen

  • Bluttests zur Erkennung von Elektrolytstörungen, Blutzuckerspiegel, Nieren- und Leberfunktion, Infektionen und Medikamentenspiegel.

Akutmanagement

Das Management des Status epilepticus erfordert eine rasche und strukturierte Herangehensweise:

Sofortmaßnahmen

  • Sicherstellung der Atemwege, Atmung und Kreislauf (ABC-Regel).
  • Seitenlage des Patienten, um Aspiration zu verhindern.
  • Sauerstoffgabe und Überwachung der Vitalparameter (Blutdruck, Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung).

Medikamentöse Therapie

  • Erstlinie (Benzodiazepine)
    ➜ Intravenöse Gabe von Lorazepam (0,1 mg/kg) oder Diazepam (0,15-0,2 mg/kg) zur schnellen Beendigung des Anfalls.
  • Zweitlinie (Antikonvulsiva)
    ➜ Phenytoin (20 mg/kg), Valproinsäure (20-40 mg/kg) oder Levetiracetam (20-60 mg/kg) zur Anfallsprävention nach der initialen Kontrolle.
  • Drittlinie (Refraktärer Status epilepticus)
    ➜ Anästhetika wie Propofol, Midazolam oder Thiopental bei therapierefraktären Fällen, häufig erfordert dies eine Intensivüberwachung und mechanische Beatmung.

Unterstützende Maßnahmen

  • Korrektur von Elektrolytstörungen und Hypoglykämie.
  • Behandlung zugrunde liegender Ursachen (z.B. Infektionen, Entzug).
  • Regelmäßige neurologische Überwachung und Anpassung der Therapie basierend auf klinischem Verlauf und EEG-Befunden.

Langzeittherapie und Prävention

Optimierung der antiepileptischen Therapie

  • Überprüfung und Anpassung der bestehenden Medikation zur Verhinderung von Rezidiven.
  • Regelmäßige Blutspiegelkontrollen und Überwachung auf Nebenwirkungen.

Patientenschulung und -unterstützung

  • Aufklärung der Patienten und ihrer Angehörigen über die Bedeutung der Medikamentenadhärenz und die Erkennung von Anzeichen eines drohenden Status epilepticus.
  • Unterstützung durch Selbsthilfegruppen und psychosoziale Beratung.

Nachsorge

  • Regelmäßige Nachuntersuchungen und Anpassung der Therapie basierend auf dem Anfallsverlauf und der Lebenssituation des Patienten.
  • Langzeit-EEG-Überwachung bei Patienten mit hohem Risiko für Status epilepticus.

Komplikationen

Ein Status epilepticus kann zu schwerwiegenden Komplikationen führen, darunter:

  • Hirnschäden
    • Prolongierte Anfallsaktivität kann zu dauerhaften neurologischen Schäden oder kognitiven Beeinträchtigungen führen.
  • Systemische Komplikationen
    • Hypoxie, Kreislaufversagen, Hyperthermie und metabolische Azidose.
  • Letalität
    • Ohne adäquate Behandlung kann Status epilepticus tödlich verlaufen.

Zusammenfassung

Status epilepticus ist ein medizinischer Notfall, bei dem ein epileptischer Anfall entweder länger als 5 Minuten andauert oder mehrere Anfälle in kurzer Folge auftreten, ohne dass der Betroffene dazwischen das Bewusstsein vollständig wiedererlangt. Diese Erkrankung kann durch verschiedene Ursachen ausgelöst werden, wie zum Beispiel Hirnverletzungen, Infektionen, Entzündungen, Alkoholentzug oder eine unzureichende Behandlung der Epilepsie. Unbehandelt kann Status epilepticus zu schwerwiegenden Komplikationen wie bleibenden neurologischen Schäden oder Tod führen. Eine sofortige medizinische Intervention ist entscheidend, um die Anfälle zu stoppen und Komplikationen zu vermeiden.

Bei diesem Artikel handelt es sich um ein Gesundheitsthema. Er dient weder der Selbstdiagnose noch ersetzt er eine Diagnose durch einen Arzt. Bitte zusätzlich den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten!

Quellen

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  • Deutsche Gesellschaft für Epileptologie e.V. (DGfE). (2023). Status Epilepticus. Verfügbar unter: https://www.dgfe.info/ (Zugegriffen: 7. Juli 2024).
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