Pflege bei Schizophrenie

Die Schizophrenie ist eine komplexe und chronische psychiatrische Erkrankung, die erhebliche Auswirkungen auf das Denken, Fühlen und Verhalten der Betroffenen hat. Die Pflege von Patienten mit Schizophrenie erfordert ein umfassendes Verständnis der Erkrankung, ihrer Symptome und der besten Pflegepraktiken, um die Lebensqualität der Patienten zu verbessern und die Rückfallrate zu minimieren.

Pflegerische Ziele

  • Stabilisierung des psychischen Zustands der Patienten
  • Förderung der Medikamentenadhärenz und Therapieeinhaltung
  • Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags
  • Verhinderung von Rückfällen und Krisensituationen
  • Förderung der sozialen Integration und Selbstständigkeit

Symptome der Schizophrenie

Positive Symptome

  • Wahnvorstellungen
  • Halluzinationen
  • Desorganisiertes Denken und Sprechen
  • Grob desorganisiertes oder katatones Verhalten

Negative Symptome

  • Affektverflachung
  • Anhedonie (Verlust der Fähigkeit, Freude zu empfinden)
  • Alogie (Unvermögen, grammatikalisch richtige und in sich logische Sätze zu bilden)
  • Sozialer Rückzug

Kognitive Symptome

  • Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen
  • Gedächtnisprobleme
  • Eingeschränktes Planungs- und Problemlösungsverhalten

Pflegerische Maßnahmen

Anamnese und Beobachtung

  • Regelmäßige Erhebung des psychischen Zustands und der Symptome.
  • Beobachtung des Verhaltens und der Interaktionen des Patienten.
  • Dokumentation von Veränderungen und Fortschritten im Pflegeprozess.

Medikamentenmanagement

  • Sicherstellung der regelmäßigen Einnahme von Antipsychotika.
  • Überwachung auf Nebenwirkungen und Wechselwirkungen der Medikamente.
  • Zusammenarbeit mit Ärzten zur Anpassung der Medikation bei Bedarf.

Therapieunterstützung

  • Förderung der Teilnahme an psychotherapeutischen Sitzungen und Gruppen.
  • Unterstützung bei der Umsetzung von Therapieplänen und Verhaltensstrategien.
  • Motivation zur kontinuierlichen Teilnahme an Rehabilitationsprogrammen.

Umgang mit Krisen

  • Erkennen von Frühwarnzeichen für Rückfälle und Krisen.
  • Anwendung von Deeskalationstechniken bei agitiertem oder aggressivem Verhalten.
  • Entwicklung und Umsetzung von Kriseninterventionsplänen in Zusammenarbeit mit dem behandelnden Team.

Alltagsbewältigung

  • Unterstützung bei der Durchführung von Aktivitäten des täglichen Lebens (ADLs).
  • Anleitung zur Selbstpflege und Haushaltsführung.
  • Förderung einer strukturierten Tagesplanung und Routine.

Soziale Unterstützung

  • Förderung sozialer Kontakte und Aktivitäten.
  • Unterstützung bei der Integration in Gemeinschaftsangebote und Selbsthilfegruppen.
  • Beratung und Unterstützung der Angehörigen und Betreuer.

Psychoedukation

  • Aufklärung über die Erkrankung, deren Verlauf und Behandlungsmöglichkeiten.
  • Schulung in der Erkennung von Anzeichen eines Rückfalls und geeigneten Reaktionen.
  • Förderung von Selbsthilfestrategien und Stressbewältigungstechniken.

Spezielle Pflegeaspekte

Pflege bei akuten psychotischen Episoden

  • Sicherstellung einer sicheren Umgebung zur Verhinderung von Selbst- und Fremdgefährdung.
  • Anwendung von Beruhigungstechniken und gegebenenfalls medikamentöse Sedierung.
  • Intensive Überwachung und Betreuung während der akuten Phase.

Langzeitpflege

  • Entwicklung langfristiger Pflegepläne in Zusammenarbeit mit dem Behandlungsteam.
  • Regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Pflegeziele und Maßnahmen.
  • Förderung der langfristigen Stabilität und Lebensqualität der Patienten.

Prävention und Nachsorge

Regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen

  • Kontinuierliche Überwachung des psychischen Zustands und der Medikamentenwirkung.
  • Frühzeitige Anpassung der Therapie bei Anzeichen von Verschlechterung oder Rückfall.

Lebensstilmodifikationen

  • Förderung einer gesunden Ernährung und regelmäßiger körperlicher Aktivität.
  • Unterstützung bei der Vermeidung von Drogen- und Alkoholmissbrauch.
  • Anleitung zur Stressbewältigung und Entspannungstechniken.

Soziale und berufliche Rehabilitation

  • Unterstützung bei der Wiedereingliederung in das Arbeitsleben oder bei der beruflichen Neuorientierung.
  • Förderung von Ausbildung und Weiterbildungsmöglichkeiten.
  • Zusammenarbeit mit sozialen Diensten und Rehabilitationseinrichtungen.

Schulung und Weiterbildung des Pflegepersonals

Fortbildungen und Schulungen

  • Regelmäßige Teilnahme an Fortbildungen und Schulungen zu Schizophrenie und anderen psychiatrischen Erkrankungen.
  • Aktualisierung des Wissens über neue Behandlungsmethoden und Pflegestrategien.

Supervision und Teambesprechungen

  • Teilnahme an Supervisionssitzungen und Fallbesprechungen zur Reflexion und Verbesserung der Pflegepraxis.
  • Förderung des Austauschs und der Zusammenarbeit im Pflegeteam.

Fallbeispiel: Pflege bei Schizophrenie

Patientenvorstellung

  • Name: Herr Müller
  • Alter: 35 Jahre
  • Diagnose: Paranoide Schizophrenie
  • Krankheitsverlauf: Herr Müller wurde vor fünf Jahren erstmals mit Schizophrenie diagnostiziert. Er hat mehrere Krankenhausaufenthalte hinter sich und wird ambulant betreut. Die aktuellen Symptome umfassen auditive Halluzinationen, Verfolgungswahn und soziale Isolation. Er lebt alleine und hat Schwierigkeiten, seinen Alltag zu bewältigen.

Pflegeanamnese und Erstassessment

Bei der Aufnahme zur stationären Behandlung schildert Herr Müller, dass er Stimmen hört, die ihn bedrohen, und dass er glaubt, von der Regierung überwacht zu werden. Er ist stark ängstlich, misstrauisch und zeigt wenig Motivation für alltägliche Aktivitäten. In der Pflegeanamnese wird deutlich, dass Herr Müller häufig die Medikamenteneinnahme vernachlässigt und keine feste Tagesstruktur hat.

Pflegeprobleme

Auditive Halluzinationen und Wahnvorstellungen

  • Pflegediagnose
    ➜ Wahrnehmungsstörung, manifestiert durch auditive Halluzinationen und Wahnvorstellungen.
  • Pflegeziel
    ➜ Reduktion der Angst und Verbesserung des Realitätsbezugs.

Medikamenten-Non-Compliance

  • Pflegediagnose
    ➜ Non-Compliance im Zusammenhang mit Medikamenteneinnahme aufgrund von Misstrauen und Nebenwirkungen.
  • Pflegeziel
    ➜ Sicherstellung der regelmäßigen Einnahme von Antipsychotika zur Stabilisierung der Symptome.

Soziale Isolation

  • Pflegediagnose
    ➜ Soziale Isolation im Zusammenhang mit Rückzug und Misstrauen gegenüber anderen.
  • Pflegeziel
    ➜ Förderung sozialer Interaktionen und Aufbau von Vertrauen.

Mangelnde Selbstpflege

  • Pflegediagnose
    ➜ Beeinträchtigte Selbstpflege, manifestiert durch Vernachlässigung der Körperhygiene und der Ernährung.
  • Pflegeziel
    ➜ Unterstützung bei der Selbstpflege und Förderung von Selbstständigkeit.

Pflegeinterventionen

Umgang mit Halluzinationen und Wahnvorstellungen

  • Schaffung einer sicheren und ruhigen Umgebung.
  • Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung durch regelmäßige Gespräche und empathische Kommunikation.
  • Unterstützung bei der Unterscheidung zwischen Realität und Halluzinationen, ohne die Wahrnehmungen des Patienten direkt in Frage zu stellen.
  • Einsatz von Ablenkungsstrategien wie Musik hören oder kreative Tätigkeiten, um die Konzentration weg von den Halluzinationen zu lenken.

Förderung der Medikamenteneinnahme

  • Aufklärung über die Bedeutung der regelmäßigen Einnahme von Antipsychotika und die möglichen Folgen von Non-Compliance.
  • Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt, um eventuelle Nebenwirkungen zu minimieren.
  • Entwicklung eines einfachen und übersichtlichen Medikamentenplans.
  • Regelmäßige Überprüfung der Medikamenteneinnahme und positive Verstärkung bei korrekter Einnahme.

Reduktion der sozialen Isolation

  • Ermutigung zur Teilnahme an Gruppentherapien und sozialen Aktivitäten innerhalb der Pflegeeinrichtung.
  • Unterstützung beim Aufbau von sozialen Kontakten durch gezielte Interventionen und Begleitung bei ersten Schritten.
  • Förderung der Kommunikation mit Familie und Freunden durch Telefonate oder Besuche.

Unterstützung bei der Selbstpflege

  • Erstellung eines strukturierten Tagesplans, der regelmäßige Zeiten für Körperpflege, Mahlzeiten und Freizeitaktivitäten beinhaltet.
  • Anleitung und Unterstützung bei der Durchführung von Körperpflegeaktivitäten.
  • Sicherstellung einer ausgewogenen Ernährung durch Planung und Zubereitung gemeinsamer Mahlzeiten.

Evaluation

Die Evaluation der Pflegeinterventionen erfolgt kontinuierlich durch regelmäßige Gespräche mit Herrn Müller, Beobachtung seines Verhaltens und Rückmeldungen aus dem Pflegeteam. Fortschritte werden dokumentiert und der Pflegeplan bei Bedarf angepasst. Ein erfolgreicher Pflegeprozess zeigt sich in einer Reduktion der Halluzinationen und Wahnvorstellungen, einer verbesserten Medikamenten-Compliance, gesteigerter sozialer Interaktion und erhöhter Selbstständigkeit in der Selbstpflege.

Zusammenfassung

Die Pflege von Patienten mit Schizophrenie erfordert eine umfassende, individualisierte und kontinuierliche Betreuung. Durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Pflegepersonal, Ärzten, Therapeuten und sozialen Diensten kann die Lebensqualität der Patienten verbessert und die Rückfallrate minimiert werden. Kontinuierliche Schulung und Weiterbildung des Pflegepersonals sind entscheidend, um eine bestmögliche Versorgung zu gewährleisten und den speziellen Herausforderungen der Schizophrenie gerecht zu werden.

Quellen

  • Elsevier GmbH, & Menche, N. (Hrsg.). (2019). Pflege Heute (7. Aufl.). Urban & Fischer in Elsevier.
  • Haupt, W. F., & Gouzoulis-Mayfrank, E. (2016). Neurologie und Psychiatrie für Pflegeberufe (W. F. Haupt & E. Gouzoulis-Mayfrank, Hrsg.; 11. Aufl.). Thieme.
  • Lehmann, P., & Stastny, P. (2007). Alternatives Beyond Psychiatry. Peter Lehmann Publishing.
  • Falkai, P., & Maier, W. (2008). Schizophrenie: Diagnostik und Therapie. Springer.
  • Juckel, G., & Moritz, S. (2014). Schizophrenie: Therapie und Rehabilitation. Der Nervenarzt, 85(9), 1150-1162. doi:10.1007/s00115-013-3963-9
  • Vauth, R., & Watzke, S. (2011). Psychosoziale Therapien bei Schizophrenie: Stand und Perspektiven. Fortschritte der Neurologie-Psychiatrie, 79(3), 142-151. doi:10.1055/s-0030-1267991
  • Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). (2023). Schizophrenie. Verfügbar unter: https://www.dgppn.de (Zugegriffen: 7. Juli 2024).
  • Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker e.V. (BApK). (2023). Informationen für Angehörige. Retrieved from Verfügbar unter: https://www.bapk.de (Zugegriffen: 7. Juli 2024).