Bauchspeicheldrüse: Anatomie, Funktion, Pathologie

Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) ist ein lebenswichtiges Organ mit bedeutenden exokrinen und endokrinen Funktionen. Sie spielt eine zentrale Rolle bei der Verdauung und der Regulation des Blutzuckerspiegels.
Synonym:
Pankreas
Größe:
ca. 16 - 20 cm lang, 3 - 4 cm breit, 1 - 2 cm dick
Gewicht:
ca. 40 - 120 g
Form:
Keilform
Lage:
Retroperitonealraum (quer im Oberbauch)
Griechisch:
πάγκρεας, pánkreas
Funktion:
Produktion von Verdauungsenzymen und Hormonen
Aussprache (IPA):
baʊ̯xʃpaɪ̯çl̩ˌdʁyːzə

Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) ist ein lebenswichtiges Organ mit bedeutenden exokrinen und endokrinen Funktionen. Sie spielt eine zentrale Rolle bei der Verdauung und der Regulation des Blutzuckerspiegels (Insulin und Glukagon).

Lage und Aufbau

Lage

  • Die Bauchspeicheldrüse liegt retroperitoneal im Oberbauch und erstreckt sich quer über die hintere Bauchwand.
  • Sie befindet sich hinter dem Magen und vor der Wirbelsäule, etwa auf Höhe des ersten und zweiten Lendenwirbels.

Aufbau (Abschnitte)

  • Kopf (Caput pancreatis)
    ➜ Der breiteste Teil, der sich in der C-Schleife des Duodenums befindet.
  • Körper (Corpus pancreatis)
    ➜ Der mittlere Abschnitt, der sich quer über die Wirbelsäule erstreckt.
  • Schwanz (Cauda pancreatis)
    ➜ Der schmale, sich verjüngende Teil, der bis zum Milzhilus reicht.
Anatomie Bauchspeicheldrüse (Pankreas)
Abb. 1.1: Anatomie der Bauchspeicheldrüse (Pankreas)

Makroskopische Anatomie

Form und Größe

  • Die Bauchspeicheldrüse hat eine längliche, flache Form und misst etwa 6 – 20 cm in der Länge, 3 – 4 cm in der Breite und 1 – 2 cm in der Dicke.
  • Das Gewicht beträgt durchschnittlich 40 – 120 g.

Oberfläche

  • Die Oberfläche der Bauchspeicheldrüse ist unregelmäßig und leicht lobuliert, was durch die Anordnung der Drüsenläppchen bedingt ist.

Blutversorgung

  • Arterielle Versorgung
    • Die Pankreas wird hauptsächlich durch Äste der Arteria pancreatica, Arteria splenica und Arteria mesenterica superior versorgt.
    • Wichtige Arterien: Arteria pancreatica magna, Arteria pancreatico-duodenalis superior und inferior.
  • Venöse Entsorgung:
    • Das venöse Blut der Bauchspeicheldrüse wird über die Vena pancreatica, Vena splenica und Vena mesenterica superior zur Vena portae (Pfortader) abgeleitet.

Lymphabfluss

  • Die Lymphgefäße der Bauchspeicheldrüse verlaufen zu den Pankreaslymphknoten und weiter zu den paraaortalen und zöliakalen Lymphknoten.

Innervation

  • Die Bauchspeicheldrüse wird durch sympathische und parasympathische Fasern des autonomen Nervensystems innerviert.
  • Die sympathische Innervation erfolgt über den Plexus coeliacus, während die parasympathische Innervation durch den Nervus vagus vermittelt wird.

Mikroskopische Anatomie

Exokriner Anteil

  • Azinäre Zellen
    ➜ Diese Zellen bilden den Großteil des exokrinen Gewebes und produzieren Verdauungsenzyme wie Amylase, Lipase und Proteasen. Diese Enzyme werden in Form von Zymogenen gespeichert und bei Bedarf in das Duodenum freigesetzt.
  • Gangsystem
    ➜ Die Azini sind über ein verzweigtes Gangsystem verbunden, das schließlich im Hauptausführungsgang (Ductus pancreaticus) mündet. Der Ductus pancreaticus vereint sich oft mit dem Ductus choledochus und mündet über die Papilla Vateri ins Duodenum (Zwölffingerdarm).

Endokriner Anteil

Langerhans-Inseln

Diese Zellinseln machen etwa 1-2 % der gesamten Pankreasmasse aus und sind für die hormonelle Regulation des Blutzuckerspiegels verantwortlich.

Zelltypen der Langerhans-Inseln

  • Alpha-Zellen (α-Zellen)
    ➜ Produzieren Glukagon, das den Blutzuckerspiegel erhöht.
  • Beta-Zellen (β-Zellen)
    ➜ Produzieren Insulin, das den Blutzuckerspiegel senkt.
  • Delta-Zellen (δ-Zellen)
    ➜ Produzieren Somatostatin, das die Sekretion von Insulin und Glukagon hemmt.
  • PP-Zellen (γ-Zellen oder F-Zellen)
    ➜ Produzieren pankreatisches Polypeptid, das die exokrine und endokrine Pankreasfunktion reguliert.
  • Epsilon-Zellen (ε-Zellen)
    ➜ Produzieren Ghrelin, ein Hormon, das den Appetit anregt.
Langerhans-Insel (HE-Färbung)
Abb 1.2: Langerhans-Inselzellen (Lichtmikroskopie (HE-Färbung = Hämatoxylin-Eosin-Färbung))

Funktion der Bauchspeicheldrüse

Exokrine Funktion

  • Verdauungsenzyme
    ➜ Produktion und Sekretion von Enzymen, die die Verdauung von Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen im Dünndarm ermöglichen.
  • Bikarbonat
    ➜ Neutralisierung der Magensäure im Duodenum durch die Sekretion von Bikarbonat, das den pH-Wert erhöht und eine optimale Umgebung für die Enzyme schafft.

Endokrine Funktion

  • Insulinproduktion
    ➜ Regulation des Blutzuckerspiegels durch die Förderung der Glukoseaufnahme in die Zellen.
  • Glukagonproduktion
    ➜ Erhöhung des Blutzuckerspiegels durch die Förderung der Glykogenolyse und Glukoneogenese in der Leber.
  • Somatostatin
    ➜ Hemmung der Freisetzung von Insulin, Glukagon und Verdauungsenzymen.
  • Pankreatisches Polypeptid
    ➜ Regulation der exokrinen und endokrinen Funktionen der Bauchspeicheldrüse.

Klinische Relevanz

Pankreatitis

Akute Pankreatitis

Entzündung der Bauchspeicheldrüse, oft verursacht durch Gallensteine oder Alkoholmissbrauch.

  • Symptome
    ➜ Starke Oberbauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Fieber.
  • Diagnose
    ➜ Erhöhte Pankreasenzyme (Amylase, Lipase) im Blut, bildgebende Verfahren wie Ultraschall oder CT.
  • Behandlung
    ➜ Fasten, intravenöse Flüssigkeitszufuhr, Schmerzmanagement, Behandlung der Grunderkrankung.

Chronische Pankreatitis

Langfristige Entzündung der Bauchspeicheldrüse, oft durch wiederholte Episoden akuter Pankreatitis oder chronischen Alkoholmissbrauch verursacht.

  • Symptome
    ➜ Chronische Oberbauchschmerzen, Verdauungsstörungen, Gewichtsverlust.
  • Diagnose
    ➜ Bildgebende Verfahren (CT, MRT), Funktionsstests.
  • Behandlung
    ➜ Enzymsubstitution, Schmerzmanagement, Alkoholkarenz, Behandlung der Grunderkrankung.

Pankreaskarzinom

  • Beschreibung
    ➜ Bösartiger Tumor der Bauchspeicheldrüse, häufig im Pankreaskopf lokalisiert.
  • Symptome
    ➜ Gewichtsverlust, Gelbsucht, Oberbauchschmerzen, Appetitlosigkeit.
  • Diagnose
    ➜ Bildgebende Verfahren (CT, MRT, ERCP), Biopsie, Tumormarker (CA 19-9).
  • Behandlung
    ➜ Chirurgische Resektion (Whipple-Operation), Chemotherapie, Strahlentherapie, palliative Maßnahmen.

Diabetes mellitus

Typ-1-Diabetes

Autoimmunerkrankung, bei der die Beta-Zellen der Langerhans-Inseln zerstört werden, was zu einem absoluten Insulinmangel führt.

  • Symptome
    ➜ Polydipsie, Polyurie, Gewichtsverlust, Müdigkeit.
  • Diagnose
    ➜ Erhöhter Blutzuckerspiegel, HbA1c-Test, Autoantikörper-Test.
  • Behandlung
    ➜ Insulintherapie, Blutzuckerkontrolle, Ernährungsmanagement.

Typ-2-Diabetes

Stoffwechselerkrankung, bei der Insulinresistenz und ein relativer Insulinmangel vorliegen.

  • Symptome
    ➜ Ähnlich wie bei Typ-1-Diabetes, jedoch oft langsamer Beginn.
  • Diagnose
    ➜ Erhöhter Blutzuckerspiegel, HbA1c-Test.
  • Behandlung
    ➜ Lebensstiländerungen, orale Antidiabetika, Insulintherapie bei Bedarf.

Diagnostik

Anamnese und körperliche Untersuchung

Anamnese

  • Symptome
    ➜ Schmerzen im Oberbauch, Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsverlust, Fettstühle, Gelbsucht.
  • Risikofaktoren
    ➜ Alkoholkonsum, Rauchen, familiäre Vorbelastung, bekannte Gallensteine, chronische Erkrankungen wie Diabetes.

Körperliche Untersuchung

  • Inspektion
    ➜ Gelbsucht, Gewichtsverlust, abdominale Schwellung.
  • Palpation
    ➜ Druckschmerz im Oberbauch, tastbare Masse.
  • Auskultation
    ➜ Veränderung der Darmgeräusche.

Laboruntersuchungen

Bluttests ➜ Pankreasenzyme

  • Amylase
    ➜ Erhöhungen können auf eine akute Pankreatitis hinweisen, sind aber nicht spezifisch.
  • Lipase
    ➜ Spezifischer für die Bauchspeicheldrüse und steigt bei akuter Pankreatitis an.
  • Blutzucker
    ➜ Zur Diagnose von Diabetes mellitus und zur Überwachung der Blutzuckerkontrolle.
  • HbA1c
    ➜ Langfristige Blutzuckerkontrolle bei Patienten mit Diabetes.
  • Leberfunktionstests
    ➜ Erhöhte Werte können auf eine Obstruktion des Gallengangs durch Pankreaskopfkarzinom hinweisen (Bilirubin, ALP, GGT).

Urinuntersuchungen

  • Urin-Amylase
    ➜ Kann bei Pankreatitis erhöht sein.
  • Glukose
    ➜ Erhöhte Werte können auf Diabetes hinweisen.

Bildgebende Verfahren

Ultraschall (Sonographie)

  • Transabdominaler Ultraschall
    ➜ Erster Schritt zur Beurteilung der Pankreasstruktur und -größe, Detektion von Pankreaspseudozysten und Gallensteinen.
  • Endosonographie (EUS)
    ➜ Hochauflösende Bilder der Bauchspeicheldrüse, hilfreich bei der Erkennung von kleinen Tumoren und Pankreatitis.

Computertomographie (CT)

  • Kontrastmittel-CT
    ➜ Bietet detaillierte Bilder der Bauchspeicheldrüse, hilfreich bei der Diagnose von Pankreatitis, Pankreaskarzinom, Abszessen und Nekrosen.
  • CT-Perfusion
    ➜ Kann bei der Beurteilung der Durchblutung von Pankreastumoren hilfreich sein.

Magnetresonanztomographie (MRT)

  • MRT-Pankreatographie (MRCP)
    ➜ Nicht-invasive Methode zur Darstellung der Gänge der Bauchspeicheldrüse und des Gallengangsystems, nützlich bei der Diagnose von Pankreatitis und Pankreaskarzinom.
  • Kontrastmittel-MRT
    ➜ Hilfreich bei der Differenzierung von soliden und zystischen Läsionen der Bauchspeicheldrüse.

Endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP)

  • Beschreibung
    ➜ Kombination aus Endoskopie und Röntgen zur Untersuchung der Pankreas- und Gallengänge.
  • Anwendung
    ➜ Diagnostik und Therapie von Gallensteinen, Strikturen, und Tumoren der Gallen- und Pankreasgänge.
  • Risiken
    ➜ Pankreatitis, Infektionen, Blutungen, Perforationen.

Zusammenfassung

Die Bauchspeicheldrüse, auch Pankreas genannt, ist ein lebenswichtiges Organ im menschlichen Körper, das sowohl exokrine als auch endokrine Funktionen hat. Sie befindet sich im Oberbauch, hinter dem Magen. Exokrin produziert sie Verdauungsenzyme, die in den Dünndarm abgegeben werden und helfen, Nahrung zu verdauen. Endokrin produziert sie Hormone wie Insulin und Glukagon, die den Blutzuckerspiegel regulieren. Störungen der Bauchspeicheldrüse, wie Pankreatitis oder Pankreaskarzinom, können schwerwiegende Auswirkungen auf die Verdauung und den Stoffwechsel haben.

Quellen

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