Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL) nach Roper

Das Modell der Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL) nach Nancy Roper ist ein pflegerisches Rahmenwerk, das Pflegefachkräften dabei hilft, die Pflegebedürfnisse von Patienten systematisch zu erfassen und zu planen. Es wurde von Nancy Roper, Winifred Logan und Alison Tierney entwickelt und legt den Fokus auf die Förderung der Unabhängigkeit und Selbstständigkeit der Patienten.

Hintergrund

Die Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL) nach Nancy Roper wurden in den 1970er Jahren entwickelt und sind eines der bekanntesten Pflegemodelle. Es basiert auf der Annahme, dass Pflege darauf abzielt, Menschen zu unterstützen, ihre täglichen Aktivitäten durchzuführen, um ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden zu fördern. Roper, Logan und Tierney erweiterten und verfeinerten das Modell, das inzwischen weit verbreitet in der Pflegepraxis eingesetzt wird.

Die zwölf Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL)

Für eine sichere Umgebung sorgen

  • Ziel
    ➜ Sicherstellung der Sicherheit des Patienten, Vermeidung von Unfällen und Verletzungen.
  • Beispiel
    ➜ Identifizierung von Gefahrenquellen im häuslichen Umfeld, Installation von Handläufen im Badezimmer.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Durchführung von Sicherheitschecks, Schulung des Patienten und der Familie zur Unfallverhütung.

Kommunizieren

  • Ziel
    ➜ Sicherstellung, dass der Patient effektiv mit seiner Umwelt interagieren kann.
  • Beispiel
    ➜ Unterstützung bei Sprachproblemen nach einem Schlaganfall.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Einsatz von Kommunikationshilfen, Logopädie.

Atmen

  • Ziel
    ➜ Aufrechterhaltung einer effektiven Atmung.
  • Beispiel
    ➜ Unterstützung bei der Atmung bei Patienten mit COPD.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Atemübungen, Sauerstofftherapie.

Essen und Trinken

  • Ziel
    ➜ Sicherstellung einer ausreichenden Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme.
  • Beispiel
    ➜ Anpassung der Ernährung bei Patienten mit Diabetes.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Erstellung eines Ernährungsplans, Überwachung der Nahrungsaufnahme.

Ausscheiden

  • Ziel
    ➜ Unterstützung bei der Blasen- und Darmentleerung.
  • Beispiel
    ➜ Hilfe bei Inkontinenz.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Bereitstellung von Inkontinenzmaterialien, Anleitung zur Nutzung der Toilette.

Sich sauber halten und kleiden

  • Ziel
    ➜ Förderung der persönlichen Hygiene und angemessenen Kleidung.
  • Beispiel
    ➜ Unterstützung bei der Körperpflege bei immobilen Patienten.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Hilfe beim Waschen und Ankleiden, Bereitstellung geeigneter Kleidung.

Körpertemperatur regulieren

  • Ziel
    ➜ Aufrechterhaltung einer normalen Körpertemperatur.
  • Beispiel
    ➜ Maßnahmen zur Vorbeugung von Hypothermie bei älteren Menschen.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Bereitstellung von Decken, Überwachung der Raumtemperatur.

Sich bewegen

  • Ziel
    ➜ Förderung der Mobilität.
  • Beispiel
    ➜ Rehabilitation nach einem Hüftbruch.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Durchführung von Mobilisationsübungen, Bereitstellung von Gehhilfen.

Sich beschäftigen

  • Ziel
    ➜ Förderung der Teilnahme an Aktivitäten und der Beschäftigung.
  • Beispiel
    ➜ Teilnahme an kreativen Tätigkeiten in einer Pflegeeinrichtung.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Organisation von Freizeitaktivitäten, Motivation zur Teilnahme.

Sich als Mann oder Frau fühlen und verhalten

  • Ziel
    ➜ Unterstützung der geschlechtlichen Identität und Sexualität.
  • Beispiel
    ➜ Gespräche über sexuelle Bedürfnisse nach einer Operation.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Bereitstellung eines geschützten Rahmens für intime Gespräche, Information und Beratung.

Schlafen

  • Ziel
    ➜ Sicherstellung eines ausreichenden und erholsamen Schlafs.
  • Beispiel
    ➜ Unterstützung bei Schlafstörungen.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Schaffung einer ruhigen Umgebung, Schlafhygieneberatung.

Sterben

  • Ziel
    ➜ Unterstützung in der Endphase des Lebens.
  • Beispiel
    ➜ Palliativpflege bei unheilbaren Erkrankungen.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Schmerzmanagement, emotionale und spirituelle Unterstützung.

Anwendung in der Pflegepraxis

Pflegeanamnese

  • Beschreibung
    ➜ Systematische Erfassung der Pflegebedürfnisse des Patienten durch eine detaillierte Befragung und Beobachtung.
  • Beispiel
    ➜ Ein Pflegekraft führt ein umfassendes Gespräch mit einem neuen Patienten, um dessen Fähigkeiten und Einschränkungen in den ATLs zu bewerten.

Pflegediagnose

  • Beschreibung
    ➜ Identifikation von Pflegeproblemen basierend auf den erhobenen Daten der Pflegeanamnese.
  • Beispiel
    ➜ Ein Patient hat Schwierigkeiten beim Essen und Trinken aufgrund einer Schluckstörung. Die Pflegediagnose könnte „Beeinträchtigte Nahrungsaufnahme“ lauten.

Pflegeplanung

  • Beschreibung
    ➜ Erstellung eines individuellen Pflegeplans, der konkrete Ziele und Maßnahmen zur Lösung der identifizierten Pflegeprobleme festlegt.
  • Beispiel
    ➜ Für den Patienten mit der Schluckstörung wird ein Pflegeplan erstellt, der Maßnahmen wie das Anbieten von weicher Nahrung und das Erlernen sicherer Schlucktechniken umfasst.

Durchführung der Pflegeinterventionen

  • Beschreibung
    ➜ Umsetzung der im Pflegeplan festgelegten Maßnahmen.
  • Beispiel
    ➜ Die Pflegekraft unterstützt den Patienten täglich bei den Mahlzeiten, überwacht die Nahrungsaufnahme und gibt Hilfestellung bei Schluckübungen.

Evaluation

  • Beschreibung
    ➜ Regelmäßige Überprüfung der Effektivität der Pflegeinterventionen und Anpassung des Pflegeplans bei Bedarf.
  • Beispiel
    ➜ Nach zwei Wochen wird die Nahrungsaufnahme des Patienten erneut bewertet und der Pflegeplan wird entsprechend angepasst.

Vorteile des ATL-Modells

  • Ganzheitlicher Ansatz
    • Das Modell berücksichtigt alle wesentlichen Aspekte des täglichen Lebens und fördert eine umfassende Pflege.
  • Individuelle Pflege
    • Ermöglicht eine auf die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Patienten abgestimmte Pflegeplanung.
  • Förderung der Selbstständigkeit
    • Unterstützt die Patienten dabei, ihre Selbstständigkeit und Lebensqualität zu erhalten oder zu verbessern.

Schulung und Weiterbildung

  • Grundlagenschulungen
    • Einführung in das Konzept der ATL nach Roper für neue Pflegekräfte.
  • Fortgeschrittenenkurse
    • Vertiefung der Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit spezifischen ATL-Kategorien.
  • Zertifizierungen
    • Möglichkeit zur Zertifizierung in der Anwendung der ATL für qualifiziertes Pflegepersonal.

Zusammenfassung

Das Pflegemodell der Aktivitäten des täglichen Lebens nach Nancy Roper ist ein wertvolles Instrument für die systematische Erfassung der Pflegebedürfnisse von Patienten. Durch die Fokussierung auf grundlegende menschliche Aktivitäten ermöglicht es Pflegekräften, individuelle und ganzheitliche Pflegepläne zu erstellen, die die Lebensqualität der Patienten verbessern.

Quellen

  • Roper, N., Logan, W. W., & Tierney, A. J. (2000). The Roper-Logan-Tierney Model of Nursing: Based on Activities of Living. Churchill Livingstone.
  • Krohwinkel, M. (1993). Pflegeprozess: Ein Beitrag zur Theorie und Praxis der Pflege. Urban & Fischer.
  • Elsevier GmbH, & Menche, N. (Hrsg.). (2019). Pflege Heute (7. Aufl.). Urban & Fischer in Elsevier.
  • Pearson, A., Vaughan, B., & Fitzgerald, M. (2005). Nursing Models for Practice. Elsevier Health Sciences.
  • Wilson, H. S. (2007). Research in Nursing. Addison Wesley Publishing Company