Pflege bei Delir

Ein Delir ist ein akuter, oft reversibler Zustand geistiger Verwirrung, der durch eine Störung der Aufmerksamkeit, des Bewusstseins und des Denkens gekennzeichnet ist. Es tritt häufig bei älteren Menschen auf, insbesondere im Krankenhaussetting oder nach chirurgischen Eingriffen. Die Pflege von Patienten mit Delir erfordert spezialisierte Kenntnisse und Ansätze, um sowohl die Symptome zu lindern als auch die zugrunde liegenden Ursachen anzugehen.

Ursachen und Risikofaktoren

Delir kann durch eine Vielzahl von Faktoren ausgelöst werden, darunter:

  • 1. Medikamenten-Nebenwirkungen
    • Polypharmazie und bestimmte Medikamente wie Sedativa oder Anticholinergika.
  • 2. Infektionen
    • Harnwegsinfektionen oder Pneumonien.
  • 3. Dehydratation und Elektrolytstörungen
  • 4. Chirurgische Eingriffe
    • Besonders bei älteren Patienten nach Operationen.
  • 5. Chronische Erkrankungen
    • Herzinsuffizienz, Nierenversagen, Lebererkrankungen.
  • 6. Umgebungsfaktoren
    • Ungewohnte Umgebung, Schlafmangel, sensorische Überlastung oder Deprivation.

Pflegerische Interventionen

Die Pflege bei Delir umfasst sowohl nicht-medikamentöse als auch medikamentöse Ansätze. Hier sind einige zentrale Maßnahmen:

Umgebungsgestaltung

  • Reizkontrolle
    ➜ Reduzieren von übermäßigem Lärm und visuellem Durcheinander.
  • Orientierungshilfen
    ➜ Uhren, Kalender und persönliche Gegenstände können helfen, den Patienten zu orientieren.
  • Beleuchtung
    ➜ Natürliche Beleuchtung und eine angenehme Beleuchtung in der Nacht fördern den Schlaf-Wach-Rhythmus.

Kommunikation und Interaktion

  • Klare und einfache Kommunikation
    ➜ Langsame und deutliche Sprache, einfache Sätze und Wiederholungen.
  • Reassurance und Beruhigung
    ➜ Häufige Beruhigung und Erklärung der Situation können Angst und Verwirrung lindern.
  • Einbeziehung von Angehörigen
    ➜ Bekannte Gesichter und Stimmen wirken beruhigend.
Pflege bei Delir
In der Pflege von Delir-Patienten spielt die Kommunikation, die Lichtverhältnisse und eine Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr eine wichtige Rolle.

Physiologische Unterstützung

  • Hydratation und Ernährung
    ➜ Sicherstellen einer ausreichenden Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr.
  • Schlafmanagement
    ➜ Förderung eines regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus durch Routinen und eine angenehme Schlafumgebung.
  • Schmerzmanagement
    ➜ Angemessene Schmerzkontrolle, da Schmerzen Delir verstärken können.

Teamarbeit und interdisziplinäre Ansätze

  • Interdisziplinäres Team
    ➜ Ein Team aus Ärzten, Pflegekräften, Therapeuten und Sozialarbeitern ist essenziell, um eine umfassende Pflege zu gewährleisten.
  • Schulung des Pflegepersonals
    ➜ Regelmäßige Schulungen zur Erkennung, Prävention und Behandlung von Delir.

Präventive Maßnahmen

  • Umgebungsgestaltung
    ➜ Eine ruhige, gut beleuchtete und vertraute Umgebung hilft, das Risiko eines Delirs zu minimieren. Persönliche Gegenstände des Patienten können dabei helfen, eine vertraute Umgebung zu schaffen.
  • Schlafhygiene
    ➜ Förderung eines gesunden Schlaf-Wach-Rhythmus durch regelmäßige Schlafzeiten und eine beruhigende Schlafumgebung.
  • Hydratation und Ernährung
    ➜ Sicherstellen einer ausreichenden Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme, um Dehydratation und Unterernährung zu vermeiden.
  • Medikamentenmanagement
    ➜ Regelmäßige Überprüfung der Medikation auf potenziell delirante Wirkstoffe und Minimierung der Polypharmazie.
  • Behandlung von Infektionen und anderen medizinischen Problemen
    ➜ Schnelle Identifikation und Behandlung von zugrunde liegenden Erkrankungen.
  • Mobilisation
    ➜ Frühzeitige Mobilisation zur Vermeidung von Immobilitätskomplikationen.

Behandlung der Ursachen

  • Infektionen und metabolische Störungen
    ➜ Schnelle Identifikation und Behandlung von Infektionen und anderen zugrunde liegenden medizinischen Problemen.
  • Kontinuierliche Bewertung und Anpassung der Pflege
    ➜ Regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Pflegepläne basierend auf dem aktuellen Zustand des Patienten.

Medikation

In einigen Fällen kann medikamentöse Behandlung notwendig sein, um schwere Symptome zu kontrollieren:

  • Antipsychotika
    • Bei Bedarf können Antipsychotika wie Haloperidol eingesetzt werden, um schwere Symptome zu kontrollieren. Diese sollten jedoch sparsam und unter enger Überwachung verwendet werden.
  • Benzodiazepine
    • Benzodiazepine sollten vermieden werden, außer bei Delirien aufgrund von Alkohol- oder Benzodiazepinentzug.

Fallbeispiel: Pflege bei Delir

Hintergrund

Herr Schmidt, 78 Jahre alt, wird wegen einer Lungenentzündung in ein Krankenhaus eingeliefert. Er hat eine Vorgeschichte von Diabetes Typ 2 und Bluthochdruck. Nach zwei Tagen im Krankenhaus beginnt Herr Schmidt, sich verwirrt und desorientiert zu verhalten. Er erkennt seine Umgebung nicht mehr und spricht wirr. Die Pflegekräfte diagnostizieren ein akutes Delir.

Assessment

Klinische Zeichen und Symptome

  • Plötzlicher Beginn der Verwirrtheit
  • Desorientierung in Bezug auf Zeit und Ort
  • Unzusammenhängendes Sprechen
  • Visuelle Halluzinationen (sieht Dinge, die nicht da sind)
  • Schwankende Aufmerksamkeit und Konzentration

Ursachenanalyse

  • Infektion
    ➜ Lungenentzündung als auslösender Faktor
  • Metabolische Störungen
    ➜ Mögliche Hypoglykämien aufgrund von Diabetes
  • Medikamente
    ➜ Neue Medikation oder Wechselwirkungen bestehender Medikamente
  • Umgebungsfaktoren
    ➜ Veränderung der gewohnten Umgebung und Schlafmangel

Pflegeinterventionen

Umfassende Bewertung und Überwachung:

  • Regelmäßige Überprüfung des Bewusstseinszustands mittels standardisierter Instrumente wie dem Confusion Assessment Method (CAM).
  • Kontinuierliche Überwachung der Vitalzeichen und Blutzuckerwerte, um physiologische Auslöser zu identifizieren und zu kontrollieren.

Förderung einer beruhigenden Umgebung

  • Reorientierungstechniken
    ➜ Regelmäßige Ansprache mit Namen, Erklärung des Ortes und der Situation.
  • Reduzierung von Lärm und Störungen
    ➜ Minimierung von Umgebungsreizen, die zur Verwirrung beitragen könnten.
  • Einbeziehung von Angehörigen
    ➜ Bekannte Gesichter können beruhigend wirken und zur Reorientierung beitragen.

Medikamentenmanagement

  • Überprüfung der Medikation
    ➜ Identifikation und Anpassung von Medikamenten, die Delir auslösen oder verschlimmern könnten.
  • Bedarfsgerechte Medikation
    ➜ Einsatz von Antipsychotika oder Beruhigungsmitteln nur nach sorgfältiger Abwägung der Risiken und unter ärztlicher Anweisung.

Förderung von Schlaf und Ruhe

  • Schlafhygiene
    ➜ Maßnahmen zur Förderung eines geregelten Schlaf-Wach-Rhythmus, z.B. durch Schaffung einer ruhigen Nachtumgebung und Begrenzung von nächtlichen Störungen.
  • Tagesschlaf reduzieren
    ➜ Vermeidung langer Nickerchen am Tag, um den Nachtschlaf zu verbessern.

Ernährung und Flüssigkeitszufuhr

  • Sicherstellung einer adäquaten Ernährung und Hydratation
    ➜ Regelmäßige, ausgewogene Mahlzeiten und ausreichende Flüssigkeitszufuhr überwachen und unterstützen.
  • Behandlung von Elektrolytstörungen
    ➜ Regelmäßige Kontrollen und Ausgleich von Elektrolytimbalancen.

Evaluation und Anpassung der Pflege

Kontinuierliche Überwachung des Zustands:

  • Dokumentation der Symptome und Verhaltensänderungen
    ➜ Regelmäßige Berichte und Beobachtungen in der Patientenakte festhalten.
  • Anpassung der Pflegeinterventionen
    ➜ Je nach Verlauf und Reaktion auf die Maßnahmen.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

  • Koordination mit Ärzten und Therapeuten
    ➜ Regelmäßige Besprechungen im Pflegeteam zur Anpassung der Behandlungsstrategie.
  • Einbindung von Psychologen oder Psychiatern
    ➜ Bei Bedarf zur Unterstützung der psychischen Stabilisierung.

Einbeziehung und Schulung der Angehörigen

  • Aufklärung und Beratung
    ➜ Information der Familie über das Delir, seine Ursachen und den Umgang damit.
  • Unterstützung bei der häuslichen Pflege
    ➜ Schulung der Angehörigen zur Unterstützung nach der Entlassung aus dem Krankenhaus.

Fallverlauf

Herr Schmidt, 78 Jahre, wird wegen einer Lungenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert. Nach zwei Tagen zeigt er Symptome eines Delirs: Verwirrtheit, Desorientierung und Halluzinationen. Die Pflege umfasst kontinuierliche Überwachung, Schaffung einer beruhigenden Umgebung, Anpassung der Medikation, Förderung von Schlaf und Ruhe, sowie Ernährung und Flüssigkeitszufuhr. Durch interdisziplinäre Zusammenarbeit und Einbeziehung der Angehörigen stabilisiert sich Herr Schmidt nach einigen Tagen und wird schließlich nach Hause entlassen.

Zusammenfassung

Die Pflege von Patienten mit Delir erfordert eine umfassende, ganzheitliche Herangehensweise, die auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten abgestimmt ist. Prävention, frühzeitige Erkennung und angemessene Interventionen sind entscheidend, um die Prognose zu verbessern und die Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten. Ein interdisziplinäres Team und kontinuierliche Schulungen des Pflegepersonals spielen hierbei eine zentrale Rolle.

Quellen

  • Elsevier GmbH, & Menche, N. (Hrsg.). (2019). Pflege Heute (7. Aufl.). Urban & Fischer in Elsevier.
  • Haupt, W. F., & Gouzoulis-Mayfrank, E. (2016). Neurologie und Psychiatrie für Pflegeberufe (W. F. Haupt & E. Gouzoulis-Mayfrank, Hrsg.; 11. Aufl.). Thieme.
  • Müller, H., & Ebert, A. D. (2012). Delir im Krankenhaus: Prävention, Diagnostik und Therapie. Deutsches Ärzteblatt, 109(42), 698-703.
  • Siddiqi, N., House, A. O., & Holmes, J. D. (2006). Occurrence and outcome of delirium in medical in-patients: a systematic literature review. Cochrane Database of Systematic Reviews.
  • Inouye, S. K., van Dyck, C. H., Alessi, C. A., Balkin, S., Siegal, A. P., & Horwitz, R. I. (1990). Clarifying confusion: the confusion assessment method. A new method for detection of delirium. Journal of the American Geriatrics Society, 38(3), 388-394.
  • Ely, E. W., Shintani, A., Truman, B., Speroff, T., Gordon, S. M., Harrell, F. E., … & Dittus, R. (2004). Delirium as a predictor of mortality in mechanically ventilated patients in the intensive care unit. JAMA, 291(14), 1753-1762.