Schilddrüse: Anatomie, Funktion, Pathologie

Die Schilddrüse (Glandula thyreoidea) ist eine lebenswichtige endokrine Drüse, die zahlreiche physiologische Prozesse im menschlichen Körper reguliert. Für medizinisches Personal ist ein tiefgehendes Verständnis der Anatomie, Physiologie und Pathologie der Schilddrüse unerlässlich, um Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und effektiv zu behandeln.
Synonym:
Glandula thyroidea, Glandula thyreoidea, Thyroidea, Thyreoidea
Größe:
ca. 7 - 11 cm breit, ca. 4 - 5 cm hoch
Gewicht:
ca. 20 - 60 g
Form:
Schmetterlingsform
Lage:
Vorderseite des Halses, unterhalb des Schildknorpels des Kehlkopfes
Latein:
Glandula thyreoidea
Englisch:
thyroid gland, thyroid
Funktion:
Produktion von Schilddrüsenhormonen, Anregung Energiestoffwechsel
Aussprache (IPA):
ʃɪltˌdʁyːzə

Die Schilddrüse (Glandula thyreoidea) ist eine lebenswichtige endokrine Drüse, die zahlreiche physiologische Prozesse im menschlichen Körper reguliert. Für medizinisches Personal ist ein tiefgehendes Verständnis der Anatomie, Physiologie und Pathologie der Schilddrüse unerlässlich, um Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und effektiv zu behandeln.

Lage und Struktur

Die Schilddrüse befindet sich im vorderen Bereich des Halses, unterhalb des Kehlkopfes und vor der Trachea. Sie hat die Form eines Schmetterlings mit zwei seitlichen Lappen (Lobus dexter und Lobus sinister) und einem verbindenden Mittelteil, dem Isthmus. Bei manchen Menschen kann ein pyramidenförmiger Lappen, der Lobus pyramidalis, vorhanden sein, der sich nach oben zum Zungenbein erstreckt. Sie ist ca. 7 – 11 cm breit und 4 – 5 cm hoch und wiegt ca. 20 – 60 Gramm.

Makroskopische Anatomie

Die Schilddrüse ist eine schmetterlingsförmige Drüse, die aus zwei seitlichen Lappen besteht, die durch einen schmalen Mittelteil, den Isthmus, verbunden sind. Bei manchen Menschen kann ein zusätzlicher pyramidenförmiger Lappen, der Lobus pyramidalis, vorhanden sein.

Struktur

Lobus dexter (rechter Lappen) und Lobus sinister (linker Lappen)

  • Lage
    ➜ Diese beiden Lappen liegen seitlich der Trachea und erstrecken sich von etwa dem fünften Halswirbel (C5) bis zum ersten Brustwirbel (T1).
  • Form und Größe
    ➜ Sie sind konisch geformt, wobei der obere Pol schmaler ist als der untere. Die Größe der Lappen kann variieren, aber im Durchschnitt sind sie etwa 4 – 6 cm lang, 1,5 – 2 cm breit und 2 – 3 cm dick.

Isthmus

  • Lage
    ➜ Der Isthmus liegt vor den zweiten bis vierten Trachealknorpel und verbindet die beiden Lappen.
  • Form und Größe
    ➜ Er ist normalerweise etwa 1 – 2 cm breit und 0,5 – 1 cm dick. In manchen Fällen kann der Isthmus fehlen, was als „geteilte“ Schilddrüse bezeichnet wird.

Lobus pyramidalis

  • Lage
    ➜ Der Lobus pyramidalis kann vom Isthmus oder von einem der Lappen ausgehen und sich nach oben zum Zungenbein (Os hyoideum) erstrecken.
  • Vorkommen
    ➜ Dieser zusätzliche Lappen ist bei etwa 50% der Bevölkerung vorhanden und stellt einen Überrest des Thyreoglossusgangs dar.

Kapsel und Gewebeschichten

Die Schilddrüse ist von einer bindegewebigen Kapsel umgeben, die in zwei Schichten unterteilt ist:

  1. Capsula fibrosa (innere Kapsel)
    ➜ Diese Schicht umgibt direkt das Schilddrüsengewebe und schickt bindegewebige Septen in das Innere der Drüse, die das Parenchym in kleinere Läppchen (Lobuli) unterteilen.
  2. Capsula externa (äußere Kapsel)
    ➜ Diese Schicht ist eine Verdickung der tiefen Halsfaszie (Fascia cervicalis profunda) und ist mit der Trachea und den umgebenden Strukturen verwachsen. Zwischen der inneren und äußeren Kapsel befindet sich ein kapillarreiches lockeres Bindegewebe.
Anatomie der Schilddrüse
Abb 1.1: Anatomie der menschlichen Schilddrüse

Mikroskopische Anatomie

Die mikroskopische Anatomie der Schilddrüse ist entscheidend für das Verständnis ihrer Funktion und Pathologie. Hier wird die Struktur der Schilddrüse auf zellulärer Ebene beschrieben, wobei die Hauptbestandteile die Follikel, Follikelepithelzellen und parafollikulären Zellen sind.

Schilddrüsenfollikel

Die grundlegende funktionelle Einheit der Schilddrüse ist der Follikel. Ein Follikel ist eine kugelförmige Struktur, die von einer Schicht epithelialer Zellen, den Follikelepithelzellen (Thyreozyten), umgeben ist. Diese Zellen bilden die Wand des Follikels und umschließen eine zentrale Höhle, das sogenannte Kolloid.

  • Kolloid
    ➜ Das Kolloid ist eine zähflüssige Substanz, die hauptsächlich aus Thyreoglobulin besteht, einem Protein, das als Vorläufer für die Schilddrüsenhormone Thyroxin (T4) und Triiodthyronin (T3) dient. Im Kolloid werden diese Hormone gespeichert und bei Bedarf freigesetzt.

Follikelepithelzellen (Thyreozyten)

Die Follikelepithelzellen, auch Thyreozyten genannt, sind für die Synthese und Sekretion der Schilddrüsenhormone verantwortlich. Diese Zellen haben eine kubische bis säulenförmige Gestalt und ihre Höhe variiert je nach Aktivitätszustand der Schilddrüse.

  • Aktive Thyreozyten
    ➜ Diese Zellen haben eine höhere, säulenförmige Form und weisen eine ausgeprägte endoplasmatische Retikulumstruktur und zahlreiche Vesikel auf, die für die Hormonproduktion und -sekretion notwendig sind.
  • Inaktive Thyreozyten
    ➜ Diese Zellen sind flacher und haben weniger ausgeprägte Zellorganellen, was auf eine geringere hormonelle Aktivität hinweist.

Die Thyreozyten absorbieren Jodid aus dem Blut und oxidieren es zu Jod, das dann an Tyrosinreste im Thyreoglobulin bindet. Dies führt zur Bildung von Monoiodtyrosin (MIT) und Diiodtyrosin (DIT), die sich zu T3 und T4 zusammensetzen.

Parafollikuläre Zellen (C-Zellen)

Zwischen den Follikelepithelzellen und in der Nähe der Follikelwand befinden sich die parafollikulären Zellen, auch C-Zellen genannt. Diese Zellen sind für die Produktion des Hormons Calcitonin verantwortlich.

  • Calcitonin
    ➜ Dieses Hormon spielt eine Rolle im Kalziumstoffwechsel, indem es den Kalziumspiegel im Blut senkt. Es wirkt durch Hemmung der Kalziumfreisetzung aus den Knochen und Verringerung der Kalziumrückresorption in den Nieren.

Blutversorgung und Basalmembran

Die Follikel sind von einem dichten Netzwerk kapillärer Blutgefäße umgeben, die eine reichhaltige Blutversorgung sicherstellen. Diese Kapillaren sind wichtig für den Transport von Jodid zu den Thyreozyten und für die Abgabe der produzierten Schilddrüsenhormone ins Blut.

  • Basalmembran
    ➜ Die Follikelepithelzellen sind durch eine Basalmembran von den umliegenden Kapillaren getrennt. Diese Membran unterstützt die strukturelle Integrität und Funktion der Follikel.

Schilddrüseninterstitium

Das Interstitium der Schilddrüse besteht aus lockerem Bindegewebe, das die Follikel umgibt. Es enthält neben den Blutkapillaren auch Lymphgefäße und Nervenfasern, die für die Regulation und den Transport der Hormone wichtig sind.

Funktion

Die Hauptfunktion der Schilddrüse besteht in der Produktion der Schilddrüsenhormone Thyroxin (T4) und Triiodthyronin (T3), die den Stoffwechsel des Körpers regulieren. Diese Hormone beeinflussen zahlreiche Körperfunktionen, darunter Herzfrequenz, Körpertemperatur, Energieproduktion und Wachstum. Zudem produziert die Schilddrüse das Hormon Calcitonin, das den Kalziumspiegel im Blut reguliert.

Hormonproduktion und -freisetzung

Die Produktion und Freisetzung von T3 und T4 werden durch das Thyreoidea-stimulierende Hormon (TSH) aus der Hypophyse reguliert. TSH stimuliert die Aufnahme von Jodid aus dem Blut, die Synthese und Sekretion der Schilddrüsenhormone.

  • Jodidaufnahme
    ➜ Die Schilddrüse nimmt Jodid aktiv aus dem Blut auf.
  • Synthese
    ➜ In den Thyreozyten wird Jodid zu Jod oxidiert und bindet an Tyrosinreste im Thyreoglobulin, was zur Bildung von Monoiodtyrosin (MIT) und Diiodtyrosin (DIT) führt. Die Kombination von MIT und DIT ergibt T3, und die Kombination von zwei DIT-Molekülen ergibt T4.
  • Speicherung
    ➜ Die gebildeten Hormone werden im Kolloid der Follikel gespeichert.
  • Freisetzung
    ➜ Bei Bedarf werden T3 und T4 in die Blutbahn freigesetzt.

Blutversorgung

Die Schilddrüse ist reichlich durchblutet, was für ihre hormonproduzierende Funktion notwendig ist. Die Hauptarterien, die die Schilddrüse versorgen, sind die obere und untere Schilddrüsenarterie.

Arterielle Versorgung

  • Arteria thyroidea superior
    ➜ Diese Arterie entspringt aus der äußeren Halsschlagader und versorgt den oberen Teil der Schilddrüse.
  • Arteria thyroidea inferior
    ➜ Diese Arterie stammt aus dem Schilddrüsenstamm der Subclavia-Arterie und versorgt den unteren Teil der Schilddrüse.

Venöser Abfluss

  • Vena thyroidea superior
    ➜ Fließt in die Vena jugularis interna.
  • Vena thyroidea media
    ➜ Ebenfalls in die Vena jugularis interna.
  • Vena thyroidea inferior
    ➜ Fließt in die Vena brachiocephalica.

Innervation

Die Schilddrüse wird sowohl von sympathischen als auch von parasympathischen Nervenfasern innerviert. Die sympathische Innervation stammt aus den zervikalen Ganglien des sympathischen Nervensystems, während die parasympathische Innervation durch den Nervus vagus erfolgt.

Lymphabfluss

Der lymphatische Abfluss der Schilddrüse erfolgt in die tiefen zervikalen Lymphknoten sowie in die prä- und paratrachealen Lymphknoten. Dieser Lymphabflussweg ist besonders wichtig bei der Ausbreitung von Schilddrüsenkarzinomen.

Erkrankungen der Schilddrüse

Hypothyreose (Unterfunktion)

Bei einer Schilddrüsenunterfunktion produziert die Schilddrüse nicht genügend Hormone.

  • Symptome
    ➜ Müdigkeit und Schwäche, Gewichtszunahme, Kälteempfindlichkeit, Depression, Verstopfung, Trockene Haut und Haare
  • Ursachen
    ➜ Autoimmunerkrankungen (z.B. Hashimoto-Thyreoiditis), Schilddrüsenoperationen, Bestrahlung, Jodmangel.

Hyperthyreose (Überfunktion)

Bei einer Schilddrüsenüberfunktion produziert die Schilddrüse zu viele Hormone.

  • Symptome
    ➜ Gewichtsverlust, Herzrasen, Zittern, Nervosität und Reizbarkeit, Schwitzen, Schlaflosigkeit
  • Ursachen
    ➜ Autoimmunerkrankungen (z.B. Morbus Basedow), Schilddrüsenadenome, entzündliche Prozesse.

Knoten und Krebs

  • Schilddrüsenknoten
    ➜ Können gutartig oder bösartig sein. Meistens sind sie asymptomatisch, können aber in einigen Fällen zu Druckgefühl im Hals oder Heiserkeit führen.
  • Schilddrüsenkrebs
    ➜ Seltene, aber ernste Erkrankung, die durch eine Gewebeentnahme (Biopsie) diagnostiziert wird. Behandlungsmöglichkeiten umfassen Operation, Radiojodtherapie und in einigen Fällen Chemotherapie.

Diagnostik

Zur Diagnose von Schilddrüsenerkrankungen stehen verschiedene Methoden zur Verfügung:

  • Bluttests
    • Messung der Schilddrüsenhormone (T3, T4) und des Schilddrüsen-stimulierenden Hormons (TSH).
  • Ultraschall
    • Sonografie der Schilddrüse und Erkennung von Knoten oder Anomalien.
  • Szintigraphie
    • Beurteilung der Schilddrüsenfunktion und Identifizierung von autonomen Adenomen.
  • Feinnadelbiopsie
    • Gewinnung von Gewebeproben zur histologischen Untersuchung bei Verdacht auf Schilddrüsenkrebs.

Therapie und Prävention

Therapie bei Schilddrüsenerkrankungen

  • Hypothyreose
    ➜ Lebenslange Hormonersatztherapie mit L-Thyroxin.
  • Hyperthyreose
    ➜ Antithyroidale Medikamente, Radiojodtherapie oder chirurgische Entfernung der Schilddrüse.
  • Schilddrüsenknoten und Krebs
    ➜ Chirurgische Eingriffe, oft kombiniert mit Radiojodtherapie.

Präventive Maßnahmen und Lebensstil

  • Jodaufnahme
    ➜ Ausreichende Jodzufuhr über die Ernährung, da Jod ein essentieller Bestandteil der Schilddrüsenhormone ist.
  • Regelmäßige Kontrolluntersuchungen
    ➜ Besonders wichtig für Menschen mit familiärer Vorbelastung oder bestehenden Schilddrüsenerkrankungen.
  • Gesunde Lebensweise
    ➜ Eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige körperliche Aktivität unterstützen die allgemeine Gesundheit der Schilddrüse.

Zusammenfassung

Die Schilddrüse ist eine schmetterlingsförmige, hormonproduzierende Drüse, die sich an der Vorderseite des Halses unterhalb des Kehlkopfes befindet. Sie besteht aus zwei Lappen, die durch den Isthmus verbunden sind. Die Schilddrüse produziert die Hormone Thyroxin (T4) und Triiodthyronin (T3), welche den Stoffwechsel, das Wachstum und die Entwicklung des Körpers regulieren. Ihre Funktion wird durch das Thyreoidea-stimulierende Hormon (TSH) der Hypophyse gesteuert. Schilddrüsenerkrankungen wie Hypothyreose, Hyperthyreose und Knotenbildung können den Hormonhaushalt und somit zahlreiche Körperfunktionen beeinflussen.

Quellen

  • Faller, A., & Schünke, M. (2016). Der Körper des Menschen: Einführung in Bau und Funktion (A. Faller & M. Schünke, Hrsg.; 17. Aufl.). Thieme.
  • Menche, N. (Hrsg.). (2016). Biologie Anatomie Physiologie: Mit Zugang zu pflegeheute.de (8. Aufl.). Urban & Fischer in Elsevier.
  • Andreae, S. (Hrsg.). (2008). Lexikon der Krankheiten und Untersuchungen (2. Aufl.). Thieme.
  • Endokrinologie und Stoffwechsel: Gärtner, R., & Führer, D. (2020). Endokrinologie und Stoffwechsel: Für Klinik und Praxis. Springer-Verlag.
  • Schilddrüsenchirurgie: Dralle, H., & Musholt, T. J. (2014). Schilddrüsenchirurgie: Praxis und Standards. Springer-Verlag.
  • Clinical Anatomy: Moore, K. L., Dalley, A. F., & Agur, A. M. R. (2018). Clinically Oriented Anatomy. Wolters Kluwer.