Patientencheck auf der Intensivstation

Ein umfassender Patientencheck auf der Intensivstation (ICU), gerade zu Dienstbeginn, erfordert eine systematische und detaillierte Herangehensweise, um sicherzustellen, dass alle wichtigen Aspekte der Patientenversorgung abgedeckt werden. Feste Ablaufpläne zur Patientenübernahme auf einer Intensivstation stellen eine einheitliche Versorgung und strukturierte Handlungsabläufe sicher. Der folgende Leitfaden dient der allgemeinen Orientierung für medizinisches Personal:

Erster Eindruck und allgemeiner Zustand

  • Bewusstsein
    • Das Bewusstsein des Patienten sollte überprüft werden, dabei ist die Glasgow Coma Scale (GCS) oder eine andere geeignete Skala zu verwenden.
  • Körperhaltung und Hautfarbe
    • Es ist auf Anzeichen von Unwohlsein, Schmerzen oder Veränderungen der Hautfarbe (Blässe, Zyanose) zu achten.

Monitoring und Einstellen der Alarmgrenzen

Das Monitoring auf der Intensivstation dient der kontinuierlichen Überwachung der vitalen Funktionen der Patienten. Dies ermöglicht eine schnelle Reaktion auf Veränderungen im Zustand des Patienten und trägt zur frühzeitigen Erkennung von Komplikationen bei.

  • Zu überwachende Parameter
    • Herzfrequenz und Rhythmus
    • Blutdruck
    • Atemfrequenz
    • Sauerstoffsättigung (SpO2)
    • Körpertemperatur
    • Zentralvenöser Druck (ZVD)
    • End-tidal CO2 (etCO2)
    • Intrakranieller Druck (ICP), wenn indiziert

Einstellungen der Alarme

Das korrekte Einstellen der Alarmgrenzen ist entscheidend, um sowohl falsche Alarme zu minimieren als auch rechtzeitig auf echte Notfälle reagieren zu können. Die Alarmgrenzen sollten individuell an den Zustand des Patienten und die spezifischen klinischen Gegebenheiten angepasst werden.

  • Herzfrequenz
    • Normale Alarmgrenzen:
      • Untergrenze: 50-60 Schläge pro Minute (BPM)
      • Obergrenze: 100-120 BPM
    • Anpassung: Bei Patienten mit bekannten Arrhythmien oder speziellen kardiologischen Zuständen können die Grenzen angepasst werden.
  • Blutdruck
    • Normale Alarmgrenzen:
      • Systolisch: 90-140 mmHg
      • Diastolisch: 60-90 mmHg
    • Anpassung: Bei Patienten mit hypertensiver Krise oder Schock kann eine engere oder breitere Grenze notwendig sein.
  • Atemfrequenz
    • Normale Alarmgrenzen:
      • Untergrenze: 8 – 10 Atemzüge pro Minute
      • Obergrenze: 20 – 30 Atemzüge pro Minute
    • Anpassung: Patienten mit respiratorischen Problemen oder unter mechanischer Beatmung erfordern spezifische Einstellungen.
  • Sauerstoffsättigung (SpO2)
    • Normale Alarmgrenzen:
      • Untergrenze: 88 – 92%
    • Anpassung: Bei Patienten mit chronischer Lungenerkrankung oder speziellen Beatmungsstrategien können andere Grenzen erforderlich sein.
  • Temperatur
    • Normale Alarmgrenzen:
      • Untergrenze: 36.0°C
      • Obergrenze: 38.5°C
    • Anpassung: Bei Fiebermanagement oder Hypothermieprotokollen müssen die Grenzen individuell angepasst werden.
  • Zentralvenöser Druck (ZVD)
    • Normale Alarmgrenzen:
      • Untergrenze: 5 mmHg
      • Obergrenze: 12 mmHg
    • Anpassung: Abhängig von der Volumenstatus- und Herzfunktion des Patienten.
  • End-tidal CO2 (etCO2)
    • Normale Alarmgrenzen:
      • Untergrenze: 30 mmHg
      • Obergrenze: 45 mmHg
    • Anpassung: Bei Patienten unter Anästhesie oder mit spezifischen respiratorischen Erkrankungen sind Anpassungen notwendig.

Vitalzeichen

  • Blutdruck
    • Regelmäßige Blutdruck-Messungen und Beobachtungen auf Abweichungen vom Normalwert sind erforderlich.
  • Herzfrequenz und Rhythmus
    • Die Überwachung erfolgt über EKG; auf Arrhythmien oder andere Abnormalitäten ist zu achten.
  • Atemfrequenz und -muster
    • Die Atemfrequenz und etwaige Atemnot oder unregelmäßige Atemmuster sind zu notieren.
  • Temperatur
    • Die regelmäßige Überprüfung der Körpertemperatur auf Fieber oder Hypothermie ist unerlässlich.

Atemwege und Atmung

  • Lungenauskultation
    • Die Lungen sollten auf Geräusche wie Rasseln, Pfeifen oder vermindertes Atemgeräusch abgehört werden.
  • Sauerstoffsättigung
    • Die Überwachung der O2-Sättigung erfolgt mittels Pulsoximetrie.
  • Sauerstofftherapie
    • Es ist zu überprüfen, welche Art der Sauerstoffgabe (Nasenbrille, Maske, High-Flow oder mechanische Beatmung) verwendet wird und die eingestellten Parameter zu beachten.
  • Cuffdruck
    • Überwachung und Anpassung des Cuffdrucks bei intubierten oder tracheotomierten Patienten. Der Cuffdruck sollte regelmäßig mit einem Cuffdruckmesser gemessen werden, um sicherzustellen, dass er im optimalen Bereich (20 – 30 cm/H20) liegt. Ein zu niedriger Druck kann zu Aspiration führen, während ein zu hoher Druck zu Trachealschäden führen kann.
  • Beatmungsmaschine:
    • Einstellungen: Überprüfung und Anpassung der Beatmungseinstellungen (z.B. Atemfrequenz, Tidalvolumen, PEEP, FiO2) gemäß den aktuellen klinischen Erfordernissen.
    • Überwachung: Kontinuierliche Überwachung der Beatmungsparameter und der Patientenantwort, einschließlich Atemwegsdrücke und Atemmechanik.
    • Verbindungsüberprüfung: Sicherstellen, dass alle Verbindungen sicher und korrekt sind, um Luftlecks oder Fehlfunktionen zu vermeiden.

Kreislaufsystem

  • Herzfunktion
    • Die Herzzeitvolumen und Herzfunktion sollten beurteilt werden, beispielsweise durch Echokardiographie.
  • Gefäßstatus
    • Anzeichen von Thrombosen oder Schwellungen sind zu überprüfen.

Katheter und Zugänge

  • Zentralvenöser Katheter (ZVK)
    • Lage und Fixierung: Sicherstellen, dass der ZVK korrekt platziert und sicher fixiert ist.
    • Durchgängigkeit: Überprüfung der Durchgängigkeit und Funktionalität des ZVK.
    • Infektionszeichen: Kontrolle der Einstichstelle auf Rötung, Schwellung oder Eiter.
    • Verbandwechsel: Regelmäßiger Wechsel des Verbandes nach Protokoll und aseptischer Technik.
  • Arterieller Zugang
    • Lage und Fixierung: Überprüfen, ob der arterielle Zugang korrekt platziert und sicher fixiert ist.
    • Durchgängigkeit: Sicherstellen, dass der arterielle Zugang durchgängig ist und korrekt funktioniert.
    • Infektionszeichen: Beobachten der Einstichstelle auf Anzeichen von Infektionen.
    • Verbandwechsel: Regelmäßiger Verbandwechsel unter sterilen Bedingungen.
  • Periphere Venenkatheter
    • Lage und Fixierung: Kontrolle der korrekten Platzierung und sicheren Fixierung.
    • Durchgängigkeit: Sicherstellen, dass der Katheter durchgängig ist und keine Blockaden aufweist.
    • Infektionszeichen: Überwachung der Einstichstelle auf Entzündungszeichen.
    • Verbandwechsel: Regelmäßiger Wechsel des Verbandes und Beachtung aseptischer Techniken.

Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt

  • Flüssigkeitsbilanz
    • Die Überwachung der Ein- und Ausfuhr (Urin, Drainagen, Infusionen) ist essenziell.
  • Blutuntersuchungen
    • Regelmäßige Kontrollen der Elektrolyte, Nierenwerte, Blutgase und Blutzucker sind durchzuführen.

Nieren- und Harnwegssystem

  • Urinproduktion
    • Die Urinausscheidung (Menge, Farbe, Klarheit, Geruch) ist zu beurteilen.
  • Nierenfunktion
    • Regelmäßige Überprüfungen der Kreatinin- und Harnstoffwerte sind notwendig.
  • Dauerkatheter
    • Kontrolle des Dauerkatheters auf Durchgängigkeit und Infektionszeichen sowie die Notwendigkeit einer eventuellen Neuanlage sollten überprüft werden.

Gastrointestinaltrakt

  • Ernährung
    • Die Art und Menge der Ernährung (parenteral, enteral) sind zu überprüfen.
  • Bauchuntersuchung
    • Das Abdomen sollte auf Schmerzen, Abwehrspannung oder Distension palpiert werden.
  • Stuhlgang
    • Die Kontrolle auf regelmäßigen Stuhlgang und etwaige Veränderungen (Teerstuhl, Konsistenz etc) ist durchzuführen.
  • Magensonde
    • Lage und Fixierung: Sicherstellen, dass die Magensonde korrekt platziert und sicher fixiert ist.
    • Durchgängigkeit und Funktion: Überprüfung der Durchgängigkeit und korrekten Funktion der Sonde.
    • Infektionszeichen: Kontrolle der Einstichstelle und des Bereichs um die Sonde auf Rötung, Schwellung oder andere Infektionszeichen.
    • Verbandwechsel: Regelmäßiger Wechsel des Verbandes und Beachtung aseptischer Techniken.

Neurologischer Status

  • Bewusstseinslage und Orientierung
    • Die kognitiven Funktionen sollten regelmäßig überprüft werden.
  • Pupillenreaktion
    • Die Pupillen sind auf Lichtreaktion und Gleichmäßigkeit zu überprüfen.
  • Motorik und Sensorik
    • Die Bewegungsfähigkeit und Sensibilität sind zu beurteilen.

Infektionsprophylaxe

  • Wundstatus
    • Operationswunden, Kathetereinstichstellen und Drainagen sollten auf Infektionszeichen kontrolliert werden.
  • Antibiotikatherapie
    • Die aktuelle Medikation ist zu überprüfen und nach Kulturergebnissen anzupassen.

Schmerzmanagement und Sedierung

  • Schmerzerfassung
    • Eine regelmäßige Schmerzerfassung und Anpassung der Schmerztherapie ist erforderlich.
  • Sedierung
    • Die Sedierungstiefe sollte überwacht und die Medikamente nach Bedarf angepasst werden.

Medikamentenmanagement

  • Medikationsplan
    • Die verabreichten Medikamente sind zu überprüfen (Dosierung, Anderungen, Verfalldatum etc.) und zu dokumentieren.
  • Nebenwirkungen
    • Es ist auf mögliche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen zu achten.

Dokumentation und Kommunikation

  • Patientendokumentation
    • Eine sorgfältige und aktuelle Dokumentation aller Befunde und Maßnahmen ist unerlässlich.
  • Teamkommunikation
    • Regelmäßige Übergaben und Besprechungen im Team zur Abstimmung der weiteren Versorgung sind erforderlich.

Familien- und Patientenbetreuung

  • Angehörigenkontakt
    • Die regelmäßige Information und Betreuung der Angehörigen ist sicherzustellen.
  • Patientenwünsche
    • Patientenwünsche und -bedenken sollten in die Pflegeplanung einbezogen werden. Ist der Patient nicht ansprechbar, können Angehörige hilfreiche Tipps geben.

Zusammenfassung

Ein systematischer Ansatz für den Patientencheck auf der Intensivstation ist entscheidend, um eine umfassende und kontinuierliche Überwachung und Versorgung sicherzustellen. Dies erfordert Teamarbeit, sorgfältige Dokumentation und eine gute Kommunikation innerhalb des Teams und mit den Angehörigen des Patienten. Durch regelmäßige Überprüfungen und Anpassungen der Behandlung kann das medizinische Personal dazu beitragen, die bestmöglichen Ergebnisse für die Patienten zu erzielen.

Quellen

  • Herr, K., Coyne, P.J., McCaffery, M., Manworren, R. und Merkel, S., 2011. Pain assessment in the patient unable to self-report: position statement with clinical practice recommendations. Pain Management Nursing, 12(4), pp.230-250.
  • Hinkle, J.L. und Cheever, K.H., 2013. Brunner & Suddarth’s textbook of medical-surgical nursing. Lippincott Williams & Wilkins.
  • Jaul, E., 2010. Assessment and management of pressure ulcers in the elderly: current strategies. Drugs & aging, 27, pp.311-325.
  • Jones, D., 2010. Monitoring and managing deteriorating patients in the hospital. The Medical Journal of Australia, 192(11), pp.629-630.
  • Mancia, G., Fagard, R., Narkiewicz, K., Redon, J., Zanchetti, A., Böhm, M., Christiaens, T., Cifkova, R., De Backer, G., Dominiczak, A. und Galderisi, M., 2013. 2013 ESH/ESC guidelines for the management of arterial hypertension. Blood pressure, 22(4), pp.193-278.
  • Manthous, C.A. und Schmidt, G.A., 2013. Hallmarks of critical care medicine. Journal of intensive care medicine, 28(4), pp.215-217.
  • Rodriguez, P., Varon, J. und Varon, A.J., 2013. Cardiopulmonary monitoring in the intensive care unit. Journal of Cardiothoracic and Vascular Anesthesia, 27(4), pp.853-865.
  • Teasdale, G. und Jennett, B., 1974. Assessment of coma and impaired consciousness. The Lancet, 304(7872), pp.81-84.
  • Vincent, J.L. und Moreno, R., 2010. Clinical review: scoring systems in the critically ill. Critical Care, 14(2), pp.1-8.
  • Vincent, J.L., Akça, S., De Mendonça, A., Haji-Michael, P., Sprung, C., Moreno, R., Suter, P. und Takala, J., 2011. The SOAP study: Sepsis Occurrence in Acutely Ill Patients: a European multicenter study. Intensive care medicine, 27(2), pp.241-253.