Würzburger Schmerztropf

Wortart:
Substantiv, maskulin
Aussprache (IPA):
[vʏʁtsˌbʊʁɡɐ ˈʃmɛʁtstʁɔpf]
Plural:
Würzburger Schmerztropfe
Trennung:
Würz|bur|ger Schmerz|tropf
Englisch:
wuerzburg pain drip
Begründung:
Universität Würzburg
Indikation:
(postoperative) Schmerzen

Der Würzburger Schmerztropf ist ein innovatives und standardisiertes Verfahren zur postoperativen Schmerztherapie, das an der Universitätsklinik Würzburg entwickelt wurde. Er bietet eine effektive Möglichkeit zur Schmerzreduktion nach operativen Eingriffen und stellt eine wichtige Ergänzung in der modernen Schmerztherapie dar.

Geschichte

Die kombinierte postoperative Schmerzbehandlung (Analgesie) durch Infusion des schwach wirksamen Opioids Tramadol und Metamizol wurde 1986 an der Universität Würzburg eingeführt. Ursprünglich enthielt die Infusionslösung auch Haloperidol und Clomipramin, um eine psychoaktive Dämpfung zu erzielen. Später wurden diese beiden Komponenten durch Dehydrobenzperidol (Droperidol) ersetzt, das antipsychotische und antiemetische Eigenschaften besitzt.

Aufbau und Wirkungsweise

Der Würzburger Schmerztropf besteht aus einer Kombination verschiedener Medikamente, die über eine intravenöse Infusion verabreicht werden. Typischerweise beinhaltet diese Mischung:

Häufiger Aufbau

  1. Als schwach wirksames Opioid wird standardmäßig Tramadol verwendet, das nur eine geringe atemdepressive Wirkung hat. Es wirkt als schwacher Agonist an Opioidrezeptoren im Nervengewebe und hemmt die Wiederaufnahme von Noradrenalin in die Nervenzellen, während es gleichzeitig die Freisetzung von Serotonin verstärkt.
  2. Zur Verstärkung der Schmerzlinderung wird zusätzlich ein peripher wirksames Analgetikum eingesetzt, wobei standardmäßig Metamizol verwendet wird. Im Gegensatz zu anderen Nicht-Opioid-Analgetika hat Metamizol auch eine krampflösende Wirkung.
  3. Ein neuroleptischer und antiemetischer Wirkstoff, wie beispielsweise Dehydrobenzperidol, soll dazu beitragen, Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen zu verhindern, die durch eine hohe Dosierung von Tramadol verursacht werden.

Als Trägerlösung wird eine Vollelektrolytlösung verwendet. Im Gegensatz zur isotonen Kochsalzlösung enthält diese zusätzliche Elektrolyte wie Kalium, Calcium und Magnesium, die in Konzentrationen vorliegen, die der Zusammensetzung des Blutserums ähneln.

Die genaue Zusammensetzung kann je nach Patientenprofil und Art des operativen Eingriffs variieren. Das Ziel ist es, eine optimale Schmerzreduktion mit minimalen Nebenwirkungen zu erreichen.

Indikationen und Kontraindikationen

Indikationen

  • Postoperative Schmerztherapie nach größeren operativen Eingriffen
  • Akute Schmerztherapie bei schweren Verletzungen oder Trauma
  • Schmerztherapie bei chronischen Schmerzpatienten, die einer intensiven Schmerzbehandlung bedürfen

Kontraindikationen

  • Allergien gegen Bestandteile der Infusionslösung
  • Schwere Leber- oder Nierenfunktionsstörungen
  • Patienten mit bestimmten Herzrhythmusstörungen
  • Vorsicht bei älteren Patienten oder solchen mit erheblichen Begleiterkrankungen

Anwendung und Dosierung

Die Infusion erfolgt in der Regel über eine periphere oder zentrale Venenverweilkanüle. Die Dosierung wird individuell angepasst, basierend auf dem Schmerzlevel des Patienten und seiner physiologischen Parameter. Wichtig ist eine kontinuierliche Überwachung der Vitalfunktionen während der Infusionstherapie, um Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Schritt-für-Schritt-Anleitung:

  1. Vorbereitung
    ➜ Sicherstellung der richtigen Medikamentenmischung, der richtigen Trägerlösung und Bereitstellung aller notwendigen Materialien.
  2. Patientenaufklärung
    ➜ Informieren des Patienten über den Ablauf, die Ziele und mögliche Nebenwirkungen der Infusion.
  3. Infusionsbeginn
    ➜ Langsames Starten der Infusion und Beobachtung der ersten Reaktionen des Patienten.
  4. Überwachung
    ➜ Regelmäßige Kontrolle der Vitalzeichen und des Schmerzlevels des Patienten. Anpassung der Infusionsgeschwindigkeit bei Bedarf.
  5. Beendigung
    ➜ Langsames Reduzieren der Infusionsgeschwindigkeit und schrittweises Absetzen der Medikamente.

Vorteile des Würzburger Schmerztropfs

  • Effektive Schmerzreduktion
    ➜ Kombination verschiedener Wirkstoffklassen für eine umfassende Schmerztherapie.
  • Individualisierte Therapie
    ➜ Anpassung der Dosierung und Medikamentenauswahl an die Bedürfnisse des einzelnen Patienten.
  • Verbesserte Patientenzufriedenheit
    ➜ Schnelle Linderung postoperativer Schmerzen führt zu einer höheren Zufriedenheit und einem besseren Heilungsverlauf.
  • Reduzierte Nebenwirkungen
    ➜ Durch die Möglichkeit, die Dosierung exakt anzupassen, können Nebenwirkungen minimiert werden.

Risiken und Nebenwirkungen

Wie bei jeder medikamentösen Therapie gibt es auch beim Würzburger Schmerztropf potenzielle Risiken und Nebenwirkungen:

  • Übelkeit und Erbrechen
    • Häufige Nebenwirkungen von Opioiden, die jedoch durch zusätzliche Medikamente gemindert werden können.
  • Sedierung
    • Übermäßige Schläfrigkeit oder Benommenheit, insbesondere bei höheren Opioiddosen.
  • Atemdepression
    • Eine ernsthafte Nebenwirkung von Opioiden, die eine sorgfältige Überwachung erforderlich macht.
  • Allergische Reaktionen
    • Selten, aber potenziell lebensbedrohlich.

Zusammenfassung

Der Würzburger Schmerztropf ist eine wirksame Methode zur Schmerztherapie nach operativen Eingriffen. Durch die Kombination verschiedener Wirkstoffe kann eine optimale Schmerzreduktion mit minimalen Nebenwirkungen erreicht werden. Eine sorgfältige Überwachung und individuelle Anpassung sind entscheidend für den Erfolg dieser Therapie. Das medizinische Personal sollte umfassend geschult sein, um die Infusion korrekt anzuwenden und mögliche Komplikationen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Quellen

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