Mumifizierung im antiken Ägypten

Der Vorgang der Mumifizierung: Eine umfassende Analyse

Die Mumifizierung im alten Ägypten war ein komplexer Prozess zur Erhaltung des Körpers für das Jenseits. Sie umfasste die Entfernung innerer Organe, Trocknung, Einbalsamierung und rituelle Zeremonien, um das ewige Leben zu sichern.
Geschichte 7 Minuten

Die Mumifizierung ist ein komplexer und faszinierender Prozess, der seit Tausenden von Jahren praktiziert wird, insbesondere im alten Ägypten. Diese Praxis war nicht nur ein Mittel zur Konservierung des Körpers, sondern auch ein tief verwurzelter religiöser Ritus, der das Leben nach dem Tod und die Unsterblichkeit des Geistes gewährleisten sollte.

Historischer Hintergrund

Die Mumifizierung im alten Ägypten entwickelte sich über mehrere Jahrhunderte hinweg. Die frühesten bekannten Mumien stammen aus der Zeit um 3500 v. Chr. Während der Pharaonenzeit wurde die Technik der Mumifizierung zunehmend perfektioniert, um den Körper vor dem Zerfall zu bewahren und die Seele auf das Jenseits vorzubereiten.

Der Prozess der Mumifizierung

Der Mumifizierungsprozess konnte bis zu 70 Tage dauern und bestand aus mehreren sorgfältig abgestimmten Schritten:

  1. Reinigung des Körpers
    • Der Körper des Verstorbenen wurde zunächst mit Wasser und Palmwein gereinigt, um Verunreinigungen zu entfernen.
  2. Entfernung der inneren Organe
    • Die inneren Organe, mit Ausnahme des Herzens, wurden durch einen Schnitt in der linken Bauchseite entfernt. Das Herz wurde als Sitz der Seele betrachtet und im Körper belassen. Die Organe wurden in Kanopengefäßen aufbewahrt, die die vier Söhne des Horus repräsentierten.
  3. Entfernung des Gehirns
    • Das Gehirn wurde durch die Nase entfernt, indem ein Hakeninstrument eingeführt wurde, um das Gehirngewebe zu verflüssigen und herauszuziehen. Dieser Schritt war notwendig, da das Gehirn in der ägyptischen Vorstellung keine bedeutende Rolle spielte.
  4. Trocknung des Körpers
    • Der Körper wurde dann in Natron, einem natürlichen Salzgemisch, eingelegt, um die Feuchtigkeit zu entziehen. Dieser Prozess dauerte etwa 40 Tage und war entscheidend für die Konservierung des Körpers.
  5. Einbalsamierung und Wickelung
    • Nach der Trocknung wurde der Körper mit duftenden Harzen und Ölen eingerieben, um ihn zu reinigen und zu konservieren. Der Körper wurde dann in Leinentücher gewickelt, oft mit Amuletten und anderen Schutzsymbolen zwischen den Schichten, um den Verstorbenen vor bösen Geistern zu schützen.
  6. Das Gesicht und die Masken
    • Oft wurde das Gesicht der Mumie mit einer bemalten Maske bedeckt, die dem Verstorbenen im Jenseits ein erkennbares Gesicht verleihen sollte. Die bekannteste dieser Masken ist die goldene Totenmaske des Tutanchamun.
  7. Beisetzung (abschließende Zeremonie)
    • Die Mumie wurde schließlich in einem aufwendig dekorierten Sarkophag beigesetzt, zusammen mit Grabbeigaben wie Schmuck, Lebensmittel und Schriftrollen, die dem Verstorbenen im Jenseits nützlich sein sollten. Die letzte Phase beinhaltete das „Öffnen des Mundes“-Ritual, bei dem der Priester bestimmte Rituale durchführte, um den Toten im Jenseits die Fähigkeit zu geben, zu atmen, zu sprechen und Nahrung zu sich zu nehmen

Symbolische Bedeutung

Die Mumifizierung war eng mit den religiösen Vorstellungen der alten Ägypter verbunden. Sie glaubten, dass der konservierte Körper als Anker für den Ka (die Lebenskraft) und den Ba (die individuelle Persönlichkeit) dienen würde, um im Jenseits weiterzuleben. Durch die Mumifizierung sollte die Wiedervereinigung von Körper und Seele im Jenseits ermöglicht werden, wodurch der Verstorbene ewiges Leben erlangen konnte.

Berühmte ägyptische Mumien

Tutanchamun

Entdeckung und Bedeutung

Die Mumie von Tutanchamun, dem jungen Pharao der 18. Dynastie, wurde 1922 von Howard Carter im Tal der Könige entdeckt. Diese Entdeckung gilt als eine der bedeutendsten archäologischen Funde des 20. Jahrhunderts. Der nahezu unberührte Zustand des Grabes und die beeindruckende Sammlung von Grabbeigaben, darunter die berühmte goldene Totenmaske, haben das Interesse an der ägyptischen Geschichte weltweit neu entfacht.

Historische Einordnung

Tutanchamun regierte von ca. 1332 bis 1323 v. Chr. Obwohl seine Regierungszeit relativ kurz und wenig dokumentiert war, bietet seine Mumie wertvolle Einblicke in die Praktiken der Mumifizierung und die Bestattungskultur im alten Ägypten.

Ramses II.

Entdeckung und Bedeutung

Ramses II., einer der mächtigsten und am längsten regierenden Pharaonen Ägyptens, wurde 1881 in der Cachette von Deir el-Bahari entdeckt. Die Mumie von Ramses II. ist bemerkenswert gut erhalten und offenbart viel über die Mumifizierungstechniken der 19. Dynastie.

Historische Einordnung

Ramses II., auch bekannt als Ramses der Große, regierte von 1279 bis 1213 v. Chr. Er führte zahlreiche militärische Kampagnen, baute monumentale Strukturen wie den Tempel von Abu Simbel und gilt als einer der bedeutendsten Herrscher des alten Ägypten.

Hatschepsut

Entdeckung und Bedeutung

Die Mumie der weiblichen Pharaonin Hatschepsut wurde 1903 von Howard Carter im Tal der Könige entdeckt, jedoch erst 2007 vom ägyptischen Ägyptologen Zahi Hawass und seinem Team eindeutig identifiziert. Die Identifizierung wurde durch die Analyse eines Zahns aus einer Kanopenkiste ermöglicht, der perfekt in eine Lücke im Kiefer der Mumie passte.

Historische Einordnung

Hatschepsut regierte als eine der wenigen weiblichen Pharaonen Ägyptens von ca. 1479 bis 1458 v. Chr. während der 18. Dynastie. Sie ist bekannt für ihre erfolgreiche Regierungszeit und die Errichtung des beeindruckenden Totentempels in Deir el-Bahari.

Seti I.

Entdeckung und Bedeutung

Die Mumie von Seti I., dem Vater von Ramses II., wurde ebenfalls in der Cachette von Deir el-Bahari entdeckt. Sie ist eine der am besten erhaltenen Mumien und zeigt detaillierte Einblicke in die Praktiken der ägyptischen Einbalsamierung.

Historische Einordnung

Seti I. regierte von 1290 bis 1279 v. Chr. und war ein bedeutender Militärführer sowie ein großer Bauherr. Sein Grab im Tal der Könige (KV17) ist eines der größten und am reichsten dekorierten Gräber, die jemals gefunden wurden.

Wer ist Zahi Hawass?

Zahi Hawass

Zahi A. Hawass (* 28. Mai 1947 in Damiette, Ägypten) ist ein renommierter ägyptischer Ägyptologe. Von 2002 bis 2011 fungierte er als Generalsekretär der ägyptischen Altertümerverwaltung (Supreme Council of Antiquities, SCA). Er gilt als einer der einflussreichsten und gleichzeitig umstrittensten Ägyptologen unserer Zeit. Am 31. Januar 2011 wurde er von damaligen Staatspräsidenten Ägyptens, Husni Mubarak, zum Minister für Altertumsgüter ernannt.

Moderne Forschung und Erkenntnisse

Moderne archäologische und forensische Untersuchungen haben viel zum Verständnis der Mumifizierung beigetragen. Mithilfe von Techniken wie der Computertomographie (CT) konnten Forscher detaillierte Einblicke in die Praktiken der alten Ägypter gewinnen, ohne die Mumien zu beschädigen. Diese Untersuchungen haben gezeigt, dass die Mumifizierungstechniken über die Jahrtausende hinweg verfeinert wurden und je nach sozialem Status des Verstorbenen variieren konnten.

Zusammenfassung

Die Mumifizierung war ein komplexer und vielschichtiger Prozess, der tief in den religiösen Überzeugungen und der Kultur des alten Ägyptens verwurzelt war. Durch die sorgfältige Konservierung des Körpers und die Vorbereitung auf das Jenseits versuchten die alten Ägypter, die Unsterblichkeit zu erreichen. Moderne wissenschaftliche Untersuchungen haben unser Verständnis dieser alten Praxis erheblich erweitert und ermöglichen es uns, die Techniken und Überzeugungen der alten Ägypter besser zu würdigen.

Quellen

  • Assmann, J. (2001). The Search for God in Ancient Egypt. Cornell University Press.
  • David, R. (2008). Handbook to Life in Ancient Egypt. Oxford University Press.
  • Ikram, S. (2003). Death and Burial in Ancient Egypt. Longman.
  • Nunn, J. F. (1996). Ancient Egyptian Medicine. University of Oklahoma Press.
  • Reeves, N. (1990). The Complete Tutankhamun: The King, the Tomb, the Royal Treasure. Thames & Hudson.
  • Smith, M. (2002). Mummification in Ancient Egypt: An Overview. Journal of Egyptian Archaeology, 88(1), 115-130.
  • Taylor, J. H. (2001). Death and the Afterlife in Ancient Egypt. University of Chicago Press.
  • Wade, A. D., Nelson, A. J., & Garvin, G. J. (2012). Computed Tomography of Ancient Egyptian Mummies. Journal of Archaeological Science, 39(4), 1056-1071.
  • Wilkinson, R. H. (2003). The Complete Gods and Goddesses of Ancient Egypt. Thames & Hudson.
  • Carter, H., & Mace, A. C. (1923). The Discovery of the Tomb of Tutankhamun. Cassell.
  • Dodson, A. (1991). Monarchs of the Nile. Rubicon Press.
  • Hawass, Z. (2007). The Discovery of the Lost Queen: The True Story of the Finding of Hatshepsut. National Geographic.
  • Maspero, G. (1881). Les Momies Royales de Deir el-Bahari. Imprimerie de l’Institut Français d’Archéologie Orientale.
  • Reeves, N. (1990). The Complete Tutankhamun: The King, the Tomb, the Royal Treasure. Thames & Hudson.
  • Roller, D. W. (2010). Cleopatra: A Biography. Oxford University Press.
  • Schiff, S. (2010). Cleopatra: A Life. Little, Brown and Company.
  • Smith, M. (2002). Mummification in Ancient Egypt: An Overview. Journal of Egyptian Archaeology, 88(1), 115-130.
  • Tyldesley, J. (1996). Hatchepsut: The Female Pharaoh. Viking.
  • Tyldesley, J. (2001). Ramesses: Egypt’s Greatest Pharaoh. Penguin.