Vitalzeichen

Wortart:
Substantiv, feminin
Aussprache (IPA):
[viːtaːlˌtsaɪçn̩]
Plural:
Vitalzeichen
Trennung:
Vi|tal|zei|chen
Synonym:
Lebenszeichen
Englisch:
Vital signs
Abstammung:
latein.: vitalis = zum Leben gehörend

Vitalzeichen sind grundlegende Indikatoren für die Gesundheit eines Patienten und spielen eine zentrale Rolle in der medizinischen Diagnostik und Überwachung. Zu den wichtigsten Vitalzeichen gehören Puls, Blutdruck, Körpertemperatur, Bewusstsein (Vigilanz) und die Atemfrequenz.

Definition

Vitalzeichen sind grundlegende Indikatoren der Gesundheit: Puls (Herzfrequenz), Blutdruck (Kraft des Blutes auf Arterienwände), Körpertemperatur, Bewusstsein (Vigilanz, Wachheitsgrad) und Atemfrequenz. Diese Parameter werden überwacht, um den Gesundheitszustand zu bewerten und frühzeitig Probleme zu erkennen.

Puls

Der Puls ist ein Maß für die Herzfrequenz, also die Anzahl der Herzschläge pro Minute. Er gibt Aufschluss über die Effizienz des Herzens bei der Blutversorgung des Körpers. Der Puls kann an verschiedenen Körperstellen gemessen werden, am häufigsten jedoch am Handgelenk (Radialispuls) oder am Hals (Karotispuls).

Normwerte

  • Erwachsene: 60 – 100 Schläge pro Minute
  • Kinder: variieren je nach Alter, z.B. Neugeborene 120 – 140 Schläge pro Minute

Abweichungen

  • Tachykardie: erhöhter Puls (>100 Schläge pro Minute)
  • Bradykardie: verlangsamter Puls (<60 Schläge pro Minute)

Klinische Bedeutung

Ein abnormaler Puls kann auf verschiedene gesundheitliche Probleme hinweisen, darunter Herzrhythmusstörungen, Fieber, Dehydration oder Schockzustände. Eine regelmäßige Überwachung des Pulses ist besonders in der Notfallmedizin und bei kritisch kranken Patienten unerlässlich.

Blutdruck

Der Blutdruck misst die Kraft, die das Blut auf die Wände der Arterien ausübt. Er wird in Millimeter Quecksilbersäule (mmHg) gemessen und besteht aus zwei Werten: dem systolischen (höchster Druck) und dem diastolischen (niedrigster Druck) Wert.

Normwerte:

  • Normal: <120/80 mmHg
  • Prähypertonie: 120-139/80-89 mmHg

Abweichungen

  • Hypertonie: ≥ 140/90 mmHg = erhöhter Blutdruck, kann zu Herzkrankheiten, Schlaganfall und Nierenschäden führen.
  • Hypotonie: ≤ 100/60 mmHg = niedriger Blutdruck, kann Schwindel, Ohnmacht und Schock verursachen.

Klinische Bedeutung

Eine regelmäßige Überwachung des Blutdrucks ist entscheidend zur Vorbeugung und Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Insbesondere in der Intensivpflege und bei chronisch kranken Patienten ist die Kontrolle des Blutdrucks von hoher Bedeutung.

Körpertemperatur

Die Körpertemperatur gibt Aufschluss über den thermischen Zustand des Körpers. Sie wird meist oral, rektal, axillär oder im Ohr gemessen.

Normwerte

  • Normal: 36.1-37.2°C (97-99°F)

Abweichungen

  • Fieber (Pyrexie): > 38°C, oft Zeichen einer Infektion.
  • Hypothermie: < 35°C, kann auf Kälteexposition oder Stoffwechselprobleme hinweisen.

Klinische Bedeutung

Veränderungen der Körpertemperatur sind oft die ersten Anzeichen einer Erkrankung. Fieber kann auf Infektionen hinweisen, während Hypothermie in Notfallsituationen lebensbedrohlich sein kann.

Bewusstsein (Vigilanz)

Das Bewusstsein oder die Vigilanz beschreibt den Wachheitsgrad und die kognitive Funktion eines Patienten. Die Einschätzung erfolgt meist über die Glasgow Coma Scale (GCS), die drei Bereiche bewertet: Augenöffnen, verbale Reaktion und motorische Reaktion.

Glasgow Coma Scale (GCS)

  • Punktebereich: 3 – 15
    ➜ 15: Voll wach und orientiert
    ➜ ≤ 8: Koma oder schwerwiegende Bewusstseinsstörung

Abweichungen

  • Bewusstseinseintrübung: Kann durch Hirnverletzungen, Intoxikationen, Stoffwechselstörungen oder Sauerstoffmangel verursacht werden.

Klinische Bedeutung

Die Vigilanz ist ein kritischer Parameter in der Notfallmedizin und Intensivpflege. Eine rasche Beurteilung und kontinuierliche Überwachung sind notwendig, um neurologische Beeinträchtigungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Atemfrequenz

Die Atemfrequenz misst die Anzahl der Atemzüge pro Minute und gibt Hinweise auf die Atemfunktion und den Säure-Basen-Haushalt des Körpers.

Normwerte

  • Erwachsene: 12 – 20 Atemzüge pro Minute
  • Kinder: variieren je nach Alter, z.B. Neugeborene 30 – 60 Atemzüge pro Minute

Abweichungen

  • Tachypnoe: > 20 Atemzüge / Minute = erhöhte Atemfrequenz, oft bei Fieber, Angst oder Lungenproblemen.
  • Bradypnoe: < 10 Atemzüge / Minute = verminderte Atemfrequenz, kann bei Medikamentenüberdosierung oder neurologischen Erkrankungen auftreten.

Klinische Bedeutung

Eine abnormale Atemfrequenz kann auf schwerwiegende gesundheitliche Probleme wie Atemwegserkrankungen, Herzinsuffizienz oder metabolische Störungen hinweisen. Eine kontinuierliche Überwachung ist besonders bei beatmeten Patienten und in der Notfallversorgung wichtig.

Vitalzeichen
Die Vitalzeichenerhebung umfasst die systematische Messung von Puls, Blutdruck, Temperatur, Bewusstsein und Atemfrequenz zur Gesundheitsbewertung.

Erhebung der Vitalzeichen

Die Erhebung der Vitalzeichen ist ein essenzieller Bestandteil der klinischen Praxis und stellt eine wichtige Grundlage für die Beurteilung des Gesundheitszustands eines Patienten dar. Diese Messungen sind oft die ersten Schritte bei der Aufnahme eines Patienten und spielen eine entscheidende Rolle bei der Überwachung und Behandlung. Im Folgenden wird detailliert beschrieben, wie Puls, Blutdruck, Körpertemperatur, Bewusstsein und Atemfrequenz korrekt erhoben werden.

Puls

Methode zur Messung

  • Vorbereitung
    ➜ Der Patient sollte ruhig sitzen oder liegen. Die Umgebung sollte ruhig sein, um Ablenkungen zu minimieren.
  • Ort der Messung
    ➜ Der Puls kann an verschiedenen Stellen gemessen werden, am häufigsten am Handgelenk (Radialispuls) oder am Hals (Karotispuls).
  • Technik
    ➜ Mit Zeige- und Mittelfinger leichten Druck auf die Arterie ausüben, ohne sie zu komprimieren. Schläge für 15 Sekunden zählen und das Ergebnis mit vier multiplizieren, um die Schläge pro Minute zu berechnen. Alternativ für 30 Sekunden zählen und das Ergebnis mit zwei multiplizieren.

Besondere Hinweise

  • Daumennutzung vermeiden, da dessen eigener Puls die Messung beeinflussen kann.
  • Rhythmus und Stärke des Pulses notieren.

Blutdruck

Methode zur Messung

  • Vorbereitung
    ➜ Der Patient sollte entspannt sitzen, mit dem Arm auf Herzhöhe gestützt. Körperliche Anstrengung und Koffeinkonsum vor der Messung vermeiden.
  • Ausrüstung
    ➜ Geeignetes Blutdruckmessgerät verwenden (manuell oder automatisch).
  • Technik
    • Manschette um den Oberarm wickeln, etwa 2-3 cm über der Ellenbeuge.
    • Manschette aufpumpen, bis der Puls nicht mehr fühlbar ist (etwa 20-30 mmHg über den erwarteten systolischen Druck).
    • Luft langsam ablassen und mit einem Stethoskop an der Ellenbeuge auf die Korotkow-Geräusche hören.
    • Druck bei Beginn (systolischer Druck) und Ende (diastolischer Druck) der Geräusche notieren.

Besondere Hinweise

  • Mehrere Messungen durchführen und den Durchschnittswert verwenden.
  • Mögliche Störfaktoren wie Stress oder ungenaue Manschettengröße berücksichtigen.

Körpertemperatur

Methode zur Messung

  • Vorbereitung
    ➜ Der Patient sollte sich in einer ruhigen Umgebung befinden und sich in den letzten 15 Minuten nicht körperlich angestrengt haben.
  • Ausrüstung
    ➜ Geeignetes Thermometer verwenden (digital, Infrarot oder klassisch).
  • Technik:
    • Orale Messung: Thermometer unter die Zunge platzieren und den Mund geschlossen halten.
    • Rektale Messung: Thermometer vorsichtig etwa 2-3 cm in den After einführen.
    • Axilläre Messung: Thermometer in der Achselhöhle platzieren und den Arm an den Körper drücken.
    • Tympanische Messung: Infrarot-Thermometer vorsichtig in den Gehörgang einführen und auf das Trommelfell richten.

Besondere Hinweise

  • Jede Methode hat spezifische Normalwerte und Anwendungsbereiche. Unterschiede beachten und geeignete Methode je nach Patientensituation wählen.
  • Messmethode und Messwert notieren.

Bewusstsein (Vigilanz)

Methode zur Beurteilung

  • Vorbereitung
    ➜ Sicherstellen, dass der Patient in einer ruhigen Umgebung ist und den Ablauf der Untersuchung erklären.
  • Ausrüstung
    ➜ Keine spezielle Ausrüstung erforderlich, ein Notizblock für die Dokumentation kann hilfreich sein.
  • Technik
    • Glasgow Coma Scale (GCS) zur systematischen Beurteilung verwenden. Diese bewertet drei Bereiche:
      • Augenöffnung: 1 – 4 Punkte
      • Verbale Reaktion: 1 – 5 Punkte
      • Motorische Reaktion: 1 – 6 Punkte
    • Gesamtscore durch Addition der Einzelpunkte bestimmen (3 = tiefes Koma, 15 = vollständig wach und orientiert).

Besondere Hinweise

  • Äußere Einflüsse wie Medikamente oder Alkohol berücksichtigen, die das Bewusstsein beeinflussen können.
  • Bewertung regelmäßig wiederholen, um Veränderungen im Zustand des Patienten zu erkennen.

Atemfrequenz

Methode zur Messung

  • Vorbereitung
    ➜ Der Patient sollte ruhig und entspannt sitzen oder liegen. Den Patienten nicht über die Atemfrequenzmessung informieren, um bewusste Veränderungen der Atemmuster zu vermeiden.
  • Ausrüstung
    ➜ Keine spezielle Ausrüstung erforderlich, eine Uhr oder ein Timer ist jedoch notwendig.
  • Technik:
    • Brust- oder Bauchbewegungen des Patienten beobachten.
    • Atemzüge für 30 Sekunden zählen und das Ergebnis mit zwei multiplizieren, um die Atemzüge pro Minute zu berechnen.
    • Alternativ für 60 Sekunden zählen, um einen genaueren Wert zu erhalten.

Besondere Hinweise

  • Auf Atemtiefe und -rhythmus achten (regelmäßig oder unregelmäßig).
  • Eventuelle Abweichungen oder Auffälligkeiten notieren, wie Atemnot oder Geräusche beim Atmen.

In der Notfall- und Intensivmedizin werden die Vitalzeichen häufig kontinuierlich mithilfe von Überwachungsmonitoren überwacht.

Zusammenfassung

Die Überwachung der Vitalzeichen ist essenziell für die Beurteilung des Gesundheitszustandes und die frühzeitige Erkennung von Problemen bei Patienten. Puls, Blutdruck, Körpertemperatur, Bewusstsein und Atemfrequenz bieten wertvolle Informationen für die Diagnose und Therapie und sind daher ein unverzichtbarer Bestandteil der medizinischen Praxis. Eine regelmäßige und genaue Messung sowie die Interpretation dieser Werte durch geschultes medizinisches Personal sind entscheidend für die Patientensicherheit und den Behandlungserfolg.

Wichtige Vitalzeichen:

  • Puls: Herzschläge pro Minute, Norm 60-100.
  • Blutdruck: Kraft des Bluts auf Arterienwände, Norm <120/80 mmHg.
  • Körpertemperatur: Norm 36.1-37.2°C, Fieber >38°C, Hypothermie <35°C.
  • Bewusstsein (Vigilanz): Wachheitsgrad, bewertet durch Glasgow Coma Scale.
  • Atemfrequenz: Atemzüge pro Minute, Norm 12-20.

Quellen

  • Faller, A., & Schünke, M. (2016). Der Körper des Menschen: Einführung in Bau und Funktion (A. Faller & M. Schünke, Hrsg.; 17. Aufl.). Thieme.
  • Menche, N. (Hrsg.). (2016). Biologie Anatomie Physiologie: Mit Zugang zu pflegeheute.de (8. Aufl.). Urban & Fischer in Elsevier.
  • American Heart Association (2023). Understanding Your Heart Rate. [online] Verfügbar: https://www.heart.org/en/health-topics/heart-attack/understanding-your-heart-rate [Zugriff: 14. August 2024].
  • World Health Organization (2023). Hypertension. [online] Verfügbar: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/hypertension [Zugriff: 14. August 2024].
  • National Health Service (2023). Fever in Adults. [online] Verfügbar: https://www.nhs.uk/conditions/fever-in-adults/ [Zugriff: 14. August 2024].
  • Teasdale, G. and Jennett, B. (1974). Assessment of Coma and Impaired Consciousness: A Practical Scale. The Lancet, 304(7872), pp.81-84. [online] Verfügbar: https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(74)91639-0/fulltext [Zugriff: 14. August 2024].
  • National Institutes of Health (2023). Respiratory Rate. [online] Verfügbar: https://medlineplus.gov/ency/article/003079.htm [Zugriff: 14. August 2024].