Autonomes Nervensystem (ANS)

Das autonome Nervensystem (ANS) steuert unwillkürlich Körperfunktionen wie Herzschlag und Verdauung. Es teilt sich in das sympathische System, das Stressreaktionen fördert, und das parasympathische System, das Entspannung unterstützt. Störungen des ANS können zu ernsthaften Krankheiten führen.
Wortart:
Substantiv, maskulin
Aussprache (IPA):
[ˌaʊ̯toˈnoːməs ˈnɛʁvənˌzeːstɛm]
Plural:
Autonome Nervensysteme
Abkürzung:
ANS
Trennung:
Au|to|no|mes | Ner|ven|sys|te
Synonym:
vegetatives Nervensystem, viszerales Nervensystem, VNS, idiotropes Nervensystem
Englisch:
Autonomic Nervous System, ANS, visceral nervous system

Das autonome Nervensystem (ANS) ist ein entscheidender Teil des peripheren Nervensystems, das die unwillkürlichen Körperfunktionen steuert, wie die Herzfrequenz, die Verdauung und die Atmung. Es wird oft als „vegetatives Nervensystem“ bezeichnet, da es viele lebenswichtige Funktionen unabhängig vom bewussten Willen kontrolliert. Die komplexen Interaktionen zwischen den verschiedenen Komponenten des ANS ermöglichen die Aufrechterhaltung der Homöostase und die Anpassung an sich ändernde Umgebungen.

Definition

Das autonome Nervensystem ist ein Teil des peripheren Nervensystems, das die Funktion der inneren Organe reguliert, indem es Signale vom Zentralnervensystem (ZNS) zu den peripheren Organen sendet. Es ist in zwei Hauptkomponenten unterteilt: den Sympathikus und den Parasympathikus. Diese beiden Systeme haben oft gegensätzliche Effekte, die zusammen eine feine Abstimmung der Körperfunktionen ermöglichen.

Physiologisch wird das autonome vom somatischen Nervensystem unterschieden.

Anatomie

Anatomisch ist das ANS weit im Körper verteilt. Die Nervenbahnen des sympathischen Systems entspringen hauptsächlich im thorakolumbalen Bereich des Rückenmarks (Th1-L2), während das parasympathische System aus dem Hirnstamm und dem sakralen Bereich des Rückenmarks (S2-S4) stammt. Die sympathischen Ganglien sind in der Nähe des Rückenmarks angeordnet, während die parasympathischen Ganglien näher an den Zielorganen liegen.

Funktion

Das autonome Nervensystem steuert viele lebenswichtige Funktionen des Körpers. Der Sympathikus ist für die „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion verantwortlich, die bei Stress aktiviert wird und zur Erhöhung der Herzfrequenz, Erweiterung der Bronchien und Hemmung der Verdauung führt. Der Parasympathikus hingegen fördert die „Ruhen-und-Verdauen“-Funktion, indem es die Herzfrequenz senkt, die Verdauung stimuliert und die Energieerhaltung fördert. Das enterische Nervensystem, oft als „Darmhirn“ bezeichnet, steuert die Verdauungsprozesse unabhängig vom zentralen Nervensystem, obwohl es durch das sympathische und parasympathische System moduliert wird. Es koordiniert die Peristaltik, die Sekretion von Verdauungsenzymen und die lokale Durchblutung des Verdauungstrakts.

Hauptfunktionen

  • Sympathikus (Sympathisches Nervensystem)
    ➜ Erhöht Herzfrequenz, erweitert Bronchien, mobilisiert Energie, hemmt Verdauung.
  • Parasympathikus (parasympathisches Nervensystem)
    ➜ Senkt Herzfrequenz, fördert Verdauung, speichert Energie, unterstützt Ausscheidung.
  • Enterisches Nervensystem
    ➜ Steuert Verdauung, reguliert Peristaltik, kontrolliert Enzymsekretion.

Hintergrund

Das autonome Nervensystem (ANS) entwickelt sich aus dem Neuralrohr während der Embryogenese. Die Neuronen des ANS differenzieren sich, um spezialisierte Funktionen in der Steuerung von Organen, Drüsen und Blutgefäßen zu erfüllen. Seine Entwicklung wird durch eine komplexe Interaktion von genetischen und umweltbedingten Faktoren gesteuert.

Einteilung

Das autonome Nervensystem (ANS) lässt sich klassisch in drei Hauptkomponenten unterteilen: der Sympathikus (sympathische Nervensystem), den Parasympathikus (parasympathische Nervensystem) und das enterische Nervensystem. Jede dieser Komponenten hat spezifische Funktionen und ist auf unterschiedliche Weise in die Steuerung der inneren Organe eingebunden.

Sympathikus

Der Sympathikus (sympathisches Nervensystem) ist für die „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion verantwortlich. Es wird in Situationen aktiviert, in denen der Körper auf eine Bedrohung reagieren muss, und bereitet den Körper auf sofortige, intensive Aktivität vor. Es erhöht die Herzfrequenz, erweitert die Bronchien, steigert den Blutfluss zu den Muskeln und hemmt die Verdauung. Die sympathischen Nervenfasern entspringen aus dem thorakolumbalen Bereich des Rückenmarks (Th1-L2) und verlaufen zu den Ganglien des sympathischen Grenzstrangs, die entlang der Wirbelsäule verlaufen. Von dort aus werden Signale zu den Zielorganen gesendet.

Parasympathikus

Der Parasympathikus (parasympathisches Nervensystem) fördert die „Ruhen-und-Verdauen“-Funktion. Es ist hauptsächlich in Ruhephasen aktiv und hilft dem Körper, sich zu erholen, Energie zu sparen und die Verdauung zu fördern. Es senkt die Herzfrequenz, fördert die Verdauungsprozesse und reguliert die Energieerhaltung. Die Nervenfasern des parasympathischen Systems entspringen hauptsächlich aus dem Hirnstamm und dem sakralen Bereich des Rückenmarks (S2-S4). Die Hauptnerven dieses Systems, wie der Nervus vagus, innervieren eine Vielzahl von Organen, einschließlich des Herzens, der Lunge und des Verdauungstrakts.

Enterisches Nervensystem

Das enterische Nervensystem, oft als „Darmhirn“ bezeichnet, ist für die autonome Steuerung des Verdauungstrakts verantwortlich. Es kann unabhängig vom sympathischen und parasympathischen Nervensystem arbeiten, obwohl es von beiden beeinflusst wird. Es reguliert die Peristaltik, die Sekretion von Verdauungsenzymen und die Durchblutung im Magen-Darm-Trakt. Das enterische Nervensystem besteht aus einem dichten Netzwerk von Neuronen, die in den Wänden des Verdauungstrakts liegen und aus zwei Hauptplexen bestehen: dem Plexus myentericus (Auerbach-Plexus) und dem Plexus submucosus (Meissner-Plexus).

Zusammenspiel der Komponenten

Das sympathische und parasympathische Nervensystem wirken meist antagonistisch, um die Homöostase aufrechtzuerhalten. Ein Beispiel dafür ist die Regulation der Herzfrequenz: Während das sympathische System die Herzfrequenz erhöht, senkt das parasympathische System sie. Das enterische Nervensystem funktioniert hingegen relativ unabhängig, reagiert jedoch auf Modulation durch das sympathische und parasympathische System.

Histologie

Histologisch bestehen die ANS-Nerven aus multipolaren Nervenzellen (Neuronen), die durch eine Myelinscheide geschützt werden, was eine schnelle Signalübertragung ermöglicht. Die präganglionären Neuronen sind in den entsprechenden Kernen des ZNS lokalisiert, während die postganglionären Neuronen in peripheren Ganglien oder in der Nähe der Zielorgane liegen.

Physiologie

Physiologisch agieren der Sympathikus und der Parasympathikus antagonistisch, um die Homöostase aufrechtzuerhalten. Zum Beispiel wirkt Noradrenalin als Hauptneurotransmitter des sympathischen Systems, um Effekte wie Vasokonstriktion und Tachykardie zu vermitteln, während Acetylcholin der primäre Neurotransmitter des parasympathischen Systems ist, der zu Effekten wie Vasodilatation und Bradykardie führt.

Biochemie

Die biochemischen Mechanismen des ANS beinhalten die Synthese, Freisetzung und Wiederaufnahme von Neurotransmittern wie Noradrenalin, Acetylcholin und verschiedenen neuropeptiden. Diese Substanzen binden an spezifische Rezeptoren auf den Zielzellen und lösen spezifische physiologische Reaktionen aus.

Klinische Relevanz

Das autonome Nervensystem (ANS) spielt eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung der Homöostase und der Anpassung des Körpers an verschiedene Stressoren. Störungen im ANS können zu einer Vielzahl von klinischen Syndromen und Erkrankungen führen, die unterschiedliche Organsysteme betreffen. Die klinische Relevanz des ANS zeigt sich in einer Reihe von neurologischen, kardiovaskulären und gastrointestinalen Erkrankungen.

Dysautonomie

Dysautonomie bezeichnet eine Gruppe von Erkrankungen, bei denen die normale Funktion des ANS gestört ist. Diese Störungen können primär oder sekundär auftreten, etwa im Zusammenhang mit anderen Krankheiten wie Diabetes mellitus, Multiple Sklerose oder Parkinson-Krankheit. Symptome einer Dysautonomie umfassen orthostatische Hypotonie, Herzrhythmusstörungen, gastrointestinale Dysfunktionen und abnormale Schwitzmuster. Diese Zustände können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und erfordern oft eine multidisziplinäre Behandlung.

Orthostatische Hypotonie

Orthostatische Hypotonie ist eine häufige Manifestation von ANS-Störungen, bei der es zu einem signifikanten Blutdruckabfall kommt, wenn sich eine Person aus einer liegenden in eine stehende Position begibt. Dies kann zu Schwindel, Ohnmacht und Stürzen führen. Die Ursachen reichen von einer primären autonomen Insuffizienz, wie bei der Parkinson-Krankheit, bis hin zu medikamentösen Nebenwirkungen oder einer diabetischen Neuropathie. Die Behandlung umfasst häufig Anpassungen des Lebensstils, Volumenexpansion und Medikamente zur Blutdruckstabilisierung.

Autonome Neuropathie

Autonome Neuropathie ist eine schwerwiegende Komplikation bei Patienten mit chronischen Krankheiten, insbesondere Diabetes mellitus. Sie betrifft verschiedene Organsysteme und kann zu Herzrhythmusstörungen, gastroparese, Blasenfunktionsstörungen und erektiler Dysfunktion führen. Eine frühe Erkennung und Behandlung sind entscheidend, um das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und die Symptome zu kontrollieren.

Morbus Parkinson und Multiple Systematrophie

Bei neurodegenerativen Erkrankungen wie dem Morbus Parkinson und der Multiplen Systematrophie (MSA) ist das ANS häufig betroffen. Patienten zeigen Symptome wie orthostatische Hypotonie, vermehrtes Schwitzen, Blasen- und Darmfunktionsstörungen sowie sexuelle Dysfunktionen. Die autonome Dysfunktion bei diesen Erkrankungen kann schwer zu behandeln sein und erfordert eine symptomatische Therapie.

Reizdarmsyndrom (IBS) und das Enterische Nervensystem

Das Reizdarmsyndrom (IBS) ist eine häufige gastrointestinale Störung, die stark mit dem enterischen Nervensystem und dessen Interaktionen mit dem zentralen Nervensystem (ZNS) zusammenhängt. Symptome wie Bauchschmerzen, Blähungen und veränderter Stuhlgang werden durch eine gestörte Kommunikation zwischen dem Gehirn und dem Darm verursacht. Eine gestörte Funktion des enterischen Nervensystems kann dabei eine Rolle spielen. Die Behandlung umfasst oft eine Kombination aus Ernährungsumstellung, Medikamenten und Stressmanagement.

Herzfrequenzvariabilität (HRV) als diagnostisches Tool

Die Herzfrequenzvariabilität (HRV) ist ein wichtiges diagnostisches Werkzeug zur Bewertung der ANS-Funktion, insbesondere des Gleichgewichts zwischen dem sympathischen und parasympathischen Nervensystem. Eine reduzierte HRV ist mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stress und sogar Mortalität verbunden. Die Messung der HRV kann helfen, Patienten mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse zu identifizieren und ihre Behandlung anzupassen.

Autonome Krisen und Notfälle

Autonome Krisen, wie die hypertensive Krise bei Patienten mit Phäochromozytom oder autonome Dysreflexie bei Querschnittgelähmten, stellen medizinische Notfälle dar. Diese Zustände erfordern eine sofortige Diagnose und Behandlung, um lebensbedrohliche Komplikationen zu vermeiden.

Zusammenfassung

Das autonome Nervensystem (ANS) reguliert unwillkürliche Körperfunktionen wie Herzschlag und Verdauung, unterteilt in Sympathikus und Parasymathikus. Das sympathische System bereitet den Körper auf Stressreaktionen vor, während das parasympathische System für Ruhe und Erholung sorgt. Histologisch bestehen ANS-Nerven aus multipolaren Neuronen. Physiologisch arbeiten die Systeme antagonistisch, um die Homöostase zu wahren. Störungen können zu Krankheiten wie Parkinson führen. Diagnostik und Therapie richten sich nach der spezifischen ANS-Funktion.

Quellen

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