Pflege bei Tachykardie

Tachykardie, eine Herzrhythmusstörung mit erhöhter Herzfrequenz über 100 Schlägen pro Minute, erfordert eine gezielte pflegerische Betreuung. Pflegekräfte spielen eine zentrale Rolle bei der Überwachung von Vitalzeichen, der Verabreichung von Medikamenten und der Unterstützung bei der Diagnostik. Sie sorgen durch Stressreduktion, Flüssigkeitsmanagement und Notfallinterventionen dafür, den Zustand der Patienten zu stabilisieren und Komplikationen vorzubeugen.

Pathophysiologie der Tachykardie

Die Herzfrequenz wird durch das autonome Nervensystem reguliert, wobei der Sympathikus die Herzfrequenz erhöht und der Parasympathikus sie senkt. Tachykardien können durch eine Vielzahl von Mechanismen verursacht werden, einschließlich einer Überaktivierung des Sympathikus, elektrischen Störungen im Herzen oder als Reaktion auf systemische Erkrankungen wie Fieber oder Hyperthyreose.

Eine Unterscheidung wird zwischen supraventrikulären Tachykardien (SVT), die ihren Ursprung oberhalb der Ventrikel haben, und ventrikulären Tachykardien (VT), die in den Herzkammern entstehen, getroffen. Während SVT häufig gutartig ist, kann VT potenziell lebensbedrohlich sein und erfordert sofortige medizinische Interventionen.

Diagnostische Rolle der Pflege

Pflegekräfte sind oft die ersten, die eine Tachykardie erkennen, da sie den direkten Kontakt zu den Patienten haben und regelmäßig Vitalzeichen überwachen. Die diagnostischen Aufgaben umfassen:

  • Herzfrequenzüberwachung
    • Regelmäßige Messung der Herzfrequenz und des Blutdrucks, um Veränderungen frühzeitig zu erkennen.
  • Elektrokardiogramm (EKG)
    • Pflegekräfte unterstützen Ärzte bei der Durchführung eines Elektrokardiogramms, um die genaue Art der Tachykardie zu identifizieren (z.B. Vorhofflimmern, ventrikuläre Tachykardie).
  • Blutuntersuchungen
    • Sie assistieren bei der Vorbereitung von Bluttests, um Faktoren wie Elektrolytungleichgewichte oder Schilddrüsenüberfunktionen als Ursache der Tachykardie auszuschließen.

Pflegeinterventionen bei Tachykardie

Pflegeinterventionen bei Tachykardie zielen darauf ab, die Herzfrequenz zu stabilisieren und Komplikationen zu verhindern. Pflegekräfte überwachen Vitalzeichen, verabreichen Medikamente und unterstützen bei Stressreduktion sowie Flüssigkeitsmanagement. Notfallmaßnahmen sind essenziell, um lebensbedrohliche Zustände zu vermeiden.

Überwachung der Vitalzeichen

Kontinuierliche Überwachung der Herzfrequenz, des Blutdrucks und der Sauerstoffsättigung ist entscheidend, um eine Verschlechterung des Zustands des Patienten zu verhindern. Die Früherkennung von Veränderungen kann es ermöglichen, schnell auf eine Verschlechterung zu reagieren und Komplikationen zu verhindern.

Medikamentenmanagement

Pflegekräfte spielen eine entscheidende Rolle bei der Verabreichung von Medikamenten zur Kontrolle der Herzfrequenz, wie z.B.:

  • Betablocker
    ➜ Reduzieren die Wirkung des Sympathikus und senken die Herzfrequenz.
  • Kalziumkanalblocker
    ➜ Verlangsamen die elektrische Leitung im Herzen.
  • Antiarrhythmika
    ➜ Korrigieren abnorme Herzrhythmen.

Pflegekräfte müssen auf mögliche Nebenwirkungen achten, wie z.B. einen zu niedrigen Blutdruck (Hypotonie) oder eine Bradykardie (zu langsame Herzfrequenz).

Stressmanagement

Da Stress und Angst eine Tachykardie verschlimmern können, sind Pflegekräfte für die emotionale Unterstützung des Patienten verantwortlich. Techniken wie Atemübungen, Entspannungsübungen oder das Bereitstellen eines ruhigen Umfelds können helfen, den Stresslevel zu senken.

Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt

Ein Ungleichgewicht im Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt kann Tachykardie auslösen oder verschlimmern. Pflegekräfte überwachen die Hydratation des Patienten und verabreichen gegebenenfalls intravenöse Flüssigkeiten oder Elektrolytlösungen, um den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt zu stabilisieren.

Lagerung und Mobilisation

Eine angenehme Lagerung des Patienten ist wichtig, um die Herzarbeit zu reduzieren. Patienten sollten in einer Position gelagert werden, die den venösen Rückstrom zum Herzen fördert und die Atemarbeit erleichtert. Mobilisation ist auch ein wichtiger Aspekt, um die Kreislaufstabilität zu verbessern.

Ernährung und Lebensstilberatung

Die Aufklärung des Patienten über einen gesunden Lebensstil ist entscheidend für die Prävention und das Management von Tachykardie. Pflegekräfte beraten Patienten zu ausgewogener Ernährung, Raucherentwöhnung, Alkoholkonsum und regelmäßiger körperlicher Aktivität.

Notfallmaßnahmen bei Tachykardie

Tachykardie kann in schweren Fällen zu gefährlichen Komplikationen wie Herzinsuffizienz oder Kammerflimmern führen. Pflegekräfte müssen auf solche Notfälle vorbereitet sein:

  • Vagale Manöver
    • Manöver wie das Valsalva-Manöver oder das Tauchen des Gesichts in Eiswasser können versuchen, die Herzfrequenz durch Aktivierung des Parasympathikus zu senken.
  • Kardioversion
    • Pflegekräfte assistieren bei der Durchführung einer elektrischen Kardioversion, um den Herzrhythmus zu normalisieren.
  • Defibrillation
    • Bei lebensbedrohlichen Arrhythmien wie Kammerflimmern ist eine sofortige Defibrillation notwendig.

Patientenschulung und Entlassungsmanagement

Ein wesentlicher Bestandteil der Pflege bei Tachykardie ist die Schulung der Patienten und ihrer Familienangehörigen. Patienten sollten informiert werden über:

  • Erkennen der Symptome
    • Patienten müssen wissen, wie sie Symptome wie Herzklopfen, Schwindel oder Atemnot frühzeitig erkennen und darauf reagieren können.
  • Medikamentenadhärenz
    • Die korrekte Einnahme der verschriebenen Medikamente ist entscheidend für die langfristige Kontrolle der Herzfrequenz.
  • Nachsorge
    • Regelmäßige ärztliche Nachuntersuchungen und das Führen eines Symptomtagebuchs tragen dazu bei, das Fortschreiten der Erkrankung zu überwachen und Anpassungen der Therapie vorzunehmen.

Multidisziplinäre Zusammenarbeit

Die Pflege bei Tachykardie erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Berufsgruppen, darunter Kardiologen, Pflegekräfte, Physiotherapeuten und Ernährungsberater. Eine effektive Kommunikation innerhalb des interdisziplinären Teams trägt dazu bei, dass der Patient eine umfassende und qualitativ hochwertige Betreuung erhält.

Fallbeispiel: Pflege bei Tachykardie

Patientenvorstellung

Frau Anna Müller, 65 Jahre alt, wird von ihrem Hausarzt in die Notaufnahme überwiesen, nachdem sie über plötzliches Herzrasen, Schwindel und Atemnot klagte. Die Symptome traten ohne körperliche Anstrengung auf und hielten seit etwa zwei Stunden an. Frau Müller hat in der Vergangenheit gelegentlich über Herzklopfen berichtet, aber noch nie in dieser Intensität. Sie wirkt ängstlich und zeigt sichtbare Anzeichen von Unruhe.

Anamnese

  • Vorherige Erkrankungen: Hypertonie seit 10 Jahren, die medikamentös mit einem ACE-Hemmer (Ramipril) behandelt wird. Leichte Hyperlipidämie (erhöhte Cholesterinwerte), ebenfalls medikamentös behandelt.
  • Medikation: Ramipril 5 mg täglich, Atorvastatin 20 mg täglich.
  • Allergien: Keine bekannten Allergien.
  • Familienanamnese: Der Vater verstarb im Alter von 70 Jahren an einem Herzinfarkt. Die Mutter leidet an Diabetes mellitus Typ 2.
  • Lebensstil: Nichtraucherin, gelegentlicher Alkoholgenuss, keine regelmäßige körperliche Aktivität. Ernährungsweise ist laut eigenen Angaben „unregelmäßig und nicht besonders gesund“.
  • Subjektive Beschwerden: Frau Müller berichtet von plötzlichem Herzklopfen, begleitet von Schwindel und leichter Übelkeit. Die Atemnot trat gleichzeitig mit dem Herzrasen auf. Sie gibt an, keinen Brustschmerz zu verspüren, aber eine innere Unruhe und Angst.

Diagnostik

  • Vitalzeichen bei Aufnahme: Herzfrequenz 140 Schläge pro Minute, Blutdruck 160/95 mmHg, Atemfrequenz 20 pro Minute, Sauerstoffsättigung 94 % (Raumluft), Körpertemperatur 36,8 °C.
  • Elektrokardiogramm (EKG): Supraventrikuläre Tachykardie (SVT) wird festgestellt. Das EKG zeigt eine Herzfrequenz von 140 Schlägen pro Minute, regelmäßigen Rhythmus, schmale QRS-Komplexe, aber keine ST-Hebungen oder Senkungen.
  • Laborwerte: Blutuntersuchungen zeigen leicht erhöhte Cholesterinwerte, aber normale Elektrolytwerte und Schilddrüsenhormone. Hämoglobin und andere Blutwerte im Normalbereich.
  • Bildgebende Diagnostik: Eine Thorax-Röntgenaufnahme zeigt keine Auffälligkeiten in der Herzgröße oder in der Lungenstruktur.

Pflegeplanung

Pflegediagnose 1: Akute Tachykardie

  • Pflegeziel
    • Senkung der Herzfrequenz: Herzfrequenz auf unter 100 Schläge pro Minute senken, um das Herz zu entlasten.
  • Maßnahme
    • Regelmäßige Überwachung der Herzfrequenz, des Blutdrucks, der Atemfrequenz und der Sauerstoffsättigung (alle 15-30 Minuten).
    • Verabreichung eines intravenösen Betablockers (Metoprolol 5 mg), um die Herzfrequenz zu senken und die Tachykardie zu kontrollieren. Zudem sollte auf eine mögliche Verabreichung von Antiarrhythmika oder Kalziumkanalblockern in Absprache mit dem Arzt geachtet werden.
    • Aufklärung der Patientin über die Ursachen der Tachykardie, mögliche auslösende Faktoren und die Wichtigkeit der regelmäßigen Einnahme von blutdrucksenkenden Medikamenten. Zudem wird sie über präventive Maßnahmen wie Stressreduktion, Ernährung und körperliche Aktivität informiert.
  • Begründung
    • Betablocker verlangsamen die Herzfrequenz und senken den Blutdruck, wodurch die Herzarbeit reduziert wird.
    • Eine gut informierte Patientin kann besser mit ihrer Erkrankung umgehen und präventive Maßnahmen zur Vermeidung von weiteren Tachykardien ergreifen.

Pflegediagnose 2: Angst und Unruhe

  • Pflegeziel
    • Angst und Unruhe reduzieren: Patientin beruhigen und eine entspannte Umgebung schaffen.
  • Maßnahme
    • Beruhigende Gespräche führen, die Patientin über ihren Zustand aufklären, einen ruhigen und angenehmen Raum schaffen, tiefes Atmen und Entspannungsübungen anleiten.
  • Begründung
    • Emotionale Unterstützung kann den Stress und die Angst der Patientin mindern, was sich positiv auf die Herzfrequenz auswirken kann.

Pflegediagnose 3: Atemnot

  • Pflegeziel
    • Atemnot lindern: Verbesserung der subjektiven Atemnot.
  • Maßnahme
    • Verabreichung von Sauerstoff über eine Nasenbrille bei 2 l/min zur Verbesserung der Sauerstoffsättigung und Linderung der Atemnot.
  • Begründung
    • Eine zusätzliche Sauerstoffgabe hilft, den Sauerstoffgehalt im Blut zu stabilisieren und die subjektiv empfundene Atemnot zu verringern.

Pflegediagnose 4: Ungenügende Flüssigkeitszufuhr

  • Pflegeziel
    • Ausreichende Flüssigkeitszufuhr sicherstellen: Gewährleistung einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr, um Dehydration zu verhindern.
  • Maßnahme
    • Überwachung der Flüssigkeitsaufnahme und Angebot von Flüssigkeiten (Wasser oder Tee). Falls nötig, Einleitung einer intravenösen Flüssigkeitszufuhr (z.B. Ringer-Laktat).
  • Begründung
    • Eine ausreichende Hydratation ist wichtig, um Dehydration zu verhindern, die die Tachykardie verschlimmern könnte.

Pflegemaßnahmen

Maßnahmen zur Pflegediagnose 1: Akute Tachykardie

  • Sofort nach der Aufnahme der Patientin sollten die Vitalzeichen (Herzfrequenz, Blutdruck, Atemfrequenz und Sauerstoffsättigung) kontinuierlich überwacht werden. Je nach Schweregrad der Tachykardie kann dies alle 5 bis 15 Minuten notwendig sein.
  • In Absprache mit dem behandelnden Arzt sollten zur Senkung der Herzfrequenz Medikamente wie Betablocker (z.B. Metoprolol) oder Kalziumkanalblocker (z.B. Verapamil) verabreicht werden.
  • Die Patientin darüber informieren, welche Auslöser Tachykardie verursachen können (z.B. Stress, Koffein, Alkohol).
  • Erklären, wie sie auf Symptome (z.B. Herzklopfen, Schwindel) reagieren soll und wann sie ärztliche Hilfe suchen muss.
  • Die Bedeutung der regelmäßigen Medikamenteneinnahme hervorheben und über Nebenwirkungen aufklären.
  • Lebensstiländerungen besprechen, z.B. gesunde Ernährung, körperliche Aktivität und Stressmanagement.

Maßnahmen zur Pflegediagnose 2: Angst und Unruhe

  • Ein beruhigendes Gespräch mit der Patientin führen und den Zustand erklären, um Ängste zu verringern.
  • Atemübungen zur Entspannung anleiten (z.B. langsames, tiefes Ein- und Ausatmen).
  • Für eine ruhige und stressfreie Umgebung sorgen (z.B. Lärm minimieren, Licht dimmen).
  • Angehörige, falls anwesend, in die Pflege einbeziehen, um zusätzliche emotionale Unterstützung zu bieten.

Maßnahmen zur Pflegediagnose 3: Atemnot

  • Pulsoxymeter anlegen, um die Sauerstoffsättigung kontinuierlich zu überwachen.
  • Nasenbrille oder Maske vorbereiten und den Sauerstofffluss auf 2–4 l/min einstellen.
  • Nasenbrille oder Maske der Patientin anlegen und sicherstellen, dass sie bequem sitzt.
  • Überwachung der Wirkung und regelmäßige Überprüfung der Sauerstoffsättigung.
  • Sobald die Sättigung stabil ist, langsam die Sauerstoffgabe reduzieren, falls keine weiteren Atemprobleme bestehen.

Maßnahmen zur Pflegediagnose 4: Ungenügende Flüssigkeitszufuhr

  • Flüssigkeitsaufnahme der Patientin überwachen und protokollieren (z.B. Getränke anbieten und die Menge dokumentieren).
  • Bei Anzeichen von Dehydration oder unzureichender oraler Flüssigkeitsaufnahme intravenöse Infusionen (z.B. Ringer-Laktat) vorbereiten und verabreichen.
  • Überwachung der Hydratation durch Messung der Urinausscheidung und Überprüfung der Schleimhäute (feucht/trocken).
  • Flüssigkeitszufuhr anpassen, sobald die Patientin stabil ist und ausreichend oral trinken kann.

Evaluation

Evaluation der Pflegediagnose 1: Fatigue und körperliche Schwäche

  • Nach der Gabe des Betablockers sank die Herzfrequenz innerhalb von zwei Stunden auf 90 Schläge pro Minute. Die Tachykardie konnte somit erfolgreich behandelt werden.
  • Die Patientin zeigte Bereitschaft, ihren Lebensstil anzupassen, und versprach, sich regelmäßigen ärztlichen Kontrollen zu unterziehen. Die Schulung wurde als erfolgreich abgeschlossen bewertet.

Evaluation der Pflegediagnose 2: Angst und Unruhe

  • Die Patientin gibt an, sich nach den beruhigenden Maßnahmen und den ausführlichen Erklärungen des Pflegepersonals weniger ängstlich zu fühlen. Die verbesserte Herzfrequenz trug ebenfalls zur Reduktion der Angst bei.

Evaluation der Pflegediagnose 3: Atemnot

  • Die Atemnot von Frau Müller hat sich nach der Sauerstoffgabe und der Entspannung deutlich verbessert. Die Sauerstoffsättigung liegt wieder bei 97 %.

Evaluation der Pflegediagnose 4: Ungenügende Flüssigkeitszufuhr

  • Die Patientin konnte ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen, sodass keine intravenöse Gabe notwendig war. Sie fühlte sich nach ausreichender Hydratation stabiler.

Das Fallbeispiel zeigt, wie Pflegekräfte bei Tachykardie durch gezielte Überwachung, medikamentöse Therapie, emotionale Unterstützung und Patientenschulung eine effektive Betreuung gewährleisten. Die Maßnahmen senkten die Herzfrequenz, linderten Symptome und förderten langfristige Prävention.

Zusammenfassung

Tachykardie, definiert als Herzfrequenz über 100 Schläge pro Minute, erfordert gezielte pflegerische Maßnahmen. Pflegekräfte überwachen Vitalzeichen, unterstützen bei der Diagnostik, verabreichen Medikamente wie Betablocker, fördern den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt und bieten emotionale Unterstützung. Bei Notfällen assistieren sie bei Kardioversion und Defibrillation. Patientenschulungen und multidisziplinäre Zusammenarbeit sind essenziell, um die Symptome zu lindern und Komplikationen zu verhindern.

Quellen

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