Progressive Muskelentspannung

Progressive Muskelentspannung
Die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson ist eine leicht zu erlernende Entspannungsmethode.
Aussprache (IPA):
[pʁoˈɡʁɛsɪvɐ ˈmʊskl̩ʔɛntˌʃpanʊŋ]
Plural:
Progressive Muskelentspannungen
Abkürzung:
PME: progressive Muskelrelaxation, PMR: progressive Muskelrelaxation
Englisch:
progressive muscle relaxation
Begründung:
Edmund Jacobson

Progressive Muskelentspannung ist ein beliebtes Entspannungsverfahren, das im Jahr 1929 vom amerikanischen Arzt Edmund Jacobson als Therapie entwickelt wurde. Der Mediziner fand heraus, dass psychische Erkrankungen mit einer Anspannung der Muskeln in Verbindung stehen können. Die gezielte Entspannung der Muskeln hingegen verringerte bei seiner Entdeckung die Aktivität von Nerven, zeitgleich beobachtete er, dass die psychische Anspannung abnahm. Deshalb spricht man oft auch von der „Progressiven Muskelentspannung nach Jacobson“ oder „Entspannung nach Jacobson“.

Definition

Die Progressive Muskelentspannung (PME) ist eine Entspannungstechnik, bei der verschiedene Muskelgruppen systematisch angespannt und dann entspannt werden. Durch die bewusste Anspannung und anschließende Lockerung der Muskeln wird eine tiefe körperliche und geistige Entspannung erreicht. Sie wird häufig zur Stressreduktion und bei Angstzuständen eingesetzt.

Funktion

Bei Menschen die unter Stress stehen, erhöht sich der Muskeltonus. Hierbei handelt es sich jedoch um einen physiologischen Vorgang, der im Ernstfall dafür sorgt, dass man handlungsfähig bleibt. Bei der Therapie zur Progressiven Muskelentspannung nach Jacobson konzentriert sich der Patient auf einzelne Muskelgruppen indem er diese zunächst kräftig anspannt und anschließend wieder lockert. Anspannung sowie Entspannung werden in einem möglichst gleichbleibenden Rhythmus bewusst ausgeführt und durch eine gleichmäßige Atmung unterstützt.

Im Rahmen der Therapie zur Muskelentspannung schließt die Übungen letztendlich alle Muskelgruppen des Körpers, inklusive des Gesichts, ein. Dieser Tatsache verdankt die Entspannungsübung die Bezeichnung einer progressiven (voranschreitenden) Muskelentspannung. Ist eine Unterweisung durch einen entsprechend ausgebildeten Therapeuten erfolgt, kann ein Patient die Übungen auch selbstständig durchführen.

Mit Hilfe der Jacobson-Therapie kann ein Patienten seine Psyche positiv über das bewußte An- und Entspannen der Muskulatur beeinflussen.

Indikation

Der Patient lernt durch die regelmäßige Anwednung der Entspannungstherapie nach Jacobson, seinen Körper besser zu kontrollieren. Weiter kann er zunehmend die Fähigkeit entwickeln, die physiologische Muskelanspannung bewusst zu reduzieren, eine psychische Entspannung zu erreichen und die Übung auch unbemerkt in einer Stresssituation in der Öffentlichkeit anzuwenden.

Indikationen

  • Angststörungen
  • depressive Stimmungen
  • Kopf- oder Rückenschmerzen, Migräne
  • Psychischer Belastung
  • Stress
  • Burn-out-Syndrom
  • Stressbedingter Bluthochdruck, Herzbeschwerden
  • Schlafstörungen
  • Neurodermitis, Schuppenflechte
  • Muskelverspannungen, Haltungsschäden
  • Magen- und Darmproblemen
  • Psychosomatischen Erkrankungen

Langfristige Wirkrung

  • Verbesserung der eigenen Körperwahrnehmung
  • Reduzierung der psychischen und körperlichen Unruhe
  • Stressabbau
  • Schmerzenlinderung
  • Begünstigung einer ruhige, entspannte Atmung
  • Reduzierung von Muskelverspannungen
  • Verlangsamung des Herzschlags
  • Stärkung des seelischen und körperlichen Gleichgewichts
  • Erreichung von innerer Ruhe und Gelassenheit
  • Erweiterung der Blutgefäße in den Muskeln

Prinzip

Das Prinzip der Progressiven Muskelentspannung nach Jacobson ist sehr einfach und schnell zu erlernen. Hier sollten folgende Kritierien berücksichtigt werden:

Illustration der häufigsten Muskelgruppen, die bei der Muskelentspannung angesprochen werden
Abb. 1.1: Illustration der häufigsten Muskelgruppen, die bei der Muskelentspannung angesprochen werden.
  • Anspannung einzelne Muskelgruppen (Spannung für wenige Sekunden halten)
  • Entspannung der entsprechenden Muskelgruppe
  • An- und Entspannung werden konzentriert und bewusst ausgeführt
  • Die entstehende Empfindung wird nachgespürt
  • Alle Muskelgruppen von Kopf bis Fuß werden einbezogen
  • Dauer der Anspannung ➜ ca. fünf bis zehn Sekunden
  • Dauer der Entspannung ➜ ca. 30 und 45 Sekunden.
  • Gesamtdauer einer Übungseinheit ➜ ca. 20 Minuten (daher im Alltag gut umsetzbar)
  • Setting: ruhige Umgebung, lockere Kleidung, bequeme Sitz- oder Liegeposition

Cave: Eine Anspannungsphase sollte nie länger als 10 Sekunden gehalten werden, da es bei zu langer Anspannung zu Muskelkrämpfen kommen kann.

Anleitung: Progressive Muskelentspannung

Das folgende Beispiel soll zeigen, wie eine mögliche Entspannungsübung im Sitzen ablaufen kann:

Einleitung

  • „Nehmen Sie eine bequeme Sitzposition ein.“
  • „Stellen Sie beide Beine hüftbreit auf dem Boden ab.“
  • „Die Arme hängen entspannt herunter.“
  • „Schließen Sie, wenn möglich, die Augen, um äußere Reize auszublenden.“
  • „Ihr Atem ist ruhig und gleichmäßig.“

Arme

  • „Beginnen wir mit den Armen.“
  • „Lassen Sie Ihre Gedanken zu ihren entspannten Armen schweifen.“
  • „Ballen Sie nun Ihre Hände zu Fäusten und ziehen Sie Ihre Arme zur Brust.“
  • „Spannen Sie nun Ihre Oberarmmuskel an und halten Sie diese Position für 10 Sekunden.“
  • „Achten Sie auf die Spannung in Ihren Fäusten und Oberarmen.“
  • „Nun lassen Sie Ihre Arme wieder nach unten sinken und öffnen die Fäuste.“
  • „Lassen Sie sich für die Entspannung Zeit und konzentrieren Sie sich auf das Gefühl der jetzt entspannten Arme.“
  • Ihr Atem ist ruhig und gleichmäßig.“

Schultern

  • „Lassen Sie nun Ihre Gedanken zu Ihren Schultern wandern.“
  • „Ziehen Sie nun die Schulern so hoch wie möglich und halten Sie die Spannung für ca. 10 Sekunden.“
  • „Achten Sie auf die Spannung in Ihrer Schultermuskulatur.“
  • „Nun entspannen Sie Ihre Schultern ganz langsam, indem Sie sie wieder nach unten gleiten lassen.“
  • „Genießen Sie das Gefühl der entspannten Schultern.“
  • „Ihr Atem ist ruhig und gleichmäßig.“

Gesicht

  • „Nun wandern Ihre Gedanken zu Ihrem entspannten Gesicht.“
  • „Achten Sie darauf, wie sich Ihr Gesicht anfühlt?“
  • „Beißen Sie nun die Zähne zusammen und pressen Sie die Lippen aufeinander.“
  • „Kneifen Sie die Augen zusammen und ziehen Sie Ihre Augenbrauen nach oben.“
  • „Rümpfen Sie abschließend die Nase.“
  • „Stellen Sie sich vor, Sie hätten in eine saure Zitrone gebissen.“
  • „Halten Sie die Spannung in Ihrem Gesicht für ca. 10 Sekunden.“
  • „Lösen Sie nun die Anspannung in Ihrem Gesicht ganz langsam.“
  • „Spüren Sie das Gefühl der Entspannung in Ihrem Gesicht.“
  • „Ihr Atem ist ruhig und gleichmäßig.“

Rumpf

  • „Nun schweifen Ihre Gedanken zu Ihrem entspannten Bauch.“
  • „Lassen Sie das Gefühl des entspannten Rumpfbereichs auf sich wirken.“
  • „Spanne Sie nun Ihren Bauch, indem Sie ihn entweder hinausdrücken oder ihn einziehen.“
  • „Halten Sie die Spannung im Rumpf für ca. 10 Sekunden.“
  • „Lösen Sie nun ganz langsam die Spannung in Ihrer Bauchmuskulatur.“
  • „Genießen Sie das Entspannungsgefühl, das sich nun einstellt.“
  • „Ihr Bauch ist nun ganz entspannt, gelöst und locker.“
  • „Ihr Atem ist ruhig und gleichmäßig.“

Beine

  • „Zum Schluß lassen Sie Ihre Gedanken zu Ihren entspannten Beinen wandern.“
  • „Beschreiben Sie vor Ihrem inneren Auge das Gefühl der beiden entspannten Beine.“
  • „Spannen Sie nun Ihre Beine an, indem Sie die Oberschenkel- und Gesäßmuskeln anspannen.“
  • „Ziehen Sie Ihre Fußspitzen Richtung Gesicht um eine Ansapnnung in den Unterschenkeln zu fühlen.“
  • „Halten Sie die Spannung im Rumpf für ca. 10 Sekunden.“
  • „Lösen Sie jetzt ganz langsam die Spannung in den Beinen.“
  • „Genießen Sie das Entspannungsgefühl in den Beinen“
  • „Ihr Atem ist ruhig und gleichmäßig.“

Abschluß

  • „Lassen Sie die Aufmerksamkeit von Ihren entspannten Beinen und Füßen nach oben wandern.“
  • „Achten Sie ganz bewußt auf den Gegensatz von Anspannung und Entspannung.“
  • „Nun genießen Sie die Entspannung des Rumpfbereichs und der Arme.“
  • „Lassen Sie die Entspannung Ihrer Schultern und Ihres Gesichts auf sich wirken.“
  • „Atmen Sie ruhig und gleichmäßig und versuchen Sie bei jedem Ausatmen Ihre Muskeln weiter zu entspannen.“
  • „Spüren Sie, ob einige Körperteile wärmer geworden sind.“
  • „Ihr Atem ist ruhig und gleichmäßig und genießen Sie die Entspannung.“
  • „Öffnen Sie nun langsam Ihre Augen, Sie sind wieder im Hier und Jetzt.“

Zusammenfassung

Die Progressive Muskelentspannung (PMR) ist eine Entspannungstechnik, die von Edmund Jacobson in den 1920er Jahren entwickelt wurde. Sie basiert auf dem Prinzip, dass durch bewusstes An- und Entspannen verschiedener Muskelgruppen eine tiefe körperliche und geistige Entspannung erreicht wird. Die Methode zielt darauf ab, muskuläre Spannungen zu reduzieren, die durch Stress oder Angst entstehen können. PMR wird oft zur Stressbewältigung, zur Behandlung von Angstzuständen und bei Schlafstörungen eingesetzt. Sie ist leicht erlernbar und kann in unterschiedlichen Alltagssituationen angewendet werden, um innere Ruhe und Wohlbefinden zu fördern.

Quellen

  • Titelbild: Frau entspannt ihre Muskeln (Pexels.com – Alexy Almond)
  • Haupt, W. F., & Gouzoulis-Mayfrank, E. (2016). Neurologie und Psychiatrie für Pflegeberufe (W. F. Haupt & E. Gouzoulis-Mayfrank, Hrsg.; 11. Aufl.). Thieme.
  • Jacobson, E. (2017). Entspannung als Therapie: Progressive Relaxation in Theorie und Praxis (K. Wirth, Übers.; 8. Aufl.). Klett-Cotta.
  • Gesundheitskasse, A.-D. (2020, Juli 7). Progressive Muskelentspannung. AOK – Die Gesundheitskasse. Abgerufen 23. März 2023, https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/entspannung/progressive-muskelentspannung/