Aerobe und anaerobe Atmung

Wortart:
Substantiv, feminin
Aussprache (IPA):
[a.eˈʁoːbə ˈʔaːtmʊŋ], [ˌan.a.eˈʁoː.bə ˈʔat.mʊŋ]
Plural:
aerobe Atmungen, anaerobe Atmungen
Trennung:
aero|be At|mung, ana|e|ro|be At|mung
Englisch:
aerobic respiration, anaerobic respiration

Die Atmung ist ein zentraler physiologischer Prozess, der für das Überleben aller lebenden Organismen unerlässlich ist. Für medizinisches Fachpersonal ist es wichtig, die Mechanismen der aeroben und anaeroben Atmung zu verstehen, um physiologische und pathophysiologische Zustände besser diagnostizieren und behandeln zu können.

Aerobe Atmung

Definition und Mechanismus

Die aerobe Atmung ist ein Prozess, bei dem Glukose in Gegenwart von Sauerstoff zu Kohlendioxid und Wasser abgebaut wird, um ATP (Adenosintriphosphat) zu produzieren. Dieser Prozess findet in den Mitochondrien der Zellen statt und umfasst drei Hauptstufen:

  1. Glykolyse
    ➜ Dieser Prozess findet im Zytoplasma statt und wandelt Glukose in Pyruvat um, wobei eine kleine Menge ATP und NADH produziert wird.
  2. Citratzyklus (Krebs-Zyklus)
    ➜ In den Mitochondrien wird Pyruvat weiter zu Acetyl-CoA umgewandelt, das in den Citratzyklus eintritt. Hier werden CO2, NADH, FADH2 und eine geringe Menge ATP produziert.
  3. Elektronentransportkette (ETC)
    ➜ Die in NADH und FADH2 gespeicherte Energie wird genutzt, um ATP durch oxidative Phosphorylierung zu erzeugen. Sauerstoff fungiert als terminaler Elektronenakzeptor und wird zu Wasser reduziert.

Klinische Bedeutung

Die aerobe Atmung ist die effizienteste Methode der ATP-Produktion und liefert etwa 36 – 38 Moleküle ATP pro Molekül Glukose. Diese hohe Effizienz ist besonders wichtig in Geweben mit hohem Energiebedarf wie Herz, Gehirn und Muskulatur. Störungen der aeroben Atmung, wie sie bei mitochondrialen Erkrankungen oder Hypoxie auftreten, können zu schweren klinischen Zuständen führen, einschließlich Enzephalopathie, Myopathie und Herzinsuffizienz.

Anaerobe Atmung

Definition und Mechanismus

Die anaerobe Atmung findet in Abwesenheit von Sauerstoff statt und führt zu einer weniger effizienten ATP-Produktion. Dieser Prozess umfasst:

  1. Glykolyse
    ➜ Wie bei der aeroben Atmung wird Glukose in Pyruvat umgewandelt, was eine kleine Menge ATP und NADH produziert.
  2. Fermentation
    ➜ Pyruvat wird zu Laktat (Milchsäuregärung) oder Ethanol und CO2 (alkoholische Gärung) umgewandelt, um NAD+ zu regenerieren, das für die Glykolyse notwendig ist.

Klinische Bedeutung

Die anaerobe Atmung ist weniger effizient als die aerobe Atmung und liefert nur 2 Moleküle ATP pro Molekül Glukose. Dieser Prozess ist jedoch entscheidend für die kurzfristige Energieproduktion unter hypoxischen Bedingungen, wie sie bei intensivem körperlichem Training oder bei pathologischen Zuständen wie Schock und Ischämie auftreten können. Eine übermäßige Laktatproduktion kann zu Laktatazidose führen, die eine sorgfältige klinische Überwachung und Behandlung erfordert.

Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Biochemische Unterschiede

  • Sauerstoffverbrauch
    ➜ Aerobe Atmung benötigt Sauerstoff, während anaerobe Atmung ohne Sauerstoff abläuft.
  • Endprodukte
    ➜ Aerobe Atmung produziert CO2 und Wasser, anaerobe Atmung führt zur Produktion von Laktat oder Ethanol und CO2.
  • ATP-Ausbeute
    ➜ Aerobe Atmung ist wesentlich effizienter (36 – 38 ATP) als anaerobe Atmung (2 ATP).

Physiologische und Klinische Implikationen

  • Gewebeabhängigkeit
    ➜ Gewebe mit hohem Energiebedarf sind auf die aerobe Atmung angewiesen. Gewebe wie die Skelettmuskulatur können bei Sauerstoffmangel kurzfristig auf anaerobe Atmung umschalten.
  • Krankheitsbilder
    ➜ Erkrankungen wie mitochondrialen Myopathien oder Zustände wie Hypoxie und Ischämie beeinflussen die Balance zwischen aerober und anaerober Atmung.

Diagnostische und Therapeutische Ansätze

Diagnostik

  • Blutgasanalyse
    ➜ Bestimmung von Sauerstoff- und Kohlendioxidpartialdruck sowie pH-Wert zur Beurteilung der Atmungsfunktion.
  • Laktatmessung
    ➜ Erhöhte Laktatwerte im Blut können auf anaerobe Stoffwechselaktivität hinweisen.

Therapie

  • Sauerstofftherapie
    ➜ Bei Hypoxie zur Unterstützung der aeroben Atmung.
  • Medikamentöse Unterstützung
    ➜ Bei mitochondrialen Dysfunktionen können Coenzym Q10 oder andere Supplemente hilfreich sein.
  • Physiologische Anpassungen
    ➜ Training zur Verbesserung der aeroben Kapazität und zur Reduktion der anaeroben Schwelle.

Zusammenfassung

Aerobe Atmung: Ein Stoffwechselprozess, bei dem Zellen Sauerstoff verwenden, um Glukose zu oxidieren und Energie in Form von ATP (Adenosintriphosphat) zu gewinnen. Die Endprodukte sind Kohlendioxid und Wasser. Dieser Prozess findet in den Mitochondrien statt und liefert eine hohe Menge an Energie (bis zu 38 ATP pro Molekül Glukose).

Anaerobe Atmung: Ein Stoffwechselprozess, der ohne Sauerstoff abläuft und ebenfalls zur Energiegewinnung dient. Hierbei wird Glukose teilweise abgebaut, was zu weniger Energie (2 ATP pro Molekül Glukose) und unterschiedlichen Endprodukten wie Milchsäure oder Ethanol führt. Anaerobe Atmung tritt in Zytoplasma auf.

Quellen

  • Faller, A., & Schünke, M. (2016). Der Körper des Menschen: Einführung in Bau und Funktion (A. Faller & M. Schünke, Hrsg.; 17. Aufl.). Thieme.
  • Menche, N. (Hrsg.). (2016). Biologie Anatomie Physiologie: Mit Zugang zu pflegeheute.de (8. Aufl.). Urban & Fischer in Elsevier.
  • Alberts, B., Johnson, A., Lewis, J., Raff, M., Roberts, K. and Walter, P., 2015. Molecular Biology of the Cell. 6th ed. New York: Garland Science.
  • Berg, J.M., Tymoczko, J.L. and Stryer, L., 2015. Biochemistry. 8th ed. New York: W.H. Freeman.
  • Ferriero, D.M., 2004. Neonatal brain injury. New England Journal of Medicine, 351(19), pp.1985-1995.
  • Gnaiger, E., 2020. Bioenergetics at low oxygen: dependence of respiration and phosphorylation on oxygen and ADP supply. Respiration Physiology, 128(3), pp.277-297.
  • Nicholls, D.G. and Ferguson, S.J., 2013. Bioenergetics. 4th ed. London: Academic Press.
  • Taegtmeyer, H., 2004. Energy metabolism of the heart: from basic concepts to clinical applications. Current Problems in Cardiology, 29(3), pp.115-188.
  • Timmons, J.A. and Gustafsson, T., 2017. Sundried Glycolysis: The importance of lactic acid and rehydration for anaerobic energy production. Acta Physiologica, 219(3), pp.687-689.
  • Zuurbier, C.J., 2014. Ischemia-reperfusion injury in the heart: The physiological role of the citric acid cycle. Current Opinion in Physiology, 3(1), pp.1-8.