Geschmack

Synonym:
Gustus
Abstammung:
mittelhochdeutsch: gesmac = Geruch, Geschmack
Englisch:
taste
Aussprache (IPA):
ɡəˈʃmak

Der menschliche Geschmackssinn, auch als Gustatorisches System bekannt, spielt eine wesentliche Rolle bei der Nahrungsaufnahme, dem Überleben und der allgemeinen Lebensqualität und ist ein Sinneseindruck. Das Verständnis der biologischen Grundlagen des Geschmackssinns sowie seiner Funktionsweise und Variabilität ist von großer Bedeutung, insbesondere für medizinisches Personal, das Patienten bei ernährungsbezogenen Problemen berät.

Anatomie und Physiologie des Geschmackssinns

Anatomie der Geschmacksknospen

Verteilung und Struktur

Geschmacksknospen sind spezialisierte sensorische Organe, die sich hauptsächlich auf der Zunge befinden, aber auch im weichen Gaumen, der Rachenhinterwand und im oberen Teil der Speiseröhre verteilt sind. Eine durchschnittliche menschliche Zunge hat etwa 2.000 bis 8.000 Geschmacksknospen, die jeweils 50-100 Geschmacksrezeptorzellen enthalten. Die Geschmacksknospen sind in verschiedenen Papillentypen der Zunge eingebettet:

  • Fungiforme Papillen
    ➜ Diese sind pilzförmig und befinden sich hauptsächlich an der Zungenspitze und den Zungenrändern. Sie enthalten wenige Geschmacksknospen (1-5 pro Papille) und sind gut vaskularisiert, was sie auch als thermische Sensoren nützlich macht.
  • Foliate Papillen
    ➜ Diese liegen an den hinteren Seitenrändern der Zunge und enthalten zahlreiche Geschmacksknospen, die in parallelen Reihen angeordnet sind.
  • Circumvallate Papillen
    ➜ Diese sind groß und rund und befinden sich am hinteren Teil der Zunge in einer V-Form. Jede Circumvallate Papille enthält Hunderte von Geschmacksknospen, die in den Wänden der Papille eingebettet sind.
  • Filiforme Papillen
    ➜ Diese sind fadenförmig und über die gesamte Zungenoberfläche verteilt. Sie enthalten keine Geschmacksknospen und sind hauptsächlich mechanisch funktional.

Zelltypen innerhalb der Geschmacksknospen

Innerhalb einer Geschmacksknospe gibt es verschiedene Zelltypen, die jeweils spezifische Funktionen in der Geschmackswahrnehmung haben:

  • Typ-I-Zellen
    ➜ Diese glialähnlichen Zellen spielen eine unterstützende Rolle und sind an der Kalium-Homöostase beteiligt.
  • Typ-II-Zellen
    ➜ Diese Zellen sind verantwortlich für die Erkennung der Geschmacksrichtungen süß, umami und bitter. Sie enthalten G-Protein-gekoppelte Rezeptoren und lösen nach der Bindung eines Geschmacksstoffes eine Signalkaskade aus.
  • Typ-III-Zellen
    ➜ Diese Zellen sind verantwortlich für die Erkennung der Geschmacksrichtungen sauer und salzig. Sie besitzen Ionenkanäle, die auf Protonen (H+) und Natriumionen (Na+) reagieren und zur Depolarisation der Zelle führen.
  • Basalzellen
    ➜ Diese Zellen fungieren als Stammzellen, die neue Geschmacksrezeptorzellen regenerieren, was notwendig ist, da Geschmacksknospenzellen eine Lebensdauer von etwa 10-14 Tagen haben.

Mikrovilli und Geschmacksporen

Die Geschmacksrezeptorzellen besitzen an ihrer apikalen Oberfläche Mikrovilli, die in die Geschmacksporen ragen. Diese Pore ist eine kleine Öffnung auf der Oberfläche der Geschmacksknospe, die den Kontakt zwischen den Geschmacksstoffen in der Mundhöhle und den Rezeptoren auf den Mikrovilli ermöglicht. Die Bindung eines Geschmacksstoffes an einen Rezeptor auf den Mikrovilli löst eine Serie von Signaltransduktionsereignissen aus, die zur Depolarisation der Zelle und zur Freisetzung von Neurotransmittern führen, die die afferenten Nervenfasern stimulieren.

Signaltransduktion und Zentrale Verarbeitung

Die durch die Geschmacksknospen generierten Signale werden über die Hirnnerven VII (Nervus facialis), IX (Nervus glossopharyngeus) und X (Nervus vagus) an das Gehirn weitergeleitet. Diese Signale werden zuerst im Nucleus tractus solitarii (NTS) im Hirnstamm verarbeitet, bevor sie in den Thalamus und anschließend in den gustatorischen Kortex im Frontalhirn projiziert werden. Hier erfolgt die bewusste Wahrnehmung des Geschmacks, die Integration mit Geruch, Textur und Temperatur, sowie die emotionale und hedonische Bewertung der Geschmackseindrücke.

Peripheres und zentrales Geschmackssystem

Peripheres Geschmackssystem

Das periphere Geschmackssystem umfasst die Geschmacksknospen und die afferenten Nerven, die Geschmackssignale zum Gehirn leiten.

Geschmacksknospen

Diese befinden sich in den Papillen der Zunge – fungiforme, foliate und circumvallate Papillen. Jede Geschmacksknospe enthält Geschmacksrezeptorzellen, die auf spezifische Geschmacksstoffe reagieren.

Afferente Nerven

Die Signale der Geschmacksrezeptorzellen werden durch synaptische Verbindungen an afferente Nervenfasern weitergeleitet, die Teil der Hirnnerven VII (N. facialis), IX (N. glossopharyngeus) und X (N. vagus) sind. Diese Nerven transportieren die Geschmackssignale zum Nucleus tractus solitarii (NTS) im Hirnstamm.

Zentrales Geschmackssystem

Das zentrale Geschmackssystem beinhaltet die Verarbeitung und Integration der Geschmackssignale im Gehirn.

Nucleus Tractus Solitarii (NTS)

Der NTS ist die erste zentrale Relaisstation für Geschmackssignale. Hier werden die Informationen aus den peripheren Nerven gebündelt und weiterverarbeitet.

Thalamus

Vom NTS gelangen die Signale zum ventroposteromedialen Nucleus des Thalamus, der als weiterer Relaispunkt dient und die Informationen an den gustatorischen Kortex weiterleitet.

Gustatorischer Kortex

Dieser befindet sich im Insularkortex und im Frontaloperculum. Hier erfolgt die bewusste Wahrnehmung und Differenzierung der verschiedenen Geschmacksqualitäten. Zusätzlich werden die Geschmackseindrücke mit anderen sensorischen Informationen wie Geruch, Textur und Temperatur integriert.

Die verschiedenen Geschmacksrichtungen

Der menschliche Geschmackssinn kann fünf grundlegende Geschmacksrichtungen (Geschmacksqualitäten) erkennen: süß, sauer, salzig, bitter und umami. Jede dieser Geschmacksqualitäten wird durch spezifische Rezeptoren erkannt und hat eine unterschiedliche physiologische Bedeutung.

5 grundlegende Geschmacksrichtungen
Abb.1.1: Die 5 grundlegenden Geschmacksrichtungen

Süß

  • Rezeptoren
    ➜ T1R2/T1R3 Heterodimere.
  • Funktion
    ➜ Die Wahrnehmung von Süße signalisiert die Anwesenheit von Zucker, der eine wichtige Energiequelle darstellt.
  • Beispiele
    ➜ Zucker (Glukose, Fruktose), künstliche Süßstoffe (Aspartam, Sucralose).

Sauer

  • Rezeptoren
    ➜ PKD2L1 Kanäle und andere Protonen-sensitive Ionenkanäle.
  • Funktion
    ➜ Die Wahrnehmung von Säure kann auf verdorbene oder unreife Lebensmittel hinweisen, die schädlich sein könnten.
  • Beispiele
    ➜ Zitronensäure in Zitronen, Essigsäure in Essig.

Salzig

  • Rezeptoren
    ➜ ENaC (epithelialer Natriumkanal).
  • Funktion
    ➜ Die Wahrnehmung von Salz (Natrium) ist wichtig für die Regulation des Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushalts im Körper.
  • Beispiele
    ➜ Natriumchlorid (Kochsalz).

Bitter

  • Rezeptoren
    ➜ T2R Familie von Rezeptoren.
  • Funktion
    ➜ Die Wahrnehmung von Bitterkeit dient oft als Warnung vor potenziell giftigen Substanzen.
  • Beispiele
    ➜ Alkaloide wie Koffein, Nikotin, Chinin.

Umami

  • Rezeptoren
    ➜ T1R1/T1R3 Heterodimere.
  • Funktion
    ➜ Die Wahrnehmung von Umami signalisiert das Vorhandensein von Aminosäuren, insbesondere Glutamat, und Peptiden, die wichtige Bausteine für Proteine darstellen.
  • Beispiele
    ➜ Glutaminsäure in Sojasauce, Mononatriumglutamat (MSG) als Geschmacksverstärker.

Umami stammt vom japanischen うま味 auch 旨味 umami ab und bedeutet Schmackhaftigkeit. Der Begriff geht auf den japanischen Chemiker Kikunae Ikeda zurück, der neben den vier Empfindungsvermögen für Ausprägungen des Süßen, Sauren, Salzigen und Bitteren einer Speise noch eine fünfte Grundqualität des Geschmacks vermutete.

Die Rolle des Geruchssinns in der Geschmackswahrnehmung

Der Geruchssinn spielt eine entscheidende Rolle in der Wahrnehmung von Geschmack. Diese enge Verbindung zwischen Geruch und Geschmack wird als „flavour“ bezeichnet und ist das kombinierte sensorische Erlebnis, das beim Verzehr von Nahrungsmitteln entsteht.

Anatomie des Geruchssinns

Der Geruchssinn basiert auf der Funktion der Riechschleimhaut (Regio olfactoria) im oberen Nasengang. Diese Schleimhaut enthält Riechzellen, die mit Rezeptoren ausgestattet sind, die auf verschiedene Geruchsmoleküle reagieren.

  • Riechzellen
    ➜ Diese sind bipolare Neuronen, deren Dendriten in die Schleimhaut ragen und deren Axone durch die Siebplatte (Lamina cribrosa) in den Riechkolben (Bulbus olfactorius) des Gehirns ziehen.
  • Rezeptoren
    ➜ Die Riechzellen tragen spezifische Rezeptorproteine, die mit Geruchsmolekülen interagieren. Der Mensch hat etwa 400 verschiedene Typen von Riechrezeptoren, die eine Vielzahl von Gerüchen erkennen können.

Signaltransduktion und Zentrale Verarbeitung

Die Interaktion eines Geruchsmoleküls mit einem Riechrezeptor führt zu einer Signalkaskade, die in einer Depolarisation der Riechzelle und der Weiterleitung eines elektrischen Signals zum Riechkolben resultiert.

  • Riechkolben
    ➜ Im Riechkolben werden die Signale der Riechzellen verarbeitet und an verschiedene Bereiche des Gehirns weitergeleitet, darunter der piriforme Kortex, die Amygdala und der entorhinale Kortex.
  • Integration mit dem Geschmackssinn
    ➜ Die Informationen aus dem Riechkolben werden in Regionen des Gehirns integriert, die auch Geschmackssignale verarbeiten, insbesondere im orbitofrontalen Kortex. Diese Integration ermöglicht die komplexe Wahrnehmung von „flavour“.

Retro-Nasale Geruchswahrnehmung

Während des Kauens und Schluckens gelangen flüchtige Aromastoffe über den Rachenraum in den Nasenraum, wo sie die Riechschleimhaut stimulieren. Diese Form der Geruchswahrnehmung wird als retro-nasale Geruchswahrnehmung bezeichnet und ist entscheidend für die Geschmackswahrnehmung.

Einflussfaktoren auf den Geschmackssinn

Genetische Variabilität

Genetische Unterschiede können die Sensitivität gegenüber bestimmten Geschmacksrichtungen beeinflussen. Ein bekanntes Beispiel ist die Variabilität in der Wahrnehmung von Bitterstoffen, die durch unterschiedliche Versionen des TAS2R38-Gens bestimmt wird. Personen mit bestimmten Allelen dieses Gens sind empfindlicher gegenüber Bitterstoffen wie Phenylthiocarbamid (PTC) und Propylthiouracil (PROP).

Alter und Geschlecht

Mit zunehmendem Alter nimmt die Anzahl der Geschmacksknospen ab, was zu einer verminderten Geschmackswahrnehmung führen kann. Studien zeigen auch, dass Frauen in der Regel eine höhere Sensitivität gegenüber Geschmacksreizen aufweisen als Männer, was möglicherweise hormonellen Einflüssen zugeschrieben werden kann.

Gesundheitliche Faktoren

Verschiedene gesundheitliche Bedingungen können den Geschmackssinn beeinträchtigen. Dazu gehören:

  • Infektionen und Entzündungen
    • Krankheiten wie Erkältungen, Sinusitis oder Mundinfektionen können die Geschmackswahrnehmung temporär beeinträchtigen.
  • Medikamenteneinnahme
    • Einige Medikamente, einschließlich Chemotherapeutika, Antibiotika und Antihypertensiva, können Geschmacksstörungen verursachen.
  • Systemische Erkrankungen

Klinische Relevanz

Für das medizinische Personal ist das Verständnis der Geschmacksphysiologie und der Faktoren, die den Geschmackssinn beeinflussen, entscheidend für die Diagnose und Behandlung von Patienten mit Geschmacksstörungen (Dysgeusie). Maßnahmen zur Verbesserung der Geschmackswahrnehmung können die Lebensqualität erheblich verbessern, insbesondere bei älteren Menschen und Patienten mit chronischen Krankheiten.

Zusammenfassung

Der menschliche Geschmackssinn ist die Fähigkeit, unterschiedliche Geschmacksrichtungen über die Geschmacksknospen auf der Zunge und im Gaumen wahrzunehmen. Es gibt fünf grundlegende Geschmacksrichtungen: süß, sauer, salzig, bitter und umami. Diese werden durch spezielle Rezeptoren in den Geschmacksknospen erkannt, die auf chemische Verbindungen in der Nahrung reagieren. Geschmack spielt eine wichtige Rolle bei der Ernährung, da er hilft, essbare und potenziell schädliche Substanzen zu unterscheiden. Er beeinflusst auch das Essverhalten und die Essensvorlieben, und ist eng mit dem Geruchssinn verknüpft, was das Gesamterlebnis des Geschmacks verstärkt.

Quellen

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