Handwurzelknochen: Anatomie, Funktion, Pathologie

Synonym:
Karpalknochen, Ossa carpi, Ossa carpalia
Griechisch:
καρπός (karpos) = Handwurzel
Englisch:
carpal bones, wrist bones
Aussprache (IPA):
hantvʊʁt͡sl̩ˌknɔxn̩

Die Handwurzelknochen, auch als Ossa carpi bezeichnet, sind ein komplexes und wichtiges Strukturelement des menschlichen Handgelenks. Diese Knochen ermöglichen die vielfältigen Bewegungen und die Stabilität der Hand. Für medizinisches Fachpersonal ist ein tiefgehendes Verständnis der Anatomie und Funktion dieser Knochen unerlässlich.

Funktion der Handwurzelknochen

Die Hauptfunktionen der Handwurzelknochen umfassen:

  • Beweglichkeit
    • Die Handwurzelknochen erlauben komplexe Bewegungen des Handgelenks, einschließlich Flexion, Extension, Abduktion und Adduktion. Diese Bewegungen sind entscheidend für die Geschicklichkeit der Hand.
  • Stoßdämpfung
    • Die Karpalknochen fungieren als Puffer, der die Belastung und den Druck, die auf das Handgelenk ausgeübt werden, absorbiert und verteilt. Dies schützt die Hand und den Unterarm vor Verletzungen.
  • Kraftübertragung
    • Sie übertragen die Kräfte, die von der Hand auf den Unterarm wirken, und umgekehrt. Dies ist besonders wichtig für Aktivitäten, die eine starke Greifkraft erfordern.

Einteilung der Handwurzelknochen

Die acht Handwurzelknochen sind in zwei Reihen angeordnet:

Proximale Reihe (vom Daumen zum kleinen Finger)

  • Os scaphoideum (Kahnbein)
    ➜ Das größte Knochen in der proximalen Reihe. Es ist zentral für die Stabilität des Handgelenks und oft von Frakturen betroffen.
  • Os lunatum (Mondbein)
    ➜ Erhält seinen Namen aufgrund seiner mondsichelähnlichen Form. Es spielt eine Schlüsselrolle bei der Flexion und Extension des Handgelenks.
  • Os triquetrum (Dreiecksbein)
    ➜ Ein dreieckiger Knochen, der das Os pisiforme stützt.
  • Os pisiforme (Erbsenbein)
    ➜ Ein kleiner, sesamoider Knochen, der in der Sehne des Musculus flexor carpi ulnaris eingebettet ist.

Distale Reihe (vom Daumen zum kleinen Finger):

  • Os trapezium (Großes Vieleckbein)
    ➜ Bildet einen Sattelgelenk mit dem ersten Mittelhandknochen und ist entscheidend für die Beweglichkeit des Daumens.
  • Os trapezoideum (Kleines Vieleckbein)
    ➜ Ein kleiner, aber wichtiger Knochen, der eine Verbindung zum zweiten Mittelhandknochen bildet.
  • Os capitatum (Kopfbein)
    ➜ Der größte der Handwurzelknochen, zentral im Handgelenk gelegen und verbindet mehrere andere Knochen.
  • Os hamatum (Hakenbein)
    ➜ Erkennbar an seinem hakenförmigen Fortsatz, dem Hamulus ossis hamati, der eine Befestigungsstelle für Bänder und Sehnen bietet.
Handwurzelknochen des Mensch
Abb. 1.1: Anatomie und Übersicht der Handwurzelknochen

Gelenkverbindungen

Die Handwurzelknochen sind durch zahlreiche Gelenke miteinander verbunden, die zusammen das Karpalgelenk bilden. Diese Verbindungen umfassen:

  • Radiokarpalgelenk
    • Verbindet die proximale Reihe der Handwurzelknochen mit dem Radius und dem Diskus des Ulna.
  • Mediokarpalgelenk
    • Verbindet die proximale und distale Reihe der Handwurzelknochen miteinander.
  • Interkarpalgelenke
    • Gelenke zwischen den einzelnen Karpalknochen innerhalb jeder Reihe.

Bänder und Sehnen

Die Stabilität und Bewegung der Handwurzelknochen wird durch ein Netzwerk von Bändern und Sehnen gewährleistet:

  • Dorsale und palmare Karpalbänder
    • Diese Bänder sorgen für die Stabilität der Handwurzelknochen.
  • Retinaculum flexorum
    • Ein starkes Band, das den Karpaltunnel bildet und die Sehnen der Fingerbeuger sowie den Nervus medianus schützt.
  • Sehnen der Handgelenks- und Fingerbeuger
    • Diese Sehnen spielen eine entscheidende Rolle bei der Bewegung und Flexibilität der Hand.

Klinische Relevanz und häufige Erkrankungen

Frakturen

Am häufigsten sind Frakturen des Os scaphoideum. Diese Frakturen können schwer zu diagnostizieren sein und haben ein hohes Risiko für eine avaskuläre Nekrose aufgrund der besonderen Blutversorgung des Knochens.

Karpaltunnelsyndrom

Dieses Syndrom entsteht durch die Kompression des Nervus medianus im Karpaltunnel und führt zu Schmerzen, Taubheit und Schwäche in der Hand. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind wichtig, um dauerhafte Schäden zu vermeiden.

Arthrose

Degenerative Veränderungen in den Karpalgelenken können zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führen. Häufig betroffen sind das Radiokarpalgelenk und das Trapeziometakarpalgelenk.

Kienböck-Krankheit

Eine avaskuläre Nekrose des Os lunatum, die zu chronischen Schmerzen und einer Funktionsstörung des Handgelenks führen kann. Die genaue Ursache ist unbekannt, aber sie tritt häufiger bei jungen Erwachsenen auf.

Ganglionzysten

Diese nicht-krebsartigen, flüssigkeitsgefüllten Zysten treten häufig an der Handwurzel auf und können Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen verursachen. Sie werden oft durch Überbeanspruchung oder Verletzungen ausgelöst.

Diagnostik

Die Diagnostik von Handwurzelverletzungen und -erkrankungen umfasst verschiedene bildgebende und klinische Verfahren:

  • Röntgenaufnahmen
    • Röntgen ist die Standardmethode zur Beurteilung von Knochenstrukturen und zur Identifikation von Frakturen oder anderen Knochenanomalien.
  • Magnetresonanztomographie (MRT)
    • Die Magnetresonanztomographie bietet detaillierte Bilder von Weichteilen, Bändern, Sehnen und Knochenmark. Sie ist besonders nützlich zur Diagnose von Bandverletzungen und avaskulärer Nekrose.
  • Computertomographie (CT)
    • Eine Computertomographie ermöglicht eine detaillierte dreidimensionale Darstellung der Knochenstrukturen und ist hilfreich bei der Beurteilung komplexer Frakturen und anatomischer Variationen.
  • Ultraschall
    • Sonografie kann zur Beurteilung von Weichteilverletzungen und zur Führung von Injektionen verwendet werden.
  • Klinische Untersuchung
    • Eine sorgfältige physikalische Untersuchung ist entscheidend, um die Beweglichkeit, Stabilität und Schmerzpunkte des Handgelenks zu bewerten.
Röntgenbild der rechten Hand
Abb. 1.2: Röntenbild der rechten Hand mit Darstellung der Handwurzelknochen

Therapie

  • Konservative Behandlung
    • Bei geringfügigen Verletzungen und Erkrankungen kann eine konservative Behandlung mit Ruhigstellung, Physiotherapie und entzündungshemmenden Medikamenten ausreichend sein.
  • Operative Behandlung
    • Bei komplizierten Frakturen, schweren Bandverletzungen oder chronischen Erkrankungen kann eine operative Behandlung notwendig sein. Dies kann die Fixierung von Frakturen, die Rekonstruktion von Bändern oder die Entfernung von Zysten umfassen.
  • Rehabilitation
    • Nach einer Verletzung oder Operation ist eine sorgfältige Rehabilitation entscheidend für die Wiederherstellung der Handfunktion. Dies umfasst Physiotherapie, Ergotherapie und Übungen zur Stärkung und Beweglichkeit.

Zusammenfassung

Die Handwurzelknochen (Ossa carpi) sind acht kleine Knochen, die in zwei Reihen angeordnet sind und die Basis der Hand bilden. Sie umfassen die proximale Reihe mit Scaphoid (Kahnbein), Lunatum (Mondbein), Triquetrum (Dreiecksbein) und Pisiforme (Erbsenbein), sowie die distale Reihe mit Trapezium (Großes Vieleckbein), Trapezoid (Kleines Vieleckbein), Capitatum (Kopfbein) und Hamatum (Hakenbein). Diese Knochen ermöglichen die komplexe Beweglichkeit des Handgelenks und dienen als Verbindung zwischen den Unterarmknochen und den Mittelhandknochen. Sie spielen eine zentrale Rolle bei der Stabilität und Funktion der Hand.

Quellen

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