Hirnstamm: Anatomie, Funktion, Pathologie

Synonym:
Truncus cerebri, Truncus encephali
Größe:
etwa Daumengroß
Form:
stielartige Struktur
Lage:
zwischen Rückenmark und Zwischenhirn
Latein:
truncus = Stamm, cerebrum = Hirn
Englisch:
brain stem
Aussprache (IPA):
hɪrnʃtam

Der Hirnstamm (Truncus cerebri) ist eine zentrale Struktur im Gehirn, die eine Vielzahl lebenswichtiger Funktionen erfüllt. Er ist verantwortlich für die Steuerung von grundlegenden physiologischen Prozessen wie Atmung, Herzfrequenz und Bewusstsein. Der Hirnstamm verbindet das Gehirn mit dem Rückenmark und enthält wichtige Nervenbahnen sowie Hirnnervenkerne.

Anatomie des Hirnstamms

Lage und Makroanatomie

Der Hirnstamm befindet sich an der Basis des Gehirns und verbindet das Gehirn mit dem Rückenmark. Er besteht aus drei Hauptteilen:

  • Mittelhirn (Mesencephalon)
  • Brücke (Pons)
  • Verlängertes Mark (Medulla oblongata)

Mittelhirn (Mesencephalon)

Das Mittelhirn (auch Mesencephalon) liegt oberhalb der Brücke und unterhalb des Zwischenhirns. Es enthält wichtige Strukturen wie:

  • Tectum
    ➜ enthält die Colliculi superiores und inferiores, die an der Verarbeitung visueller und auditorischer Informationen beteiligt sind.
  • Tegmentum
    ➜ enthält Kerne, die für die motorische Kontrolle und Schmerzmodulation wichtig sind.
  • Crura cerebri
    ➜ enthalten absteigende motorische Bahnen.

Brücke (Pons)

Die Brücke (auch Pons) liegt zwischen dem Mittelhirn und der Medulla oblongata. Sie enthält:

  • Pontine Kerne
    ➜ vermitteln Informationen zwischen Großhirnrinde und Kleinhirn.
  • Kerngebiete für die Hirnnerven V-VIII
    ➜ beteiligt an sensorischen und motorischen Funktionen des Gesichts und der Ohren.

Verlängertes Mark (Medulla oblongata)

Das verlängerte Mark (auch Medulla oblongata) liegt unterhalb der Brücke und geht in das Rückenmark über. Sie enthält:

  • Lebenswichtige Zentren
    ➜ Kontrolle von Herzfrequenz, Atmung und Blutdruck.
  • Kerngebiete für die Hirnnerven IX-XII
    ➜ beteiligt an Funktionen wie Schlucken, Sprechen und Nackenbewegungen
Anatomie des Hirnstamms
Abb.1.1: Anatomie: Hirnstamm (Truncus cerebri)

Als Hirnstamm werden alle unterhalb des Zwischenhirns liegenden Hirnabschnitte (mit Ausnahme des Kleinhirns) bezeichnet.

Funktionen des Hirnstamms

Regulation Lebenswichtiger Funktionen

  • Atmung
    ➜ die Medulla oblongata enthält das Atemzentrum, das die rhythmische Atmung steuert.
  • Herz-Kreislauf-System
    ➜ in der Medulla befinden sich Zentren, die Herzfrequenz und Blutdruck regulieren.
  • Bewusstsein und Schlaf-Wach-Zyklus
    ➜ das retikuläre Aktivierungssystem (RAS) im Hirnstamm spielt eine Schlüsselrolle bei der Regulation des Bewusstseins und des Schlaf-Wach-Zyklus.

Motorische und Sensorische Bahnen

  • Motorische Bahnen
    ➜ der Hirnstamm enthält absteigende Bahnen wie die Pyramidenbahnen, die für willkürliche Bewegungen zuständig sind.
  • Sensorische Bahnen
    ➜ aufsteigende sensorische Bahnen leiten Informationen aus dem Körper an das Gehirn weiter.

Hirnnervenkerne

Der Hirnstamm enthält die Kerne der meisten Hirnnerven (III-XII), die eine Vielzahl von Funktionen steuern, darunter Augenbewegungen, Gesichtssensibilität, Hören, Gleichgewicht, Schlucken und Zungenbewegungen.

Klinische Bedeutung

Hirnstamminfarkte

Infarkte im Hirnstamm können schwerwiegende Folgen haben, da sie lebenswichtige Funktionen beeinträchtigen können. Symptome umfassen plötzliche Schwäche oder Lähmung, Schluckstörungen, Atmungsprobleme und Bewusstseinsverlust.

Hirnstammkompression

Tumore, Blutungen oder Schwellungen können zu einer Kompression des Hirnstamms führen, was zu einem potenziell lebensbedrohlichen Zustand führt. Symptome können Kopfschmerzen, Erbrechen, Bewusstseinsveränderungen und unregelmäßige Atmung sein.

Hirnnervenläsionen

Läsionen im Hirnstamm können zu spezifischen Ausfällen der Hirnnerven führen, die sich in Symptomen wie Doppeltsehen, Gesichtslähmung, Taubheit und Schluckstörungen äußern.

Locked-In-Syndrom

Das Locked-In-Syndrom resultiert aus einer Schädigung der Brücke und führt zu einer vollständigen Lähmung bei erhaltenem Bewusstsein und vertikalen Augenbewegungen. Betroffene sind bei vollem Bewusstsein, können aber nur die Augen vertikal bewegen und blinzeln.

Untersuchung des Hirnstamms

Klinische Untersuchung

Eine gründliche neurologische Untersuchung umfasst Tests der Hirnnervenfunktionen, motorischen und sensorischen Bahnen sowie des Bewusstseinszustands. Wichtige Tests sind:

  • Pupillenreaktion
    ➜ Überprüfung der Funktion des N. oculomotorius (III).
  • Kornealreflex
    ➜ Überprüfung der Funktionen des N. trigeminus (V) und N. facialis (VII).
  • Schlucktest
    ➜ Überprüfung der Funktionen des N. glossopharyngeus (IX) und N. vagus (X).

Bildgebende Verfahren

Moderne bildgebende Verfahren wie MRT (Magnetresonanztomographie) und CT (Computertomographie) sind entscheidend für die Untersuchung des Hirnstamms. Diese Verfahren ermöglichen die Darstellung anatomischer Details und die Identifizierung von Läsionen oder Tumoren.

Zusammenfassung

Der Hirnstamm ist der unterste Teil des Gehirns, der das Zwischenhirn, das Mittelhirn, die Brücke (Pons) und das verlängerte Mark (Medulla oblongata) umfasst. Er verbindet das Gehirn mit dem Rückenmark und steuert lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Herzschlag, Blutdruck und Reflexe wie Schlucken und Husten. Der Hirnstamm enthält Nervenbahnen, die sensorische und motorische Signale zwischen Gehirn und Körper übertragen, sowie Kerngebiete, die für die Regulation von Bewusstsein und Schlaf-Wach-Rhythmus zuständig sind. Schäden am Hirnstamm können lebensbedrohlich sein und vielfältige neurologische Ausfälle verursachen.

Quellen

  • Faller, A., & Schünke, M. (2016). Der Körper des Menschen: Einführung in Bau und Funktion (A. Faller & M. Schünke, Hrsg.; 17. Aufl.). Thieme.
  • Haupt, W. F., & Gouzoulis-Mayfrank, E. (2016). Neurologie und Psychiatrie für Pflegeberufe (W. F. Haupt & E. Gouzoulis-Mayfrank, Hrsg.; 11. Aufl.). Thieme.
  • Menche, N. (Hrsg.). (2016). Biologie Anatomie Physiologie: Mit Zugang zu pflegeheute.de (8. Aufl.). Urban & Fischer in Elsevier.
  • Carter, R. (2019) Das Gehirn: Anatomie, Sinneswahrnehmung, Gedächtnis, Bewusstsein, Störungen. Aktualisierte Neuausgabe. München: Dorling Kindersley.