Puls

Beim Puls handelt es sich um die mechanische, rhythmische Ausdehnung und Kontraktion der Gefäßwände die durch die Herzaktion und die von ihr ausgelöste Druckwelle entsteht. Vereinfacht gesagt, versteht man unter dem Puls die durch Tasten oder elektronische Messung an bestimmten Körperregionen erfassbare Gefäßausdehnung der Arterien.
Wortart:
Substantiv, maskulin
Aussprache (IPA):
[pʊls]
Synonym:
Pulsus
Englisch:
pulse
Latein:
pulsus = Schlag
Abstammung:
latein.: pulsus = Schlag
Erhöhter Wert:
> 100 bpm (Tachykardie)
Erniedrigter Wert:
< 60 bpm (Bradykardie)
Physiologisch:
60 - 100 bpm

Der Puls, auch Herzfrequenz genannt, ist ein grundlegendes Vitalzeichen, das die Herzschläge pro Minute (bpm) misst. Er liefert wesentliche Informationen über den kardiovaskulären Gesundheitszustand eines Patienten und ist ein unverzichtbares diagnostisches Instrument in der klinischen Praxis.

Definition

Der Puls ist die rhythmische Dehnung und Kontraktion der Arterienwände, die durch die Herzkontraktionen verursacht wird. Er misst die Herzfrequenz in Schlägen pro Minute (bpm) und liefert wichtige Informationen über den kardiovaskulären Zustand eines Patienten. Normale Werte liegen zwischen 60 und 80 bpm bei Erwachsenen.

Physiologische Grundlagen

Der Puls entsteht durch die rhythmische Kontraktion des Herzens, die Blut durch die Arterien pumpt und so Druckwellen erzeugt. Diese Druckwellen können an verschiedenen Stellen des Körpers als Puls tastbar gemacht werden. Die normale Ruheherzfrequenz liegt bei Erwachsenen zwischen 60 und 80 bpm, wobei Athleten oft eine niedrigere Ruheherzfrequenz haben.

Mechanismen der Herzfrequenzregulation

  • Autonomes Nervensystem
    ➜ Der Sympathikus erhöht die Herzfrequenz und die Kontraktilität des Herzens, während der Parasympathikus (über den Vagusnerv) die Herzfrequenz senkt.
  • Endokrine Einflüsse
    ➜ Hormone wie Adrenalin und Noradrenalin, die von den Nebennieren freigesetzt werden, erhöhen die Herzfrequenz. Schilddrüsenhormone haben ebenfalls einen signifikanten Einfluss.
  • Physiologische und pathologische Zustände
    ➜ Faktoren wie körperliche Aktivität, Emotionen, Fieber und verschiedene Erkrankungen (z.B. Hyperthyreose, Anämie) beeinflussen die Herzfrequenz.

Einteilung

Körperliche Aktivität

  • Ruhepuls
    ➜ Puls in körperlicher Ruhe, beim Erwachsenen in der Regel zwischen 60 – 100 bpm
  • Trainingspuls
    ➜ Optimaler Puls für Langzeitausdauertraining
  • Maximalpuls
    ➜ Puls bei maximaler körperlicher Anstrengung

Gefäßtyp

  • Arterienpuls
    ➜ klinisch relevanter Puls: entsteht durch Druckänderungen im Gefäßsystem
  • Venenpuls
    ➜ herzsynchrone Pulsation von Venen, ausgelöst die durch die Herzaktion und den dadurch resultierenden Druckschwankungen
  • Kapillarpuls
    ➜ sichtbare Pulsation der Blutkapillaren (gerade im Bereich der Haut)

Physikalische Eigenschaften

  • Druckpuls
    ➜ Kurvendarstellung:Blutdruckverlauf während der Systole und Diastole
  • Strompuls
    ➜ rhythmische Schwankungen des durch die zyklische Herzarbeit verursachten Blutflusses

bpm ist die englische Abkürzung für Beats per minute (Schläge pro Minute)

Pulsmessung

Eine Bestimmung des Pulses kann sowohl manuell als auch elektronisch erfolgen und lässt Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand eines Patienten zu.

Indikation

  • Fitnessstatus und körperliche Belastung
  • Psychischer Stress
  • Herzrhythmusstörungen
  • Dehydration (Flüssigkeitsmangel) oder Blutverlust
  • Infekte oder septischen Schock
  • Reduzierte Elastizität oder Verkalkung der Arterien
  • Verstopfung von Arterien

Messmethoden

Die Pulsmessung kann auf verschiedene Weisen erfolgen:

  • Palpation
    ➜ Dies ist die häufigste Methode, bei der der Puls manuell an Stellen wie der Radialarterie, der Carotisarterie oder der Femoralarterie gefühlt wird. Die Palpation bietet eine schnelle und einfache Möglichkeit, die Herzfrequenz zu bestimmen.
  • Doppler-Ultraschall
    ➜ Diese Methode wird oft in der Geburtshilfe verwendet, um den fetalen Herzschlag zu überwachen.
  • Auskultation
    ➜ Mit einem Stethoskop kann der Herzschlag direkt über dem Herzen abgehört werden. Diese Methode wird häufig bei Kleinkindern und Säuglingen verwendet.
  • Elektronische Geräte
    ➜ Elektrokardiogramme (EKG) bieten eine genaue Messung der Herzfrequenz und des Rhythmus. Tragbare Geräte wie Pulsuhren und Fitness-Tracker sind ebenfalls weit verbreitet und bieten kontinuierliche Überwachung.

Eine elektronische Pulsmessung erlaubt keine Aussage über die Pulsqualität.

Pulsbeurteilung

  • Pulsfrequenz
    ➜ Anzahl der Pulsschläge pro Minute
  • Pulsrhythmus
    ➜ zeitliche Abfolge der Pulsschläge
  • Pulsqualität
    ➜ Ertastete Art des Pulsschlags (weich, hart)

CAVE: Der Daumen eignet sich nicht zur Pulsmessung, da der eigene Puls das Messergebnis fälschlich beeinflussen kann.

Pulsmessung
Eine manuelle Pulsmessung erfolgt immer für die Dauer von 60 Sekunden.

Ist kein Puls tastbar, liegt ein Pulsverlust vor. Dies ist das wichtigste klinische Anzeichen für einen Kreislaufstillstand. Von einem Pulsdefizit spricht man, wenn eine hämodynamisch wirkungslose Kontraktionen des Herzmuskels vorliegt.

Pulsmessstellen

OrtArtierieSynonym
SchläfeArteria temporalisSchläfenpuls
HalsArteria carotisCarotispuls
HalsArteria subclaviaSubclaviapuls
AchselhöhleArteria axillarisAxillarispuls
EllenbeugeArteria brachialisBrachialispuls
Sulcus bicipitalis medialisArteria brachialisBrachialispuls
HandgelenkArteria radialisRadialispuls
HandgelenkArteria ulnarisUlnarispuls
Tabatière (Foveola radialis)Arteria radialisRadialispuls
LeisteArteria femoralisFemoralispuls
KniekehleArteria popliteaPoplitealpuls
KnöchelArteria tibialis posteriorKnöchelpuls
FußrückenArteria dorsalis pedisFußpuls
Tab. 1.1: Orte zur Pulsmessung
Pulsmessung am Handgelenk

Detallierte Anleitung zur Pulsmessung

Interpretation der Pulsmessungen

Die Interpretation der Herzfrequenz erfordert die Berücksichtigung mehrerer Faktoren:

  • Stärke und Charakter des Pulses
    • Die Amplitude und die Form der Pulskurve können auf kardiovaskuläre Anomalien hinweisen, wie z.B. eine schwache Pulsation bei niedrigerem Blutvolumen oder ein kräftiger Puls bei Hyperthyreose.
  • Ruheherzfrequenz
    • Eine erhöhte Ruheherzfrequenz (Tachykardie) kann auf Stress, Fieber, Anämie, Herzinsuffizienz oder andere Erkrankungen hinweisen. Eine niedrige Ruheherzfrequenz (Bradykardie) ist bei gut trainierten Athleten normal, kann aber auch auf bestimmte Herzerkrankungen oder Medikamente zurückzuführen sein.
  • Rhythmus
    • Ein regelmäßiger, gleichmäßiger Rhythmus ist normal, während ein unregelmäßiger Rhythmus (Arrhythmie) weiter untersucht werden sollte, da er auf Erkrankungen wie Vorhofflimmern hinweisen kann.

Klinische Bedeutung und Anwendungen

Die Überwachung der Herzfrequenz ist in vielen klinischen Situationen von entscheidender Bedeutung:

  • Akute Zustände
    • Bei der Notfallversorgung liefert der Puls sofortige Informationen über den Kreislaufstatus eines Patienten. Eine extrem hohe oder niedrige Herzfrequenz kann ein Indikator für schwere Zustände wie Schock, Herzinfarkt oder schwere Infektionen sein.
  • Chronische Erkrankungen
    • Bei der Behandlung chronischer Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, Bluthochdruck und Vorhofflimmern ist die kontinuierliche Überwachung der Herzfrequenz wichtig, um die Therapie zu steuern und Komplikationen zu vermeiden.
  • Anästhesie und Chirurgie
    • Während operativer Eingriffe und unter Anästhesie ist die Überwachung der Herzfrequenz unerlässlich, um hämodynamische Stabilität zu gewährleisten und auf Veränderungen im physiologischen Zustand des Patienten sofort reagieren zu können.

Pathophysiologie

Abnormale Pulsfrequenzen, wie Tachykardie und Bradykardie, können Hinweise auf zugrunde liegende kardiovaskuläre oder systemische Erkrankungen geben.

Tachykardie

Tachykardie bezeichnet eine erhöhte Herzfrequenz, die in Ruhe über 100 Schlägen pro Minute (bpm) liegt.

Pathophysiologie

Die Tachykardie entsteht durch eine erhöhte Erregungsbildung oder -leitung im Herzen. Sie kann aus einer Überaktivität des sympathischen Nervensystems, hormonellen Einflüssen oder pathologischen Veränderungen in den Herzmuskelzellen resultieren.

Mechanismen der Tachykardie

  • Erhöhte sympathische Aktivität
    ➜ Stress, Angst, körperliche Anstrengung oder Substanzen wie Koffein und Nikotin erhöhen die sympathische Stimulation des Herzens.
  • Hormonelle Einflüsse
    ➜ Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) kann die Herzfrequenz erhöhen.
  • Elektrolytstörungen
    ➜ Ungleichgewichte in Kalium, Kalzium oder Magnesium können die Erregungsleitung im Herz beeinflussen.
  • Pathologische Herzzustände
    Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz oder Kardiomyopathien können zu einer erhöhten Herzfrequenz führen.
  • Medikamente
    ➜ Bestimmte Medikamente wie Sympathomimetika oder Antiarrhythmika können Tachykardien verursachen.

Bradykardie

Bradykardie bezeichnet eine verringerte Herzfrequenz, die in Ruhe unter 60 Schlägen pro Minute liegt.

Pathophysiologie

Die Bradykardie entsteht durch eine reduzierte Erregungsbildung oder -leitung im Herzen. Sie kann durch eine erhöhte parasympathische Aktivität, pathologische Veränderungen im Reizleitungssystem oder systemische Erkrankungen bedingt sein.

Mechanismen der Bradykardie

  • Erhöhte parasympathische Aktivität
    ➜ Ruhige Zustände, Schlaf oder Vagusreizungen (z.B. durch Erbrechen).
  • Pathologische Herzzustände
    ➜ Erkrankungen des Sinusknotens (Sick-Sinus-Syndrom) oder des AV-Knotens (AV-Block).
  • Medikamente
    ➜ Betablocker, Kalziumkanalblocker oder Digitalispräparate können die Herzfrequenz senken.
  • Hypothyreose
    ➜ Schilddrüsenunterfunktion kann zu einer verminderten Herzfrequenz führen.
  • Elektrolytstörungen
    ➜ Hyperkalzämie oder Hypokaliämie können Bradykardien verursachen.

Zusammenfassung

Der Puls, oder Herzfrequenz, misst die Anzahl der Herzschläge pro Minute. Er entsteht durch rhythmische Kontraktionen des Herzens, die Druckwellen in den Arterien erzeugen. Die normale Ruheherzfrequenz liegt bei 60 – 80 bpm. Messmethoden umfassen Palpation, Auskultation, elektronische Geräte und Doppler-Ultraschall. Der Puls gibt Aufschluss über den kardiovaskulären Zustand und kann auf Erkrankungen wie Tachykardie, Bradykardie oder Arrhythmien hinweisen. Seine Überwachung ist entscheidend in Notfällen, bei chronischen Erkrankungen und während Operationen.

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