Esmarch-Blutleere

Wortart:
Substantiv, feminin
Aussprache (IPA):
[ɛsmaʁç ˈbluːtl̩ˌleːʁə]
Plural:
Esmarch-Blutleeren
Trennung:
Es|march-Blut|lee|re
Synonym:
Esmarche Blutleere
Englisch:
tourniquet ischemia
Namensgebung:
Friedich von Esmarch
Entdeckung
Friedich von Esmarch
Indikation:
Operationen an der Hand

Die Esmarchsche Blutleere ist eine chirurgische Technik zur Blutstillung, die es ermöglicht, Operationen in einem blutfreien Operationsfeld durchzuführen. Diese Methode wurde von Friedrich von Esmarch entwickelt und hat die Chirurgie revolutioniert, insbesondere in der Unfallchirurgie und Orthopädie.

Hintergrund

Friedrich von Esmarch (1823-1908) war ein bedeutender deutscher Chirurg und Militärarzt, der viele Beiträge zur Militärmedizin und Ersten Hilfe geleistet hat. Die nach ihm benannte Blutleere-Methode wird heute weltweit in verschiedenen chirurgischen Disziplinen eingesetzt.

Technik der Esmarschschen Blutleere

Ziel: Schaffung eines blutleeren Operationsfeldes, um eine bessere Sicht und weniger Blutverlust während chirurgischer Eingriffe zu ermöglichen.

Schritte zur Durchführung:

Anlage der Esmarch-Binde

  • Vorbereitung
    ➜ Das betroffene Gliedmaß wird in eine erhöhte Position gebracht, um das Blut in Richtung Körper zu entleeren.
  • Anlage der Binde
    ➜ Eine elastische Esmarch-Binde wird straff um das Gliedmaß gewickelt, beginnend von der distalen (fern vom Körper) zur proximalen (nahe am Körper) Seite. Dies verdrängt das Blut aus dem Gewebe und erzeugt eine relative Blutleere.

Anlage eines Tourniquets

  • Platzierung
    ➜ Ein Tourniquet (Blutdruckmanschette oder spezieller Druckverband) wird an der proximalen Seite des Gliedmaßes angelegt und aufgepumpt, um den Blutfluss zu blockieren.
  • Druckkontrolle
    ➜ Der Druck des Tourniquets sollte ausreichend sein, um den arteriellen Blutfluss zu stoppen, jedoch nicht so hoch, dass es zu Gewebeschäden kommt. Der übliche Druck beträgt etwa 100-150 mmHg über dem systolischen Blutdruck des Patienten.

Entfernung der Esmarch-Binde

Nachdem das Tourniquet angelegt und der Druck aufgebracht wurde, wird die Esmarch-Binde vorsichtig entfernt. Das Gliedmaß bleibt nun blutleer, da das Tourniquet den Blutfluss blockiert.

Durchführung der Operation

Das blutleere Operationsfeld ermöglicht eine klare Sicht und präzise chirurgische Eingriffe mit minimalem Blutverlust.

Anwendung und klinische Bedeutung

Indikationen

  • Orthopädische Chirurgie
    ➜ Besonders bei Operationen an den Extremitäten, wie Gelenkersatz, Frakturfixation oder Sehnenrekonstruktion.
  • Unfallchirurgie
    ➜ Bei der Behandlung von Verletzungen, die eine blutfreie Sicht auf das Operationsgebiet erfordern.
  • Plastische Chirurgie
    ➜ Für Eingriffe, bei denen eine präzise Gewebedissektion notwendig ist.

Vorteile

  • Bessere Sicht
    ➜ Ein blutfreies Operationsfeld ermöglicht eine klarere Sicht auf die anatomischen Strukturen.
  • Weniger Blutverlust
    ➜ Minimierung des intraoperativen Blutverlustes und Verringerung des Bedarfs an Bluttransfusionen.
  • Schnellere Operationen
    ➜ Verbesserte Effizienz und Genauigkeit der chirurgischen Eingriffe.

Komplikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Mögliche Komplikationen

  • Gewebeschäden
    ➜ Durch zu hohen Druck oder zu lange Anwendungsdauer des Tourniquets können Nervenschäden, Muskelnekrosen oder Druckstellen entstehen.
  • Thrombose
    ➜ Ein erhöhtes Risiko für Thrombosebildung bei unsachgemäßer Anwendung oder bei prädisponierten Patienten.
  • Reperfusionsverletzung
    ➜ Nach Entfernung des Tourniquets kann es zu einer Reperfusionsverletzung kommen, die durch eine plötzliche Rückkehr des Blutflusses verursacht wird.

Vorsichtsmaßnahmen

  • Druckkontrolle
    ➜ Regelmäßige Überprüfung und Anpassung des Tourniquetdrucks, um übermäßigen Druck zu vermeiden.
  • Zeitbegrenzung
    ➜ Begrenzung der Anwendungsdauer des Tourniquets auf maximal 90-120 Minuten, um das Risiko von Gewebeschäden zu minimieren.
  • Patientenüberwachung
    ➜ Kontinuierliche Überwachung des Patienten während der Anwendung, insbesondere der Blutzirkulation und Vitalparameter.

Cave: Die Blutleere darf höchstens 2 Stunden andauern. Gefahren sind Nervenschäden, Nachblutungen infolge der starken reaktiven Blutüberfüllung und ein Ödem.

Kontraindikationen

Absolute Kontraindikationen

  • Schwere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK)
    ➜ Bei Patienten mit signifikanter peripherer arterieller Verschlusskrankheit kann die Anwendung eines Tourniquets den Blutfluss weiter beeinträchtigen und zu Gewebeschäden oder Nekrose führen.
  • Thrombophlebitis oder akute tiefe Venenthrombose (TVT)
    ➜ Das Anlegen eines Tourniquets bei Patienten mit bestehender Thrombophlebitis oder TVT kann das Risiko einer Thrombusmobilisation und einer daraus resultierenden Lungenembolie erhöhen.
  • Infektionen oder Hautläsionen im Bereich der Tourniquetanwendung
    ➜ Das Anlegen eines Tourniquets über infizierte oder verletzte Hautbereiche kann das Infektionsrisiko erhöhen und die Heilung behindern.
  • Gefäßprothesen oder arterielle Bypässe
    ➜ Bei Patienten mit vaskulären Rekonstruktionen oder Gefäßprothesen in der betroffenen Extremität kann die Anwendung eines Tourniquets zu Schäden an diesen Strukturen führen.

Relative Kontraindikationen

  • Schwere periphere Neuropathie
    ➜ Patienten mit schwerer peripherer Neuropathie haben ein erhöhtes Risiko für Nervenschäden durch den Druck des Tourniquets.
  • Ungenügende Haut- und Weichteilabdeckung
    ➜ Bei Patienten mit unzureichender Weichteilabdeckung kann das Tourniquet direkten Druck auf Nerven und Knochen ausüben, was das Risiko für Druckstellen und Nervenschäden erhöht.
  • Kreislaufinsuffizienz
    ➜ Bei Patienten mit Herzinsuffizienz oder schwerer Kreislaufinstabilität kann die Anwendung eines Tourniquets zu einer weiteren Beeinträchtigung der hämodynamischen Stabilität führen.
  • Blutgerinnungsstörungen
    ➜ Patienten mit bekannten Blutgerinnungsstörungen (z.B. Hämophilie) haben ein erhöhtes Risiko für Blutungen nach der Entfernung des Tourniquets. Dies erfordert eine sorgfältige Abwägung und Überwachung.

Zusammenfassung

Die Esmarchsche Blutleere ist eine effektive chirurgische Technik zur Schaffung eines blutleeren Operationsfeldes, die eine bessere Sicht und weniger Blutverlust ermöglicht. Sie wird häufig in der Orthopädie und Unfallchirurgie angewendet und basiert auf der Verwendung der Esmarch-Binde und eines Tourniquets. Trotz ihrer Vorteile erfordert die Technik sorgfältige Anwendung und Überwachung, um Komplikationen zu vermeiden. Friedrich von Esmarchs Beitrag zur Chirurgie bleibt ein wesentlicher Bestandteil der modernen Medizin.

Quellen

  • Esmarch, F. (1873). Chirurgische Technik. Kiel: Verlag von Lipsius & Tischer.
  • Klenerman, L. (2003). „The Tourniquet in Surgery.“ Journal of Bone and Joint Surgery, 85-B(5), 709-714.
  • Noordin, S., McEwen, J. A., Kragh, J. F., Eisen, A., & Masri, B. A. (2009). „Surgical Tourniquets in Orthopaedics.“ Journal of Bone and Joint Surgery, 91(12), 2958-2967.
  • Patterson, T. J. S. (1983). „Esmarch and his bandage.“ British Medical Journal (Clinical Research Edition), 287(6408), 1936-1937.
  • Fitzgibbons, P. G., Digiovanni, C., Hares, S., Akelman, E., & Warner, J. J. (2012). „Safe tourniquet use: a review of the evidence.“ Journal of the American Academy of Orthopaedic Surgeons, 20(5), 310-319.