Herzauskultation

Wortart:
Substantiv, feminin
Aussprache (IPA):
[[ˌhɛɐ̯tsaʊ̯skʊlˈtaːtsi̯oːn]
Adjektiv:
herzauskultatorisch
Plural:
Herzauskultationen
Trennung:
Her|zaus|kul|ta|ti|on
Synonym:
kardiale Auskultation
Englisch:
cardiac auscultation, heart auscultation

Die Auskultation des Herzens ist ein grundlegendes diagnostisches Verfahren in der klinischen Medizin, das eine wertvolle Methode zur Beurteilung der Herzfunktion darstellt. Für medizinisches Personal ist das Verständnis der Techniken und der Interpretation der auskultatorischen Befunde entscheidend, um kardiale Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Anatomische Grundlagen

Das Herz ist ein muskuläres Organ, das aus vier Hauptkammern besteht: zwei Vorhöfen (Atrien) und zwei Hauptkammern (Ventrikeln). Diese Kammern sind durch vier Herzklappen voneinander getrennt: die Trikuspidalklappe zwischen dem rechten Vorhof und dem rechten Ventrikel, die Pulmonalklappe zwischen dem rechten Ventrikel und den Pulmonalarterien, die Mitralklappe zwischen dem linken Vorhof und dem linken Ventrikel und die Aortenklappe zwischen dem linken Ventrikel und der Aorta. Diese Klappen gewährleisten einen unidirektionalen Blutfluss und verhindern Rückfluss. Jede Herzklappe hat spezifische anatomische Eigenschaften und Funktionen, die sich in den auskultatorischen Befunden widerspiegeln können.

Auskultatorische Punkte

Die auskultatorischen Punkte, an denen die Herzgeräusche am besten zu hören sind, sind:

  • Aortenklappenpunkt
    • Im zweiten Interkostalraum rechts des Sternums.
  • Pulmonalklappenpunkt
    • Im zweiten Interkostalraum links des Sternums.
  • Trikuspidalklappenpunkt
    • Im vierten Interkostalraum links des Sternums.
  • Mitralklappenpunkt
    • Im fünften Interkostalraum links der Medioklavikularlinie (gedachte Linie, die senkrecht durch die Mitte des Schlüsselbeins läuft).
  • Erb’scher Punkt
    • Im dritten Interkostalraum links des Sternums.

Diese Punkte sind nicht die anatomischen Positionen der Klappen, sondern die Orte, an denen die Geräusche dieser Klappen am besten auf die Thoraxwand projiziert werden. Der Erb’sche Punkt ist besonders wichtig, da hier die Geräusche aller vier Herzklappen gut zu hören sind und oft auch zusätzliche Herzgeräusche wie das diastolische Murmeln der Aorteninsuffizienz oder das systolische Murmeln einer Aortenstenose gut erfasst werden können.

Herzklappen Auskultationsorte
Abb. 1.1: Auskultatorische Punkte der Herzklappen

Techniken der Auskultation

  • Ruhige Umgebung
    • Eine ruhige Umgebung ist essenziell, um störende Hintergrundgeräusche zu minimieren. Der Raum sollte so eingerichtet sein, dass der Patient entspannt und in verschiedenen Positionen untersucht werden kann.
  • Patientenlagerung
    • Der Patient sollte in verschiedenen Positionen untersucht werden, einschließlich sitzend, liegend und in Linksseitenlage. Dies ermöglicht es, verschiedene Herzgeräusche optimal zu hören, da sich die Schallwellen in diesen Positionen unterschiedlich ausbreiten.

Stethoskopwahl

Ein qualitativ hochwertiges Doppelkopfstethoskop ist entscheidend und sollte über eine Membran und einen Schalltrichter verfügen:

  • Membran
    ➜ Für hochfrequente Geräusche wie die Herzklappentöne und die meisten Herzgeräusche.
  • Schalltrichter
    ➜ Für niederfrequente Geräusche wie beim Galopprhythmus

Reihenfolge der Auskultation

  • Mit der Membran geninnen
    ➜ Am Aortenklappenpunkt starten sich systematisch zu den anderen Auskulationspunkten vorarbeiten. Dabei auf hochfrequente Geräusche achten.
  • Wechsel zum Schalltrichter
    ➜ Den Vorgang mit dem Trichter wiederholen, um niederfrequente Töne zu erfassen.

Techniken und Manöver zur Verstärkung von Herzgeräuschen

  • Atemmanöver
    ➜ Bestimmte Atemmanöver können helfen, Herzgeräusche besser hörbar zu machen. Den Patienten tief einatmen und den Atem anhalten lassen, oder tief ausatmen und den Atem anhalten lassen. Dies kann helfen, Herzgeräusche wie das Splitten des zweiten Herztons besser zu hören.
  • Positionsveränderungen
    ➜ Den Patienten in Linksseitenlage oder sitzend mit leicht nach vorne gebeugtem Oberkörper untersuchen. Dies kann besonders hilfreich sein, um Geräusche der Mitral- oder Aortenklappe zu hören.
  • Valsalva-Manöver
    ➜ Den Patienten gegen geschlossene Glottis pressen lassen, um den intrathorakalen Druck zu erhöhen. Dies kann bestimmte Herzgeräusche, wie die von hypertropher obstruktiver Kardiomyopathie (HOCM), verstärken oder vermindern.

Herztöne und Herzgeräusche

Normale Herztöne

  • Erster Herzton (S1)
    ➜ Der S1-Ton entsteht durch den Verschluss der Mitral- und Trikuspidalklappen zu Beginn der Systole. Er ist am lautesten am Mitral- und Trikuspidalklappenpunkt zu hören und signalisiert den Beginn der Systole.
  • Zweiter Herzton (S2)
    ➜ Der S2-Ton entsteht durch den Verschluss der Aorten- und Pulmonalklappen zu Beginn der Diastole. Ein gesplitteter S2-Ton kann physiologisch sein oder pathologisch auf eine verzögerte Schließung einer der Klappen hinweisen.

Abnormale Herztöne und Geräusche

  • Dritter Herzton (S3)
    ➜ Ein niederfrequenter Ton, der kurz nach S2 in der frühen Diastole auftritt. Bei jungen Menschen kann er normal sein, bei älteren Patienten deutet er oft auf eine Herzinsuffizienz oder eine Volumenüberlastung hin.
  • Vierter Herzton (S4)
    ➜ Ein niederfrequenter Ton, der kurz vor S1 in der späten Diastole auftritt und typischerweise bei eingeschränkter ventrikulärer Compliance, wie bei Hypertrophie oder Ischämie, zu hören ist.
  • Herzgeräusche
    ➜ Diese entstehen durch turbulente Blutströmungen, die durch Stenosen oder Insuffizienzen der Herzklappen verursacht werden. Sie werden nach ihrem Timing (systolisch oder diastolisch), ihrer Intensität, ihrem Pitch und ihrer Position beschrieben:
    • Systolische Geräusche
      ➜ Häufiger und können durch Aortenstenose, Mitralinsuffizienz oder Ventrikelseptumdefekte verursacht werden.
    • Diastolische Geräusche
      ➜ Weniger häufig und oft schwerwiegender, können durch Aorteninsuffizienz oder Mitralstenose verursacht werden.

Interpretation der Befunde

Die korrekte Interpretation der auskultatorischen Befunde erfordert Erfahrung und ein tiefes Verständnis der kardiovaskulären Physiologie und Pathophysiologie. Es ist wichtig, die Herzgeräusche im Kontext der gesamten klinischen Untersuchung und der Anamnese zu betrachten. Die Auskultation liefert wertvolle Hinweise, die durch weiterführende Untersuchungen wie Echokardiographie (EKG) ergänzt werden sollten, um eine genaue Diagnose zu stellen.

Praktische Tipps für die Auskultation

  • Vorbereitung
    Sicherstellen, dass der Raum ruhig ist und der Patient entspannt atmet.
  • Systematik: Einer systematischen Vorgehensweise folgen, um sicherzustellen, dass kein Bereich verpasst wird.
  • Variation der Positionen: Untersuchung des Patienten in verschiedenen Positionen und Atemphasen.
  • Kombination mit anderen Untersuchungstechniken: Palpation und Perkussion verwenden, um die auskultatorischen Befunde zu bestätigen und zu ergänzen.

Zusammenfassung

Die Auskultation des Herzens ist ein wesentliches diagnostisches Verfahren, das es medizinischem Personal ermöglicht, Herzgeräusche zu identifizieren und kardiale Pathologien zu diagnostizieren. Der Prozess erfordert ein tiefes Verständnis der Herzfunktion, spezifischer auskultatorischer Punkte und der Verwendung eines Stethoskops.Eine ruhige Umgebung ist entscheidend. Der Patient sollte in verschiedenen Positionen untersucht werden (sitzend, liegend, Linksseitenlage), und sowohl das Diaphragma als auch die Glocke des Stethoskops sollten verwendet werden, um unterschiedliche Frequenzen von Herzgeräuschen zu erfassen. Die Untersuchung sollte an festgelegten auskultatorischen Punkten erfolgen: Aortenklappenpunkt, Pulmonalklappenpunkt, Trikuspidalklappenpunkt und Mitralklappenpunkt. Eine systematische Vorgehensweise stellt sicher, dass keine wichtigen Befunde übersehen werden.

Quellen

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  • M. T. Wang, „Echocardiography: Principles and Applications“, Journal of Clinical Ultrasound, vol. 48, no. 3, pp. 181-190, 2019.