Schmerzskala

Wortart:
Substantiv, feminun
Aussprache (IPA):
[ʃmɛʁtsˌʃkaːla]
Plural:
Schmerzskalen
Trennung:
Schmerz|ska|la
Englisch:
pain scale

Schmerz ist ein komplexes und multidimensionales Phänomen, das physische, emotionale und kognitive Komponenten umfasst. Für medizinisches Personal ist es unerlässlich, den Schmerz ihrer Patienten genau zu beurteilen, um eine angemessene Behandlung und Pflege zu gewährleisten. Schmerzskalen sind dabei ein entscheidendes Instrument, um die Intensität und Qualität des Schmerzes systematisch und objektiv zu erfassen.

Definition

Eine Schmerzskala ist ein Instrument zur quantitativen und qualitativen Erfassung der Schmerzintensität, um die Schmerzerfahrungen von Patienten systematisch zu bewerten. Sie umfasst numerische, visuelle oder beschreibende Methoden, wie die Numerische Schmerzskala (NRS), die Visuelle Analogskala (VAS) und die Gesichter-Schmerzskala (Wong-Baker FACES).

Grundlegende Konzepte der Schmerzbewertung

Subjektivität des Schmerzes

Schmerz ist eine subjektive Erfahrung, die stark von individuellen Faktoren wie Alter, Geschlecht, kulturellem Hintergrund, psychischem Zustand und bisherigen Schmerzerfahrungen beeinflusst wird. Daher ist die genaue Erfassung und Dokumentation der Schmerzerfahrung eines Patienten eine Herausforderung, die sorgfältige Methoden und Werkzeuge erfordert.

Ziele der Schmerzbewertung

Die Hauptziele der Schmerzbewertung sind:

  • Quantifizierung der Schmerzintensität
  • Identifikation der Schmerzursache
  • Bewertung der Auswirkungen des Schmerzes auf das tägliche Leben des Patienten
  • Überwachung der Wirksamkeit der Schmerzbehandlung

Häufig verwendete Schmerzskalen

Numerische Schmerzskala (NRS)

Die numerische Schmerzskala (NRS) ist eine weit verbreitete Methode zur Schmerzbewertung, bei der Patienten gebeten werden, ihre Schmerzen auf einer Skala von 0 bis 10 zu bewerten. Diese Skala ist einfach anzuwenden und erfordert keine speziellen Hilfsmittel. Sie eignet sich besonders gut für Patienten, die in der Lage sind, ihre Schmerzen verbal zu kommunizieren.

Anwendung

  • Patienten werden gefragt, ihre Schmerzintensität auf einer Skala von 0 (kein Schmerz) bis 10 (stärkster vorstellbarer Schmerz) anzugeben.
  • Vorteile: Schnell, einfach, keine speziellen Hilfsmittel erforderlich.
  • Nachteile: Subjektivität der Bewertung, abhängig von der verbalen Kommunikationsfähigkeit des Patienten.

Visuelle Analogskala (VAS)

Die visuelle Analogskala (VAS) ist eine weitere gängige Methode, bei der Patienten auf einer 10 cm langen Linie die Schmerzintensität markieren sollen. Diese Linie ist an einem Ende mit „kein Schmerz“ und am anderen Ende mit „stärkster vorstellbarer Schmerz“ markiert.

Anwendung

  • Patienten markieren auf der Linie den Punkt, der ihrer aktuellen Schmerzintensität entspricht.
  • Vorteile: Hohe Präzision, sensitiv für kleine Änderungen in der Schmerzintensität.
  • Nachteile: Erfordert kognitive Fähigkeiten und Verständnis von Konzepten wie Linienlängen.

Gesichter-Schmerzskala (Wong-Baker FACES Pain Rating Scale)

Diese Skala verwendet eine Reihe von Gesichtern, die unterschiedliche Schmerzgrade darstellen, von einem lächelnden Gesicht (kein Schmerz) bis zu einem weinenden Gesicht (stärkster Schmerz). Sie ist besonders nützlich für Kinder und Patienten mit eingeschränkten Kommunikationsfähigkeiten.

Anwendung

  • Patienten wählen das Gesicht, das am besten ihren aktuellen Schmerz widerspiegelt.
  • Vorteile: Visuelle Darstellung, leicht verständlich für Kinder und nicht-verbale Patienten.
  • Nachteile: Weniger präzise als numerische Skalen, kulturelle Unterschiede in der Interpretation von Gesichtsausdrücken.

Verbale Rating-Skala (VRS)

Die verbale beschreibende Skala verwendet Worte wie „kein Schmerz“, „mild“, „moderat“, „stark“ oder „unerträglich“, um die Schmerzintensität zu beschreiben.

Anwendung

  • Patienten werden gebeten, ihren Schmerz anhand der vorgegebenen Wörter zu beschreiben.
  • Vorteile: Einfach zu verwenden, keine visuellen Hilfsmittel erforderlich.
  • Nachteile: Weniger präzise, abhängig von der verbalen Ausdrucksfähigkeit des Patienten.

Schmerzskalen für spezielle Patientengruppen

Behavioral Pain Scale (BPS)

Die Behavioral Pain Scale (BPS) ist speziell für intubierte, bewusstlose oder schwer kranke Patienten entwickelt worden, die nicht in der Lage sind, ihren Schmerz verbal auszudrücken.

Anwendung

  • Die Skala bewertet drei Verhaltensparameter: Gesichtsausdruck, obere Gliedmaßen und Compliance mit Beatmung.
  • Jeder Parameter wird von 1 (keine Reaktion) bis 4 (maximale Reaktion) bewertet.
  • Vorteile: Objektive Bewertung von Schmerz bei nicht kommunikationsfähigen Patienten.
  • Nachteile: Erfordert geschultes Personal zur korrekten Anwendung und Interpretation.

Pain Assessment in Advanced Dementia (PAINAD) Skala

Die PAINAD-Skala ist für die Bewertung von Schmerz bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz entwickelt worden, die nicht in der Lage sind, ihren Schmerz verbal auszudrücken.

Anwendung

  • Bewertet fünf Verhaltensparameter: Atmung, negative vokale Äußerungen, Gesichtsausdruck, Körpersprache und Trostbedürfnis.
  • Jeder Parameter wird von 0 (keine Schmerzreaktion) bis 2 (starke Schmerzreaktion) bewertet.
  • Vorteile: Speziell für demenzkranke Patienten entwickelt, leicht anwendbar im klinischen Alltag.
  • Nachteile: Erfordert Beobachtung über einen Zeitraum, subjektive Interpretation möglich.

Klinik: Anwendung der Schmerzskalen

Kinder und ältere Patienten

Kinder und ältere Patienten stellen besondere Herausforderungen bei der Schmerzbewertung dar. Kinder haben oft Schwierigkeiten, ihre Schmerzen verbal auszudrücken, und ältere Patienten können kognitive Einschränkungen haben, die die Bewertung erschweren.

Kinder

  • Gesichter-Schmerzskala und Farbschmerzskala sind oft am besten geeignet.
  • Wichtig ist die Einbeziehung der Eltern oder Betreuer in die Schmerzbewertung.

Ältere Patienten

  • Verbale Beschreibungen und Verhaltensbeobachtungen können nützlicher sein.
  • Skalen wie die Pain Assessment in Advanced Dementia (PAINAD) Skala können hilfreich sein.

Patienten mit Kommunikationsschwierigkeiten

Für Patienten, die nicht verbal kommunizieren können, wie z.B. Patienten mit schweren kognitiven Einschränkungen oder Sprachbarrieren, sind alternative Methoden erforderlich.

Anwendung

  • Beobachtungsskalen, die auf Verhaltensänderungen und physiologischen Indikatoren basieren, können verwendet werden.
  • Beispiele: Behavioral Pain Scale (BPS), PAINAD-Skala.

Schmerzbewertung: Herausforderungen & Überlegungen

Subjektivität und Interpretation

Die Subjektivität des Schmerzes bedeutet, dass unterschiedliche Personen denselben Schmerz unterschiedlich bewerten können. Es ist wichtig, dass medizinisches Personal diese Subjektivität anerkennt und sich bemüht, die individuellen Schmerzerfahrungen der Patienten zu verstehen und zu respektieren.

Kulturelle und sprachliche Unterschiede

Kulturelle und sprachliche Unterschiede können die Schmerzbewertung beeinflussen. Es ist wichtig, kulturelle Sensibilität zu bewahren und gegebenenfalls Dolmetscher oder kulturell angepasste Schmerzskalen zu verwenden.

Fortlaufende Schulung

Regelmäßige Schulungen und Fortbildungen für medizinisches Personal sind unerlässlich, um die korrekte Anwendung der Schmerzskalen sicherzustellen und das Bewusstsein für deren Bedeutung zu schärfen.

Praktische Tipps

  • Regelmäßige Bewertung
    • Schmerz sollte regelmäßig und systematisch bewertet werden, insbesondere bei Patienten mit chronischen Schmerzen oder nach Operationen.
  • Dokumentation
    • Eine genaue Dokumentation der Schmerzbewertungen ist entscheidend für die Überwachung des Schmerzzustands und die Anpassung der Behandlung.
  • Patienten einbeziehen
    • Patienten sollten in den Bewertungsprozess einbezogen und über die verwendeten Skalen und Methoden informiert werden.
  • Interdisziplinäre Zusammenarbeit
    • Eine enge Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Pflegekräften, Physiotherapeuten und anderen Fachkräften ist wichtig, um eine umfassende Schmerzbehandlung zu gewährleisten.

Zusammenfassung

Schmerzskalen sind ein unverzichtbares Werkzeug im Gesundheitswesen, um die Schmerzintensität zu messen und eine adäquate Schmerzbehandlung zu gewährleisten. Durch die Verwendung verschiedener Skalen können medizinische Fachkräfte die Schmerzerfahrungen ihrer Patienten besser erfassen und individualisierte Behandlungspläne erstellen. Die kontinuierliche Schulung und Sensibilisierung für die richtige Anwendung dieser Skalen ist entscheidend für eine effektive Schmerztherapie und die Verbesserung der Lebensqualität der Patienten.

Quellen

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