Erregungsleitungssystem des Herzens

Wortart:
Substantiv, maskulin
Aussprache (IPA):
[ɛˈʁeːɡʊŋsˌlaɪ̯tʊŋsˌzʏsˌteːm]
Trennung:
Er|re|gungs|lei|tungs|sys|tem
Synonym:
Reizleitungssystem, Reizbildungssystem, Erregungsbildungssystem, Systema conducens cordis, Complexus stimulans cordis
Englisch:
conduction system of the heart

Das Erregungsleitungssystem des Herzens ist entscheidend für die koordinierten Kontraktionen des Herzmuskels und somit für die effiziente Pumpfunktion des Herzens. Dieses System besteht aus spezialisierten Zellen (Schrittmacherzelle), die elektrische Impulse erzeugen und weiterleiten, wodurch die rhythmischen Kontraktionen der Vorhöfe und Ventrikel ermöglicht werden. Es ist unverzichtbar für den koordinierten Kontraktionsablauf (Systole/Diastole) des Herzens.

Anatomie

Bei den Zellen des Erregungsleitungssystems handelt es sich um Herzmuskelzellen, die durch einen modifizierten Aufbau gekennzeichnet sind. Sie besitzen weniger Myofibrillen und daher auch eine weniger stark ausgeprägte Querstreifung. Sie sind flüssigkeitsreich und enthalten im Vergleich zu normalen Herzmuskelzellen mehr Glykogen.

Illustration der Erregungsleitung des Herzens

Strukturen des Erregungsleitungssystem des Herzens

Das Erregungsleitungssystem des Herzens umfasst mehrere Schlüsselstrukturen:

Sinusknoten (No­dus sinua­tria­lis)

  • Lage
    ➜ Oberhalb der Einmündung der Vena cava superior im rechten Vorhof.
  • Funktion
    ➜ Primärer Schrittmacher des Herzens, erzeugt spontane elektrische Impulse mit einer Frequenz von 60-100 Schlägen pro Minute in Ruhe., Reizweiterleitung an den AV-Knoten

AV-Knoten (Atrioventrikularknoten)

  • Lage
    ➜ Am Boden des rechten Vorhofs, nahe der Vorhofscheidewand.
  • Funktion
    ➜ Sekundärer Schrittmacher des Herzens, verzögert die Weiterleitung der Impulse, um sicherzustellen, dass die Vorhöfe vollständig kontrahieren und die Ventrikel gefüllt sind, bevor diese kontrahieren. Frequenz: 40-60 Schläge pro Minute., Reizweiterleitung an das His-Bündel

His-Bündel (Fa­scicu­lus atrioventricula­ris)

  • Lage
    ➜ Verlauf durch das Herzskelett zur Ventrikelseite.
  • Funktion
    ➜ Leitet die Impulse vom AV-Knoten in die Ventrikel weiter und teilt sich in die rechten und linken Tawara-Schenkel
  • Namensgebung
    ➜ deutsche Internisten Wilhelm His (1863 – 1934)

Tawara-Schenkel

  • Lage
    ➜ im muskulösen Abschnitt des Kammerseptums als rechter und linker Schenkel verlaufend
  • Funktion
    ➜ Leiten die Impulse zu den Purkinje-Fasern weiter, wobei der linke Schenkel sich in einen vorderen und hinteren Faszikel aufteilt.
  • Namensgebung
    ➜ japanische Pathologen Sunao Tawara (1873 – 1952)

Purkinje-Fasern

  • Lage
    ➜ als Endaufzweigung der Tawara-Schenkeln in der Kammermuskulatur
  • Funktion
    ➜ Übertragen die Impulse an die Ventrikelmuskulatur und ermöglichen eine schnelle und koordinierte Kontraktion der Ventrikel. Frequenz: 20-40 Schläge pro Minute.
  • Namensgebung
    ➜ böhmische Pathologe und Physiologe Jan Evangelista Purkyně (1787 – 1869)

Elektrophysiologie des Herzens

Das Herz arbeitet durch ein fein abgestimmtes Zusammenspiel von Depolarisation und Repolarisation der Herzmuskelzellen:

  • Depolarisation
    • Diese Phase wird durch den schnellen Einstrom von Natriumionen in die Zellen eingeleitet, was zu einem plötzlichen positiven Anstieg des Membranpotentials führt.
  • Plateau-Phase
    • Hierbei kommt es zu einem Einstrom von Calciumionen und einem verzögerten Ausstrom von Kaliumionen, wodurch die Kontraktion der Herzmuskelzellen ermöglicht wird.
  • Repolarisation
    • Der Ausstrom von Kaliumionen führt zu einer Rückkehr des Membranpotentials zum Ruhepotential, wodurch die Zellen auf die nächste Depolarisation vorbereitet werden.

Klinische Relevanz

Ein fehlerfreies Funktionieren des Erregungsleitungssystems ist essentiell für die Aufrechterhaltung eines normalen Herzrhythmus. Störungen in diesem System können zu einer Vielzahl von Arrhythmien führen:

  • Sinusarrhythmie
    • Unregelmäßigkeiten in der Impulsbildung des SA-Knotens.
  • AV-Block
    • Verzögerung oder Unterbrechung der Impulsübertragung durch den AV-Knoten. Dieser wird in verschiedene Grade unterteilt, je nach Schwere der Blockierung.
  • Tachykardie
    • Abnorm hohe Herzfrequenz, die aus einer übermäßigen Impulsbildung oder -weiterleitung resultieren kann.
  • Bradykardie
    • Abnorm niedrige Herzfrequenz, oft durch eine Beeinträchtigung der Impulsbildung oder -weiterleitung.

Diagnostik und Behandlung

Die Diagnostik von Störungen im Erregungsleitungssystem erfolgt häufig durch ein Elektrokardiogramm (EKG), das die elektrischen Aktivitäten des Herzens aufzeichnet. Hierbei können Abweichungen von der normalen Herzfrequenz und -rhythmus erkannt werden.

Behandlungsmöglichkeiten

  • Medikamentöse Therapie
    ➜ Antiarrhythmika, Betablocker und Kalziumkanalblocker können zur Regulation der Herzfrequenz und -rhythmus eingesetzt werden.
  • Elektrische Therapie
    ➜ Herzschrittmacher und Defibrillatoren können zur Stabilisierung des Herzrhythmus implantiert werden.
  • Interventionelle Verfahren
    ➜ Katheterablation zur gezielten Zerstörung von abnormalem Herzgewebe, das Arrhythmien verursacht.

Zusammenfassung

Das Erregungsleitungssystem des Herzens umfasst spezialisierte Herzmuskelzellen, die elektrische Impulse erzeugen und weiterleiten, um eine koordinierte Kontraktion der Herzmuskulatur zu gewährleisten. Es beginnt im Sinusknoten (dem primären Schrittmacher) im rechten Vorhof, der Impulse erzeugt, die sich durch die Vorhöfe ausbreiten und den AV-Knoten erreichen. Vom AV-Knoten aus werden die Impulse über das His-Bündel in die rechten und linken Tawara-Schenkel und schließlich in die Purkinje-Fasern weitergeleitet, die die Ventrikel zur Kontraktion anregen. Dieses System sichert den synchronisierten Herzschlag und eine effektive Blutpumpe.

Quellen

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