Dekubitus

Ein Dekubitus (auch Druckgeschwür) entsteht durch Druck oder eine Kombination aus Druck und Scherkräften. Der andauernde Druck verhindert eine physiologische Durchblutung und somit die Versorgung des Gewebes mit Sauerstoff und Nährstoffen.
Wortart:
Substantiv, maskulin
Aussprache (IPA):
[deˈkuːbitʊs]
Plural:
Dekubitūs,Dekubitalulcera, Dekubiti
Trennung:
De|ku|bi|tus
Synonym:
Dekubitalulcus, Druckgeschwür, Drucknekrose, Wundliegegeschwür
Englisch:
decubitus, pressure ulcer
Abstammung:
latein.: dēcumbere = sich niederlegen
ICD-Klassifikation:
L89.0, L89.1, L89.2, L89.3, L89.9
Med. Fachgebiet:

Dekubitus, auch bekannt als Druckgeschwür oder Wundliegen, ist eine lokale Schädigung der Haut und/oder des darunterliegenden Gewebes, die typischerweise über knöchernen Vorsprüngen auftritt und durch anhaltenden Druck oder Scherkräfte verursacht wird. Es handelt sich um eine ernsthafte Erkrankung, die erhebliche Morbidität verursachen kann und sowohl im klinischen als auch im häuslichen Pflegeumfeld häufig vorkommt.

Definition

Dekubitus, auch Druckgeschwür genannt, ist eine lokal begrenzte Schädigung der Haut und/oder des darunterliegenden Gewebes, meist über knöchernen Vorsprüngen. Verursacht durch anhaltenden Druck oder Scherkräfte, tritt es häufig bei immobilen Patienten auf und erfordert präventive Maßnahmen sowie eine umfassende Behandlung zur Vermeidung schwerer Komplikationen.

Epidemiologie

Dekubitus tritt in verschiedenen Pflegeeinrichtungen unterschiedlich häufig auf. Die Prävalenz reicht von etwa 5% in der Akutpflege bis zu 20% in der Langzeitpflege. Besonders gefährdet sind ältere Menschen, Patienten mit eingeschränkter Mobilität, neurologischen Erkrankungen oder chronischen Krankheiten.

In den meisten Fälle ist die Entstehung eines Dekubitus als Pflegefehler anzusehen.

Pathophysiologie

Der Hauptmechanismus, der zur Entstehung eines Dekubitus führt, ist der anhaltende Druck, der den Blutfluss zu den betroffenen Geweben vermindert. Dies führt zu einer Ischämie und letztlich zu einer Gewebeschädigung. Scherkräfte und Reibung können die Schädigung verschlimmern, indem sie die Hautschichten verschieben und Mikrorisse verursachen, die die Integrität der Hautbarriere beeinträchtigen.. Man unterscheidet

  • Druck von außen ➜ durch Falten im Bettlaken oder der Kleidung, Schienen, Katheter, Sonden etc.
  • Druck von innen ➜ bei Knochen, die nur wenig von Fett- und Muskelgewebe umgeben sind (z.B. die Fersen)

Bei der Entstehung eines Dekubitus spielen drei Faktoren eine Rolle:
Druck (Auflagedruck) und Scherkräfte
Dauer (Druckverweildauer) und Intensität
Disposition (Risikofaktoren)

Prädilektionsstellen für Dekubitus: Gefährdete Körperstellen

Je nach Position des Patienten sind einige Körperstellen für ein Wundliegen besonders gefährdet. Hier spricht man von den sogenannte Prädilektionsstellen. Hierbei handelt es sich um Stellen, bei denen ein bestimmtes Krankheitsbild bevorzugt auftritt.

Typischen Prädilektionsstellen für einen Dekubitus

  • Ohren
  • Hinterkopf
  • Schultergelenk und Schulterblatt
  • Wirbelsäule
  • Ellenbogen
  • Becken / Hüfte
  • Steißbein
  • Kniegelenk
  • Fersen
  • Fußknöchel

Dekubitus Prädilektionsstellen: Rückenlage

Dekubitus Prädilektionsstellen: Rückenlage

Patienten in Rückenlage entwickeln oft an folgende Körperstellen einen Dekubitus:

  • Hinterkopf (auch Hinterhauptsbein)
  • Schultern
  • Ellenbogen
  • Steißbein / Kreuzbein / Sitzbein / Po / Analfalte (Rina ani)
  • Fersen

Dekubitus Prädilektionsstellen: Bauchlage

Patienten in Bauchlage entwickeln oft an folgende Körperstellen einen Dekubitus:

  • Stirn
  • Jochbein
  • Schultergelenke
  • Brustbein / Brust
  • Ellenbogen
  • Darmbeinstachel
  • Kniescheiben
  • Fußspitzen

Dekubitus Prädilektionsstellen: Seitenlage (90°)

Dekubitus Prädilektionsstellen: Seitenlage (90°)

Patienten in Seitenlage entwickeln oft an folgende Körperstellen einen Dekubitus:

  • Jochbein
  • Ohr
  • Schultergelenk
  • Rippen
  • Ellenbogen
  • Großer Rollhügel
  • Kniegelenke
  • Wadenbein
  • Seitliche Knöchel

Dekubitus Prädilektionsstellen: Im Sitzen

Dekubitus Prädilektionsstellen: Im Sitzen

Patienten in sitzender Position entwickeln oft an folgende Körperstellen einen Dekubitus:

  • Hinterkopf
  • Schulterblätter
  • Dornfortsätze
  • Ellenbogen
  • Sitzbeinhöcker
  • Fersen

Risikofaktoren

Bei der Entstehung eines Dekubitus spielen viele Faktoren eine Rolle. Sie lassen sich mittels Assessmentinstrumenten wie der Norton-Skala oder der Braden-Skala einschätzen. Eine Unterteilung der Risikofaktoren kann in intrinsische und extrinsische Faktoren vorgenommen werden.

Intrinsische Faktoren

  • Alter
    ➜ Die Haut älterer Menschen weist erhebliche Veränderungen in Ihrer Struktur auf und ist verletzlicher. Ältere Menschen leiden zudem oft an diversen Grunderkrankungen, die sich negativ auf die Dekubitusentstehung auswirken. Diese Personengruppe trinkt in der Regel wenig und es kommt im gesamten zu einer starken Reduzierung des Allgemeinzustandes.
  • Exsikkose
    ➜Ältere Menschen trinken aufgrund eines verminderten Durstgefühls oft zu wenig. Es kommt zur Exsikkose. Dabei ist die Haut noch anfälliger und kann sich aufgrund des Flüssigkeitsmangels im Extra- und Intrazellularraum langsamer von Schäden erholen.
  • Reduzierte Mobilität
    ➜Durch das lange Liegen auf dem Gewebe kommt es zur Komprimierung und in Folge zur Azidose im Gewebe.
  • Gewicht
    ➜Kachektische wie auch adipöse Patienten weisen ein erhöhtes Dekubitusrisiko auf. Ursächlich hierfür sind anatomische und physikalische Faktoren.
  • Stoffwechsel- und neurologische Erkrankungen
    ➜Langjährige Diabetikern weisen oft eine Reihe von Folgeerkrankungen auf, die die Entstehung eines Dekubitus begünstigen können. Hierzu zählen Neuropathien sowie Mikro- und Makroangiopathien.
  • Neuropathien
    ➜Neuropathien führen dazu, dass der Patient keinen Druckschmerz wahrnimmt.
  • Mangelernährung
    ➜Mangelernährung führt zu einer Reduzierung des Allgemeinzustandes. Es fehlen wichtige Proteine, die zur Wundheilung nötig sind.
  • Inkontinenz
    ➜Eine Inkontinenz begünstigt eine überdurchschnittliche Feuchtigkeit auf der Haut des Analbereichs, die zur Mazeration führen kann.
  • Infektion
    ➜Infektionen wirken negativ auf den Stoffwechsel und schwächen die körpereigene Immunabwehr.

Extrinsische Faktoren

  • Druck
    ➜Die Kapillaren werden nicht mehr ausreichend durchblutet, wenn der Druck der Kapillaren (25-35 mmHg) überschritten wird.
  • Dauer
    ➜Es reichen oft 1-2 Stunden stetigen Drucks für eine Entstehung eines Dekubitus aus. Je nach Druckintensität können erste Gewebeschädigungen schon nach einer halben Stunde beobachtet werden
  • Scherkräfte
    ➜Die verschiedenen Gewebeschichten verschieben sich gegeneinander (Scherung). Die obersten Hautschichten folgen einer Bewegung (Positionsänderung im Bett), die unteren folgen jedoch nicht. Dies führt zu einer Behinderung der Mikrozirkulation, gewebeschädigenden Prozesse werden beschleunigt.
  • Körperhygiene
    ➜Mangelnde oder übertriebene, unsachgemäße Körperhygiene kann zu einer Schädigung der Haut führen.
  • Feuchtigkeit
    ➜Durch Feuchtigkeit kommt es zum Aufquellen der Epidermis und begünstigt ein erhöhtes Verletzungsrisiko
  • Medikamente
    ➜Hier sind vor allem Analgetika, Opioide, Muskelrelaxantien und Narkotika zu nennen.
  • Lagerung
    ➜Fehlerhafte oder gar keine Lagerung führt zu einer Komprimierung des Gewebes, es kommt zu einer Minderdurchblutung und in Folge zu einer Azidose.
  • Hebe- und Lagerungstechnik
    ➜Durch fehlerhafte Hebe- und Lagerungstechniken kann es zu einer übermäßigen Belastung des Gewebes kommen und die Hautschichten können sich voneinander trennen. Weiter kann es zu einer noch stärkeren Belastung des Gewebes kommen.

Einteilungen

Schweregrad (EPUAP 2010)

  • Grad I
    ➜ Nicht wegdrückbare, umschriebene Rötung bei intakter Haut, gewöhnlich über einem knöcheren Vorsprung. Der Bereich kann schmerzempfindlich, verhärtet, weich, wärmer oder kälter sein als das umgebene Gewebe. Feststellbar mittels Fingertest nach Phillips.
  • Grad II
    ➜ Teilzerstörung der Haut – bis zur Dermis – die als flaches, offenes Ulkus mit einem rot bis rosafarbenen Wundbett ohne Beläge in Erscheinung tritt. Es kann sich auch als intakte oder offene/rupturierte, serumgefüllte Blase darstellen.
  • Grad III
    ➜ Zerstörung aller Hautschichten. Subkutanes Fettgewebe kann sichtbar werden, jedoch keine Knochen, Muskeln oder Sehnen. Es können Beläge, Tunnel oder Unterminierungen vorliegen.
  • Grad IV
    ➜ Totaler Gewebsverlust mit freiliegenden Knochen, Sehnen oder Muskeln. Beläge und Schorf können vorkommen. Tunnel oder Unterminierungen liegen oft vor.

Schweregrad (Shea 1975)

  • Grad I
    ➜ Lokale Rötung ohne Hautschädigung. Verschwindet jedoch auch nicht nach entsprechender Druckentlastung.
  • Grad II
    ➜ Schädigung der Haut, Ablösung der Epithelschicht (Blase).
  • Grad III
    ➜ Schädigung aller Gewebsschichten. Tiefe Nekrose.
  • Grad IV
    ➜ Mitbeteiligung des Knochens mit der Gefahr der Osteomyelitis

Prävention

Die Prävention von Dekubitus ist von entscheidender Bedeutung und umfasst mehrere Maßnahmen:

Wichtige Faktoren

  • Risiko erkennen
    ➜ Assessmentinstrumenten wie die Norton- oder Braden-Skala nutzen
  • Gewebsschonende Bewegungs-, Lagerungs- und Transfertechniken
  • Lagerung
    ➜ Regelmäßige Lagerungen (Mikro- und Makrolagerung) in einem festen Zeitintervall (z.B. alle 2 Stunden)
  • Hilfsmittel
    ➜ Weichlagerungsmatratzen, Wechseldrucksysteme und MikroStimulations-Systemen
  • Gewebetoleranz fördern
    ➜ gute Hautpflege hat oberste Priorität (Einsatz von Wasser-in-Öl-Lotionen)
  • Ernährung
    ➜ gute und ausgewogene Ernährung beeinflusst die Risikofaktoren positiv
  • Bettklima
    ➜ keine Fremdkörper im Bett, Mazeration der Haut und damit auch das Risiko einer Dekubitusentstehung bei einem nassgeschwitzten Bett
  • Schulen und Anleiten
    ➜ Wissensdefizite von Patienten und Angehörigen druch gutes Schulen und Anleiten beseitigen
  • Kontinuität der Versorgung
    ➜ prophylaktische Maßnahmen konsequent und kontinuierlich durchführen
  • Evaluation der Prophylaxen
    ➜ Maßnahmen zur Dekubitusprophylaxe regelmäßig und engmaschig überprüften und ggf. anpassen

Behandlung

Die Behandlung von Dekubitus hängt vom Schweregrad der Läsion ab:

  • Grad I und II
    • Druckentlastung, lokale Wundpflege, Verwendung von Barrierecremes und Verbänden, um die Haut zu schützen und die Heilung zu fördern.
  • Grad III und IV
    • Erfordert oft eine intensivere Pflege, einschließlich Debridement (chirurgische Entfernung von nekrotischem Gewebe), fortgeschrittener Wundversorgung mit speziellen Verbänden oder Vakuumtherapie und möglicherweise chirurgische Eingriffe wie Hauttransplantationen.

Wundmanagement

Das Management von Dekubituswunden erfordert eine multidisziplinäre Herangehensweise:

  • Wundreinigung
    • Regelmäßige Reinigung der Wunde mit steriler Kochsalzlösung oder anderen geeigneten Lösungen.
  • Verwendung von Verbänden
    • Verschiedene Verbände wie Hydrokolloide, Schaumverbände oder Alginatverbände, abhängig vom Exsudationsgrad und der Wundtiefe.
  • Infektionskontrolle
    • Überwachung auf Anzeichen einer Infektion und rechtzeitige Anwendung von Antibiotika bei Bedarf.
  • Schmerzmanagement
    • Effektive Schmerztherapie zur Verbesserung des Patientenkomforts und zur Förderung der Heilung.

Dokumentation und Überwachung

Eine sorgfältige Dokumentation des Wundzustands, einschließlich Größe, Tiefe, Exsudationsgrad und Fortschritt, ist entscheidend. Regelmäßige Beurteilungen helfen, den Heilungsprozess zu überwachen und die Behandlung entsprechend anzupassen.

Pflege bei Dekubitus

Die Pflege bei Dekubitus umfasst präventive und therapeutische Maßnahmen zur Vermeidung und Behandlung von Druckgeschwüren. Dazu gehören regelmäßige Lagerungswechsel, Hautinspektionen, die Verwendung druckentlastender Hilfsmittel, eine ausgewogene Ernährung, sowie die sorgfältige Wundversorgung und Schmerzmanagement.

Zusammenfassung

Dekubitus, auch bekannt als Druckgeschwür, ist eine lokal begrenzte Schädigung der Haut und/oder des darunterliegenden Gewebes, typischerweise über knöchernen Vorsprüngen. Diese entsteht durch anhaltenden Druck, Scherkräfte oder Reibung, die den Blutfluss vermindern und zu Gewebeschäden führen. Risikofaktoren sind Immobilität, Feuchtigkeit, Unterernährung und bestimmte Erkrankungen wie Diabetes. Prävention umfasst regelmäßige Positionsveränderungen, Druckentlastungshilfen und sorgfältige Hautpflege. Behandlung richtet sich nach dem Schweregrad und reicht von Druckentlastung bis zu chirurgischen Eingriffen.

Bei diesem Artikel handelt es sich um ein Gesundheitsthema. Er dient weder der Selbstdiagnose noch ersetzt er eine Diagnose durch einen Arzt. Bitte zusätzlich den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten!

Quellen

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  • Coleman, S., Gorecki, C., Nelson, E.A., Closs, S.J., Defloor, T., Halfens, R., Farrin, A., Brown, J., Schoonhoven, L. and Nixon, J., 2013. Patient risk factors for pressure ulcer development: systematic review. International Journal of Nursing Studies, 50(7), pp.974-1003.
  • European Pressure Ulcer Advisory Panel (EPUAP), National Pressure Injury Advisory Panel (NPIAP), and Pan Pacific Pressure Injury Alliance (PPPIA), 2019. Prevention and Treatment of Pressure Ulcers/Injuries: Clinical Practice Guideline. The International Guideline.
  • Jaul, E., 2010. Assessment and management of pressure ulcers in the elderly: current strategies. Drugs & Aging, 27(4), pp.311-325.
  • National Institute for Health and Care Excellence (NICE), 2014. Pressure ulcers: prevention and management. [online] Verfügbar: https://www.nice.org.uk/guidance/cg179 [Zugriff: 12. August 2024].