Delir (Delirium)

Beim Delir handelt es sich um ein komplexes hirnorganisches Syndrom (Sonderform einer akuten organischen psychischen Störung), welches durch eine akute Beeinträchtigung des qualitativen Bewusstseins, der Aufmerksamkeit, der kognitiven Fähigkeiten (inkl. Wahrnehmung, Denken, Gedächtnis), der Psychomotorik, des Schlaf-Wach-Rhythmus und der Emotionalität gekennzeichnet ist.
Wortart:
Substantiv, Neutrum
Aussprache (IPA):
[delˈiːᵄ]
Plural:
Delirien, Deliria
Trennung:
De|lir
Synonym:
Delirium, delirantes Syndrom
Englisch:
delirium
Abstammung:
latein: delirare = von der geraden Linie abweichen, verrückt sein
ICD-Klassifikation:
F05, F05.1, F05.8, F05.9, F10.4, F11.4, F12.4, F13.4, F14.4, F15.4, F16.4, F17.4, F18.4, F19.4
Med. Fachgebiet:

Beim Delir handelt es sich um ein komplexes hirnorganisches Syndrom (Sonderform einer akuten organischen psychischen Störung), welches durch eine akute Beeinträchtigung des qualitativen Bewusstseins, der Aufmerksamkeit, der kognitiven Fähigkeiten (inkl. Wahrnehmung, Denken, Gedächtnis), der Psychomotorik, des Schlaf-Wach-Rhythmus und der Emotionalität gekennzeichnet ist. Das Alkoholentzugsdelir (auch Delirium tremens) wird, aufgrund der klinischen, diagnostischen sowie therapeutischen Besonderheiten, gesondert behandelt ⇒ Alkoholentzugsdelir.

Risikofaktoren und Ursachen

Einem Delir können viele verschiedene Ursachen zu Grunde liegen. Folgende Gründe und Risikofaktoren sind häufig verantwortlich für diese Form der Erkrankung:

Risikofaktoren

  • höheres Lebensalter
  • Erkrankungen des ZNS (zentralen Nervensystems) wie Demenz (z. B. Alzheimer), Morbus Parkinson, Apoplex (Schlaganfall), Hirnblutung, Hirntumor, Epilepsie, Gehirn- und Hirnhautentzündung (Meningitis), Schädel-Hirn-Trauma (SHT)
  • Eingeschränktes Hör- und Sehvermögen
  • gewissen Umweltfaktoren, z. B. Langes Liegen im Krankenhaus, Verlegung in ein anderes Zimmer, keine Orientierung zu Datum und Zeit, wenig Besuch von Familie und Freunden
  • psychische und körperliche Belastungen, z. B. Schmerzen, Stress, Schlaf- und Druchschlafstörungen
  • Mangelernährung, Vitaminmangel
  • Medikamenteneinnahme (z.B. Wechsel- und Nebenwirkung bei der Einnahme vieler verschiedener Präparate)

Ursachen

  • Infektionen, z. B. Pneumonie, Harnwegsinfekt (HWI), Sepsis, Gehirn- und Hirnhautentzündung (Meningitis)
  • Postoperativ (Durchgangssyndrom)
  • Elektrolytmangel (z. B. Natriummangel)
  • Exsikkose und Flüssigkeitsmangel (z.B. Durchfall ➜ der Körper verliert viel Flüssigkeit und wichtige Elektrolyte)
  • Hypoxie (Sauerstoffmnngel)
  • Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes, Schilddrüsenüber- oder Schilddrüsenunterfunktion)
  • Drogen (z.B. Alkohol)
  • Alkoholentzug (bei Abhängigkeit) ➜ Alkoholentzugsdelir
  • Benzodiazepinentzug (bei Abhängigkeit) ➜ Benzodiazepinentzugsdelir
  • Medikamenteneinnahme (z.B. Wechsel- und Nebenwirkung bei der Einnahme vieler verschiedener Präparate)
  • Schmerzmittel (Analgetikum) ➜ Bei der Ersteinnahme und beim Absetzen

Symptome

Symptome eines Delirs
8 häufige Symptome eines Delirs: Verwirrtheit, Hypertonie/Tachykardie, Fieber, Zittern, Halluzinationen/Ängste, Unruhe, Reizbarkeit, Schwitzen

Psychische Symptom

Delirien treten meist innerhalb von Stunden bis Tagen auf und machen sich in der Regel durch die folgende Symptome bemerkbar:

  • Unruhe
  • Reizbarkeit und Irretabilität (erhöhte Bereitschaft für negative emotionale Reaktionen)
  • Ängstlichkeit und Schlafstörungen

Im weiteren Verlauf können Verwirrtheit, Orientierungslosigkeit und Ratlosigkeit auftreten. Patienten mit ausgeprägtem Delir verspüren eine vollkommene Desorientiertheit. Weiter sind Merkfähigkeit und und Auffassungsgabe spürbar reduziert. Das Denken ist unzusammenhängend (inkohärent), das Verhalten zeichnet sich durch Agitation und Desorganisation aus.

Erschwerend können fluktuierende (schwankende) Bewusstseinsstörungen auftreten, die von leichter Schläfrigkeit und Benommenheit bis zur deutlichen Bewusstseinseintrübung gekennzeichnet sein können. Die Vielzahl der betroffenen Personen ist jedoch trotz Bewusstseinseintrübung unruhig. Hier treten häufig Symptome wie Nesteln oder das Ausführen sinnloser Bewegungen auf.

Der Schlaf-/Wachrhythmus ist erheblich gestört, es kann zu optischen Halluzinationen, zu einem illusionären Verkennen und zu wahnhaften Situationsverkennungen kommen. Patienten können sinnlos euphorisch (begeisterter Gemütszustand) meist jedoch dysphorisch (gereizte, missmutige Stimmung) und ängstlich erscheinen.

Körperlich-vegetative Symptome

Die psychischen Symptome können beim Delir zu vegetativen Störungen führen, die durchaus lebensbedrohliche Ausmaße erreichen können. Dies kann häufig beim Alkoholentzugsdelir, in schwächerer Form auch beim Benzodiazepinentzugsdelir der Fall sein. Patienten zittern, schwitzen an den Händen und weisen einen schnellen Puls (Tachykardie), sowie einen hohen Blutdruck (Hypertonie) auf. Erschwerend können epileptische Anfälle in Form von Grand-mal-Anfällen auftreten (überwiegend beim Alkoholentzugs- und Benzodiazepinentzugsdelir). Die häufigen Delirien, die in Folge internistisch-neurologischer Störungen vorkommen, treten ohne vegetative Entgleisungen auf.

Cave: Ein Delir kann lebensbedrohliche Ausmaße annehmen und bedarf einer Akutbehandlung. Je nach Schweregrad des Delirs kann die Behandlung auf der Intensivstation indiziert sein.

Diagnostik

Die die Symptome eines Delirs denen einer Demenz ähneln, ist eine Diagnose häufig schwierig. Der Umstand, dass viele Demenz erkrankte Personen ein Delir entwickeln, macht die Diagnose oft schwierig. Parkinson-Patienten leiden oft unter delirähnlichen Zuständen, die ein hohes Fachwissen bei der Diagnostik erfordert.

Der behandlnde Arzt wird zuerst die Angehörige, im Rahmen einer Anamnese, befragen, da Patienten mit einem Delir häufig nicht in der Lage sind, Auskunft über Symptome zu geben. Folgende Informationen sind hierbei wichtig:

  • Art, Dauer und Intensität der Symptome
  • Verstärkte Symptome am späten Nachmittag, Abend, Nacht? („Sundowning-Syndrom“)
  • vorliegende Grunderkrankungen
  • eingenommenen Medikamente, Substanzen, Alkohol und Drogen
  • körperliche Belastungen ➜ z.B. Postoperative Phase
  • psychische Belastungen ➜ z.B. Stress, Trauma
  • Vorzustand des Patienten
  • Schlafverhalten

Bei einer anschließenden körperlichen und neurologischen Untersuchung sind folgende Punkte wichtig:

  • Herzauskultation (kardiale Auskultation)
  • Blutdruck und Puls
  • Flüssigkeitsversorgung
  • Ernährungszustand
  • Körper auf Auffälligkeiten abtasten
  • Temperaturmessung
  • Prüfung des Bewusstseins- und Aufmerksamkeitszustand sowie der Orientierung
  • Prüfung von Sprache
  • Halluzinationen
  • Agitation (krankhafte Unruhe)
  • Blutuntersuchung ➜ z. B. Elektrolyte, Entzündungsparameter
  • Elektrokardiografie (EKG)
  • Herzultraschall (Echokardiografie)
  • Elektroenzephalografie (EEG ➜ Messung der Gehirnströme)
  • Computertomografie (CT)
  • Magnetresonanztomografie (MRT = Kernspintomografie)

Therapie

Ist die Diagnose erfolgt, geht es in erster Linie um die Ursachenbekämpfung des Delirs, sofern hierfür therapeutische Möglichkeiten zur Verfügung stehen.

  • Flüssigkeitssubstitution bei Exsikkose
  • Stabilisierung des Kreislaufs bei Blutdruckschwankungen
  • antibiotische oder antivirale Therapie bei einer Enzephalitis (Entzündungen im Bereich des Zentralen Nervensystems: des Gehirns, der Gehirnhäute und des Rückenmarks)

Symptomatische Therapie

Zur Behandlung der psychischen Symptome gehört der Einsatz von Neuroleptika mit geringern anticholinergen Wirkung (Wirkungen, die sich aus der Hemmung des Neurotransmitters Acetylcholin ergeben). Der Einsatz erfolgt in geringen Dosen. Hierzu zählen beispielsweise:

  • Risperidon (Risperdal)
  • Pipamperon (Dipiperon)
  • Melperon (Eunerpan)
  • Haloperidon (Haldol)
  • Clomethiazol (Distraneurin)

Verlauf

  • Leichte delirante Bilder wie zum Beispiel nächtliche Blutdruckschwankungen klingen häufig nach Stunden wieder ab.
  • Ausgeprägte Delirien klingen, bei entsprechender Behandlung und bei gutem Verlauf, im Zeitraum von 1 bis 3 Wochen ab.

Ist das Delir abgeklungen, bleiben manchmal leichte kognitive Störungen über einen längeren Zeitraum zurück. Hin und wieder bilden sich deutliche kognitive Beeinträchtigungen, die der Symptomatik einer Demenz entsprechen.

Pflege bei Delir (Delirium)

Die Pflege von Patienten mit Delir erfordert eine umfassende, ganzheitliche Herangehensweise, die auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten abgestimmt ist. Prävention, frühzeitige Erkennung und angemessene Interventionen sind entscheidend, um die Prognose zu verbessern und die Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten. Ein interdisziplinäres Team und kontinuierliche Schulungen des Pflegepersonals spielen hierbei eine zentrale Rolle.

Zusammenfassung

Delir ist eine komplexe, multifaktorielle Erkrankung, die eine umfassende, interdisziplinäre Pflege und Behandlung erfordert. Durch frühzeitige Erkennung, präventive Maßnahmen und gezielte Interventionen kann die Prognose und Lebensqualität der betroffenen Patienten erheblich verbessert werden. Kontinuierliche Schulungen und eine gute Zusammenarbeit im Behandlungsteam sind hierbei von zentraler Bedeutung.

Bei diesem Artikel handelt es sich um ein Gesundheitsthema. Er dient weder der Selbstdiagnose noch ersetzt er eine Diagnose durch einen Arzt. Bitte zusätzlich den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten!

Quellen

  • Titelbild: Arzt mit Delirium-Schild (Shutterstock.com – Yuriy K)
  • Haupt, W. F., & Gouzoulis-Mayfrank, E. (2016). Neurologie und Psychiatrie für Pflegeberufe (W. F. Haupt & E. Gouzoulis-Mayfrank, Hrsg.; 11. Aufl.). Thieme.
  • Delir. (17.03.2023). Amboss.com. Abgerufen 23. März 2023, von https://www.amboss.com/de/wissen/Delir/
  • Delir. (09.08.2021). USZ; Universitätsspital Zürich. https://www.usz.ch/krankheit/delir/ (Abgerufen am 27.03.2023)