Herzinsuffizienz

Die Herzinsuffizienz (Herzschwäche), ist ein klinisches Syndrom, das durch die Unfähigkeit des Herzens gekennzeichnet ist, ausreichend Blut zu pumpen, um den metabolischen Bedürfnissen des Körpers gerecht zu werden.
Wortart:
Substantiv, feminin
Aussprache (IPA):
[ˈhɛʁt͡sʔɪnzufiˌt͡si̯ɛnt͡s]
Plural:
Herzinsuffizienzen
Trennung:
Herz|in|suf|fi|zi|enz
Synonym:
Herzschwäche
Englisch:
congestive heart failure, chronic heart failure (CHF)
ICD-Klassifikation:
I13.0-, I50.0-, I50.1-, I50.9
Med. Fachgebiet:

Die Herzinsuffizienz (Herzschwäche), ist ein klinisches Syndrom, das durch die Unfähigkeit des Herzens gekennzeichnet ist, ausreichend Blut zu pumpen, um den metabolischen Bedürfnissen des Körpers gerecht zu werden. Es ist ein bedeutendes Gesundheitsproblem weltweit und betrifft Millionen von Menschen. Die Prävalenz der Herzinsuffizienz nimmt mit dem Alter zu und stellt eine der häufigsten Ursachen für Krankenhausaufenthalte bei älteren Erwachsenen dar.

Definition

Herzinsuffizienz, auch als Herzschwäche bekannt, beschreibt den Zustand, bei dem das Herz nicht mehr in der Lage ist, ausreichend Blut in den Körper zu pumpen, um den Sauerstoffbedarf der Organe zu decken. Dies führt zu Symptomen wie Atemnot, Müdigkeit und Flüssigkeitsansammlungen, insbesondere in den Beinen. Die Ursachen sind oft Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit oder Herzinfarkte. Unbehandelt kann Herzinsuffizienz zu schweren Komplikationen wie Organversagen führen.

Die WHO definiert die Herzinsuffizienz als verminderte körperliche Belastbarkeit aufgrund einer ventrikulären Funktionsstörung.

Epidemiologie

Die Herzinsuffizienz betrifft etwa 1-2% der erwachsenen Bevölkerung in entwickelten Ländern, wobei die Prävalenz bei Personen über 70 Jahren auf über 10% ansteigt. In Deutschland wird geschätzt, dass etwa 2-3 Millionen Menschen an Herzinsuffizienz leiden. Die Mortalität ist trotz Fortschritten in der Therapie hoch, mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von etwa 50%.

Ursachen

Häufige Ursachen

  • Koronare Herzkrankheit (KHK) (Myokardinfarkt, Ischämie)
  • Arterielle Hypertonie
  • Vorhofflimmern
  • Myokarditis

Seltenere Ursachen

  • Kardiomyopathien (dilatativ: toxisch, z.B. Alkohol, Medikamente, Drogen; hypertroph, mit oder ohne Obstruktion; restriktiv)
  • Herzklappenfehler (angeboren/erworben),
  • High-Output-Failure (Anämie, Thyreotoxikose, AV-Fisteln)
  • Perikarderkrankungen
  • Lungenembolie
  • Hämochromatos

Pathophysiologie

Grundlagen der Herzfunktion

Das Herz ist eine Pumpe, die aus vier Kammern besteht: zwei Vorhöfen und zwei Ventrikeln. Die Hauptfunktion des Herzens besteht darin, Blut durch den Körper zu pumpen, um Sauerstoff und Nährstoffe zu den Geweben zu transportieren und Stoffwechselabfälle zu entfernen. Dies wird durch die koordinierte Kontraktion und Entspannung des Herzmuskels erreicht, die durch das elektrische Leitungssystem des Herzens gesteuert wird.

Mechanismen der Herzinsuffizienz

Die Herzinsuffizienz kann durch eine Vielzahl von Mechanismen verursacht werden, die entweder die systolische oder die diastolische Funktion des Herzens beeinträchtigen. Bei der systolischen Dysfunktion, die typischerweise bei der Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) auftritt, ist die Kontraktionsfähigkeit des Herzens vermindert, was zu einer reduzierten Ejektionsfraktion führt. Dies kann durch Myokardschäden aufgrund von Ischämie, Myokarditis oder toxischen Einflüssen verursacht werden.

Die diastolische Dysfunktion, die bei der Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF) vorherrscht, ist durch eine beeinträchtigte Relaxation und erhöhte Steifheit des linken Ventrikels gekennzeichnet. Dies führt zu erhöhten Füllungsdrücken und Symptomen der Herzinsuffizienz trotz erhaltener systolischer Funktion. Ursachen hierfür können hypertensive Herzkrankheit, hypertrophe Kardiomyopathie und altersbedingte Veränderungen des Herzmuskels sein.

Kompensationsmechanismen des Körpers

Der Körper versucht, die verminderte Herzleistung durch verschiedene Kompensationsmechanismen auszugleichen. Dazu gehören die Aktivierung des sympathischen Nervensystems, das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) und die Freisetzung von natriuretischen Peptiden. Diese Mechanismen führen zu einer erhöhten Herzfrequenz, Vasokonstriktion und Natrium- und Wasserretention, was kurzfristig die Herzleistung unterstützt, langfristig jedoch zur weiteren Verschlechterung der Herzfunktion beitragen kann.

Klassifikation der Herzinsuffizienz

Eine Herzinsuffizienz lässt sich grob unterteilen in

  • kompensierte Herzinsuffizienz
    • Beschwerden treten nur unter Belastung auf
  • dekompensierte Herzinsuffizienz
    • Bescherden treten bereits in körperlicher Ruhe auf

Eine differenzierte Unterteilung des klinischen Schwergrads ist mithilfe der 4 NYHA-Stadien möglich:

NYHA-Stadien

Die New York Heart Association (NYHA)-Klassifikation teilt die Herzinsuffizienz in vier Klassen ein, basierend auf dem Schweregrad der Symptome und der Beeinträchtigung der körperlichen Aktivität:

  • NYHA I
    ➜ Keine Einschränkung der körperlichen Aktivität. Normale Aktivität verursacht keine Symptome.
  • NYHA II
    ➜ Leichte Einschränkung der körperlichen Aktivität. Beschwerdefrei in Ruhe, aber normale körperliche Aktivität verursacht Symptome.
  • NYHA III
    ➜ Deutliche Einschränkung der körperlichen Aktivität. Beschwerdefrei in Ruhe, aber geringere als normale körperliche Aktivität verursacht Symptome.
  • NYHA IV
    ➜ Beschwerden bereits in Ruhe, jegliche körperliche Aktivität verschlimmert die Symptome.

Einteilung nach Lokalisation

Je nachdem, welcher Teil des Herzens betroffen ist, unterscheidet man:

  • Rechtsherzinsuffizienz
    ➜ Rechte Herzkammer betroffen
  • Linksherzinsuffizienz
    ➜ Linke Herzkammer betroffen
  • Globalherzinsuffizienz
    ➜ Beide Herzkammern betroffen

AHA (American Heart Association) – Stadien

  • Stadium A
    ➜ Hohes Herzinsuffizienzrisiko, da Faktoren vorliegen, die stark mit der Entstehung einer Herzinsuffizienz assoziiert sind; keine strukturelle Herzerkrankung, noch nie Herzinsuffizienzsymptome
  • Stadium B
    ➜ Strukturelle Herzerkrankung, die eng mit der Entstehung einer Herzinsuffizienz assoziiert ist, bisher keine Herzinsuffizienzsymptome
  • Stadium C
    ➜ Frühere oder derzeitige Herzinsuffizienzsymptome bei struktureller Herzerkrankung
  • Stadium D
    ➜ Fortgeschrittene strukturelle Herzerkrankung und schwere Herzinsuffizienzsymptome in Ruhe trotz maximaler medikamentöser Therapie (spezielle Therapie erforderlich, z. B. Herztransplantation, Katecholamine i. v., Kunstherz)

Einteilung nach Ejektionsfraktion

Die Einteilung der Herzinsuffizienz nach Ejektionsfraktion umfasst:

  • HFrEF (Heart Failure with reduced Ejection Fraction)
    ➜ Ejektionsfraktion < 40%
  • HFpEF (Heart Failure with preserved Ejection Fraction)
    ➜ Ejektionsfraktion ≥ 50%
  • HFmrEF (Heart Failure with mid-range Ejection Fraction)
    ➜ Ejektionsfraktion 40-49%

Diese Einteilung hilft, unterschiedliche pathophysiologische Mechanismen und therapeutische Ansätze zu identifizieren.

Einteilung nach Hämodynamik

  • Vorwärtsversagen
    ➜ Die Auswurfleistung des Herzens herabgesetzt, die Körperperipherie wird nicht mehr ausreichend versorgt
  • Rückwärtsversagen
    ➜ Die Auswurfleistung des Herzens ist normal und die Körperperipherie wird versorgt. Es kommt jedoch zu einem Blutrückstau vor dem rechten und/oder linken Ventrikel

Einteilung nach Herzzeitvolumen

  • Low-Output-Failure
    ➜ erniedrigtes Herzzeitvolumen und manifeste periphere Sauerstoffminderversorgung
  • High-Output-Failure
    ➜ erhöhtes oder normales Herzzeitvolumen und manifeste periphere Sauerstoffminderversorgung

Ätiologische Einteilung

Herzinsuffizienz kann nach ihrer Ursache eingeteilt werden, einschließlich:

  • Ischämische Kardiomyopathie: aufgrund von koronarer Herzkrankheit
  • Hypertensive Herzkrankheit: durch Bluthochdruck
  • Valvuläre Herzkrankheit: infolge von Klappenerkrankungen
  • Kardiomyopathien: idiopathisch, genetisch oder toxisch bedingt
  • Inflammatorische Herzkrankheit: Myokarditis
  • Endokrin bedingt: z.B. Hyperthyreose, Diabetes mellitus

Diagnostik

Anamnese und klinische Untersuchung

Die Anamnese sollte Symptome wie Dyspnoe, orthopnoe, paroxysmale nächtliche Dyspnoe, Müdigkeit und periphere Ödeme umfassen. Risikofaktoren wie Hypertonie, Diabetes, koronare Herzkrankheit und familiäre Vorgeschichte sind ebenfalls wichtig. Die klinische Untersuchung kann Hinweise wie Jugularvenenstauung, pulmonale Rasselgeräusche, periphere Ödeme und einen dritten Herzton (S3) ergeben.

Bildgebende Verfahren

Die Echokardiographie ist der Goldstandard in der Bildgebung zur Beurteilung der Herzfunktion, einschließlich der Ejektionsfraktion, der ventrikulären Größe und Wandbewegungen, sowie zur Erkennung von Klappenerkrankungen. Die Magnetresonanztomographie (MRT) kann zusätzliche Informationen liefern, insbesondere bei der Beurteilung von Myokardnarben und der Gewebebeschaffenheit.

Labordiagnostik

Natriuretische Peptide wie BNP (B-Typ natriuretisches Peptid) und NT-proBNP sind wichtige Biomarker in der Diagnostik und Prognose der Herzinsuffizienz. Erhöhte Werte korrelieren mit der Schwere der Erkrankung und sind nützlich in der Differenzialdiagnose von Dyspnoe.

Weitere diagnostische Tests

Weitere Tests können eine Belastungstestung, eine invasive Hämodynamik (Rechtsherzkatheter) und eine Koronarangiographie umfassen, insbesondere bei Verdacht auf ischämische Herzkrankheit.

Therapie

Medikamentöse Therapie

Die medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz zielt darauf ab, Symptome zu lindern, die Prognose zu verbessern und die Lebensqualität zu erhöhen. Zu den Hauptklassen der Medikamente gehören:

  • ACE-Hemmer und Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker (ARBs)
    ➜ Reduzieren die Nachlast und verhindern die Remodeling-Prozesse des Herzens.
  • Betablocker
    ➜ Verbessern die Überlebensrate und reduzieren die Hospitalisierungen.
  • Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten (MRAs)
    ➜ Wirken den schädlichen Effekten von Aldosteron entgegen.
  • Diuretika
    ➜ Helfen bei der Symptomkontrolle durch Reduktion der Flüssigkeitsretention.
  • SGLT2-Inhibitoren
    ➜ Haben sich kürzlich als wirksam in der Verbesserung der Prognose erwiesen, sowohl bei HFrEF als auch bei HFpEF.

Nicht-medikamentöse Maßnahmen

Lebensstiländerungen wie salzarme Diät, Gewichtsreduktion und regelmäßige körperliche Aktivität sind wesentliche Bestandteile des Managements. Patienten sollten auch über die Bedeutung der Adhärenz zur medikamentösen Therapie und die Erkennung von Exazerbationssymptomen informiert werden.

Interventionelle und chirurgische Therapien

In bestimmten Fällen können interventionelle oder chirurgische Maßnahmen notwendig sein:

  • Herztransplantation
    ➜ Für ausgewählte Patienten mit terminaler Herzinsuffizienz.
  • Linksventrikuläre Unterstützungssysteme (LVADs)
    ➜ Als Überbrückung bis zur Transplantation oder als Langzeittherapie.
  • Resynchronisationstherapie (CRT)
    ➜ Bei Patienten mit ventrikulärer Dyssynchronie.
  • Implantierbare Kardioverter-Defibrillatoren (ICDs)
    ➜ Zur Prävention des plötzlichen Herztodes.

Innovative Therapieansätze und Forschung

Neue Therapieansätze wie Gen- und Zelltherapien, sowie die Erforschung neuer pharmakologischer Targets, sind Gegenstand intensiver Forschung und könnten in Zukunft die Behandlung der Herzinsuffizienz revolutionieren.

Prognose und Komplikationen

Prognosefaktoren

Die Prognose bei Herzinsuffizienz variiert stark und hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der Ätiologie, dem Schweregrad der Symptome, der Ejektionsfraktion und der Begleiterkrankungen. Biomarker wie BNP und NT-proBNP sowie Bildgebungsbefunde sind ebenfalls wichtige prognostische Indikatoren.

Häufige Komplikationen

Vorhofflimmern ist eine häufige Komplikation bei Patienten mit Herzinsuffizienz und erhöht das Risiko für Thromboembolien und Schlaganfall. Andere Komplikationen umfassen ventrikuläre Arrhythmien, Niereninsuffizienz und kardiogene Schockzustände.

Management von Komplikationen

Das Management von Komplikationen erfordert häufig eine interdisziplinäre Herangehensweise, einschließlich der Anpassung der medikamentösen Therapie, interventioneller Maßnahmen und manchmal auch palliativmedizinischer Unterstützung.

Prävention

Primärprävention

Die Primärprävention der Herzinsuffizienz konzentriert sich auf die Modifikation von Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Hyperlipidämie und Rauchen. Regelmäßige körperliche Aktivität und eine gesunde Ernährung spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle.

Sekundärprävention

Die Sekundärprävention zielt darauf ab, Exazerbationen der Herzinsuffizienz zu verhindern und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. Dies beinhaltet die optimale medikamentöse Therapie, regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen und die Schulung der Patienten im Umgang mit ihrer Erkrankung.

Zukunftsperspektiven und Forschung

Die Forschung in der Herzinsuffizienz konzentriert sich auf die Entwicklung neuer Medikamente, die Verbesserung der bestehenden Therapieansätze und die Erforschung der genetischen und molekularen Grundlagen der Erkrankung. Zukünftige Entwicklungen könnten auch personalisierte Therapieansätze umfassen, die auf die spezifischen Bedürfnisse und genetischen Profile der Patienten abgestimmt sind.

Pflege bei Herzinsuffizienz

Die Herzinsuffizienz (Herzschwäche), ist eine chronische Erkrankung, die zu einer Vielzahl von Symptomen führen kann und eine umfassende Pflege und Behandlung durch medizinisches Personal nötig macht, um die Lebensqualität der Patienten zu verbessern und Krankenhausaufenthalte zu reduzieren.

Zusammenfassung

Herzinsuffizienz ist eine komplexe und vielseitige Erkrankung, die eine interdisziplinäre Herangehensweise in der Diagnostik und Therapie erfordert. Trotz der Fortschritte in der Behandlung bleibt die Prognose für viele Patienten ungünstig, was die Notwendigkeit weiterer Forschung und innovativer Therapieansätze unterstreicht. Die Prävention und frühzeitige Erkennung von Risikofaktoren sind entscheidend, um die Inzidenz und die Belastung durch Herzinsuffizienz zu reduzieren.

Bei diesem Artikel handelt es sich um ein Gesundheitsthema. Er dient weder der Selbstdiagnose noch ersetzt er eine Diagnose durch einen Arzt. Bitte zusätzlich den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten!

Quellen

  • Faller, A., & Schünke, M. (2016). Der Körper des Menschen: Einführung in Bau und Funktion (A. Faller & M. Schünke, Hrsg.; 17. Aufl.). Thieme.
  • Urban & Fischer Verlag (Hrsg.). (2006). Roche Lexikon Medizin Sonderausgabe (5. Aufl.). Urban & Fischer in Elsevier.
  • Andreae, S. (Hrsg.). (2008). Lexikon der Krankheiten und Untersuchungen (2. Aufl.). Thieme.