Lyme-Borreliose

Wortart:
Substantiv, feminin
Aussprache (IPA):
[laɪ̯məbɔʁeˌli̯oːzə]
Plural:
Lyme-Borreliosen
Trennung:
Ly|me-Bor|re|lio|se
Synonym:
Lyme-Krankheit, Lyme-Erkrankung
Englisch:
Lyme disease, Lyme borreliosis
ICD-Klassifikation:
A69.2
Med. Fachgebiet:

Borreliose, auch als Lyme-Borreliose bekannt, ist eine durch Bakterien der Gattung Borrelia verursachte Infektionskrankheit. Diese wird hauptsächlich durch den Biss infizierter Zecken der Art Ixodes ricinus übertragen. Die Krankheit ist insbesondere in den gemäßigten Klimazonen der nördlichen Hemisphäre verbreitet und stellt eine bedeutende gesundheitliche Herausforderung dar.

Definition

Lyme-Borreliose ist eine durch das Bakterium Borrelia burgdorferi verursachte Infektionskrankheit, die durch Zeckenbisse übertragen wird. Typische Symptome sind Hautrötungen, Fieber, Gelenkschmerzen und Müdigkeit. Unbehandelt kann sie chronische Entzündungen der Gelenke, Nerven und des Herzens verursachen. Antibiotika sind die Standardtherapie.

Ätiologie und Übertragung

Die Erreger der Lyme-Borreliose sind spiralförmige Bakterien, sogenannte Spirochäten, die zur Gattung Borrelia gehören. In Europa sind Borrelia afzelii, Borrelia garinii und Borrelia burgdorferi sensu stricto die häufigsten Pathogene. Diese Bakterien werden durch den Biss infizierter Zecken übertragen, die sich hauptsächlich in Waldgebieten und hohem Gras aufhalten.

Erreger der Lyme-Borreliose

Überblick über die Borrelien

Die Lyme-Borreliose wird durch Bakterien der Gattung Borrelia verursacht. Diese Spirochäten sind spiralförmige, bewegliche Bakterien, die in verschiedenen Wirten, einschließlich Säugetieren und Vögeln, überleben können. Die wichtigsten humanpathogenen Spezies sind:

  • Borrelia burgdorferi sensu stricto
    • Hauptverursacher der Lyme-Borreliose in Nordamerika.
  • Borrelia afzelii
    • Häufig in Europa und Asien, verursacht überwiegend kutane Manifestationen.
  • Borrelia garinii
    • Ebenfalls in Europa und Asien verbreitet, assoziiert mit neurologischen Symptomen.

Struktur und Eigenschaften

Borrelien sind gramnegative Bakterien mit einer charakteristischen spiraligen Form. Sie besitzen mehrere Flagellen, die es ihnen ermöglichen, sich in viskosen Umgebungen wie dem menschlichen Gewebe zu bewegen. Die Zellwand von Borrelien ist flexibel, was ihnen hilft, sich durch enge Zwischenräume zu zwängen.

Genomik

Das Genom von Borrelia burgdorferi ist ungewöhnlich komplex und besteht aus einem linearen Chromosom und mehreren linearen und zirkulären Plasmiden. Diese Plasmide tragen viele der Gene, die für die Virulenz und das Überleben der Bakterien in verschiedenen Wirten wichtig sind. Die hohe genetische Variabilität der Plasmide ermöglicht es den Borrelien, sich an unterschiedliche Umweltbedingungen und Wirte anzupassen.

Überlebensmechanismen und Pathogenese

Borrelien haben verschiedene Mechanismen entwickelt, um im menschlichen Körper zu überleben und das Immunsystem zu umgehen:

  • Antigenvariation
    ➜ Borrelien können die Oberflächenproteine, gegen die das Immunsystem reagiert, verändern, um einer Erkennung zu entgehen.
  • Bindung an Wirtszellen
    ➜ Borrelien können sich an Wirtszellen binden und so das Immunsystem umgehen.
  • Biofilm-Bildung
    ➜ Es gibt Hinweise darauf, dass Borrelien Biofilme bilden können, die sie vor dem Immunsystem und Antibiotika schützen.

Übertragung und Lebenszyklus

Der Lebenszyklus von Borrelien umfasst verschiedene Wirte und Stadien:

  • Zeckenstadien
    ➜ Die Zecke durchläuft mehrere Entwicklungsstadien (Larve, Nymphe, adulte Zecke). Borrelien werden typischerweise in der Nymphenphase übertragen, da diese klein und schwer zu erkennen ist.
  • Reservoirwirte
    ➜ Kleinnager und Vögel dienen als Hauptreservoire für Borrelien. Zecken infizieren sich durch das Saugen von Blut dieser Tiere.
  • Übertragung auf den Menschen
    ➜ Beim Blutsaugen übertragen infizierte Zecken die Borrelien auf den Menschen. Die Bakterien wandern dann von der Bissstelle in das umliegende Gewebe und können sich systemisch ausbreiten.
Borrelia-burgdorferi
Abb.1.1: Illustration des Bakteriums Borrelia burgdorferi

Klinisches Bild

Die Lyme-Borreliose verläuft in mehreren Stadien mit einer Vielzahl von Symptomen:

  1. Frühstadium (Stadium I)
    • Erythema migrans: Das häufigste und charakteristischste Symptom ist das Erythema migrans, eine sich ausbreitende Rötung um die Bissstelle, oft mit zentraler Abblassung.
    • Allgemeinsymptome: Fieber, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und Müdigkeit.
  2. Disseminierte Infektion (Stadium II)
    • Neurologische Manifestationen: Neuroborreliose mit Meningitis, radikulären Schmerzen oder Fazialisparese.
    • Herzbeteiligung: Myokarditis und Herzrhythmusstörungen.
  3. Spätstadium (Stadium III)
    • Arthritis: Vor allem in den großen Gelenken wie Kniegelenken.
    • Chronische Neuroborreliose: Kognitive Störungen, chronische Schmerzen und sensorische Defizite.

Diagnostik

Die Diagnose der Lyme-Borreliose basiert auf einer Kombination klinischer, laborchemischer und serologischer Befunde:

  1. Klinische Diagnose
    • Erythema migrans ist pathognomonisch für die Frühstadium-Borreliose und bedarf keiner weiteren labordiagnostischen Bestätigung.
  2. Serologische Tests
    • Zwei-Stufen-Test bestehend aus ELISA als Screening-Test und Western Blot zur Bestätigung.
  3. Liquoruntersuchung
    • Bei Verdacht auf Neuroborreliose werden spezifische Antikörper im Liquor nachgewiesen.

Referenzbereiche ELISA

TestErgebnisBewertung
IgG

IgM
< 3 U/mlnegativ
3-5 U/mlschwach positiv
> 5 U/mlpositiv
Tab. 1.1: Referenzbereiche ELISA

Therapie

Die Behandlung der Lyme-Borreliose richtet sich nach dem Stadium der Erkrankung und umfasst in der Regel Antibiotika:

  1. Frühstadium:
    • Doxycyclin 200 mg/d für 10-14 Tage.
    • Alternativ: Amoxicillin oder Cefuroxim.
  2. Disseminierte Infektion:
    • Intravenöse Antibiotika wie Ceftriaxon für 14-28 Tage bei neurologischer Beteiligung.
  3. Spätstadium:
    • Längere Antibiotikatherapie, abhängig von den klinischen Manifestationen.

Prävention

Präventive Maßnahmen zur Reduktion des Infektionsrisikos umfassen:

  1. Expositionsprophylaxe:
    • Vermeidung von Zeckenbissen durch das Tragen langer Kleidung und die Anwendung von Insektenschutzmitteln.
    • Körperliche Untersuchung auf Zecken nach Aufenthalt im Freien und sofortiges Entfernen gefundener Zecken.
  2. Impfung:
    • Derzeit gibt es keine zugelassene Impfung für Menschen, jedoch laufen Studien zur Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs.

Geschichte der Lyme-Borreliose

Frühe Berichte und Entdeckung

Die Lyme-Borreliose ist nach der Stadt Lyme im US-Bundesstaat Connecticut benannt, wo in den 1970er Jahren eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Fällen mit Arthritis bei Kindern gemeldet wurde. Diese Häufung führte zur ersten Beschreibung der Krankheit durch Dr. Allen Steere und Kollegen im Jahr 1977. Historische Berichte deuten jedoch darauf hin, dass ähnliche Symptome bereits im 19. Jahrhundert in Europa beobachtet wurden.

Identifikation des Erregers

1981 identifizierte der Mikrobiologe Willy Burgdorfer das Bakterium Borrelia burgdorferi als den Erreger der Lyme-Borreliose. Diese Entdeckung war ein Meilenstein und ermöglichte die Entwicklung serologischer Tests zur Diagnose der Krankheit.

Entwicklung von Diagnose- und Behandlungsmethoden

Mit der Entdeckung von Borrelia burgdorferi begann eine intensive Forschung zur Verbesserung der Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten. In den 1980er und 1990er Jahren wurden serologische Tests entwickelt, um spezifische Antikörper gegen den Erreger nachzuweisen. Die Einführung von Antibiotika-Therapien, insbesondere Doxycyclin und Amoxicillin, hat die Behandlungsmöglichkeiten erheblich verbessert.

Übertragende Zecken und ihre Rolle bei der Lyme-Borreliose

Einführung in die Zeckenbiologie

Zecken sind blutsaugende Ektoparasiten, die als Vektoren für eine Vielzahl von Krankheitserregern dienen, darunter Bakterien, Viren und Protozoen. Ihre Bedeutung als Überträger von Krankheiten hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen, insbesondere im Zusammenhang mit der Lyme-Borreliose.

Arten von Zecken, die Lyme-Borreliose übertragen

Die Lyme-Borreliose wird hauptsächlich durch Zecken der Gattung Ixodes übertragen. In den verschiedenen Regionen der Welt spielen unterschiedliche Arten eine Rolle:

  • Europa und Asien
    Ixodes ricinus: Häufig als „Gemeiner Holzbock“ bekannt, ist die primäre Zecke, die Lyme-Borreliose in Europa überträgt.
  • Nordamerika
    Ixodes scapularis: Auch bekannt als „Schwarze Beinzecke“ oder „Hirschzecke“, ist der Hauptvektor im östlichen und zentralen Teil der Vereinigten Staaten.
    Ixodes pacificus: Diese Zecke überträgt die Borreliose an der Westküste der USA.

Lebenszyklus und Ökologie der Zecken

Der Lebenszyklus von Ixodes Zecken umfasst vier Stadien: Ei, Larve, Nymphe und erwachsene Zecke. Dieser Zyklus kann mehrere Jahre dauern und ist stark von Umweltbedingungen abhängig. Jedes Stadium erfordert eine Blutmahlzeit von einem Wirtsorganismus, um sich weiterzuentwickeln.

  • Larven
    ➜ Nach dem Schlüpfen aus den Eiern nehmen sie eine erste Blutmahlzeit von kleinen Säugetieren oder Vögeln.
  • Nymphen
    ➜ Diese sind für die meisten menschlichen Infektionen verantwortlich, da sie klein sind und schwer zu erkennen.
  • Adulte Zecken
    ➜ Sie befallen größere Säugetiere, einschließlich Rehe und Menschen.

Die Zecken bevorzugen feuchte und bewaldete Gebiete, wo sie auf Gräsern und Sträuchern auf ihre Wirte warten. Ihre Aktivität ist saisonal und erreicht im späten Frühling und Frühsommer sowie im Herbst ihren Höhepunkt.

Übertragung von Borrelia-Bakterien

Die Übertragung der Borrelia-Bakterien erfolgt während des Blutsaugens der Zecke. Der Vorgang der Übertragung ist komplex und umfasst mehrere Schritte:

  1. Anheften und Blutsaugen
    ➜ Die Zecke verankert sich in der Haut des Wirts mit ihren Mundwerkzeugen und beginnt, Blut zu saugen. Dieser Prozess kann mehrere Tage dauern.
  2. Migration der Bakterien
    ➜ Die Borrelia-Bakterien befinden sich im Mitteldarm der Zecke und wandern während des Saugvorgangs in die Speicheldrüsen.
  3. Übertragung auf den Wirt
    ➜ Die Bakterien werden schließlich über den Speichel der Zecke in die Haut des Wirts injiziert. Die Übertragung erfolgt in der Regel erst nach 24-48 Stunden des Blutsaugens.

Prävention und Kontrolle von Zeckenstichen

Die Vermeidung von Zeckenstichen ist entscheidend für die Prävention der Lyme-Borreliose. Folgende Maßnahmen können helfen, das Risiko eines Zeckenbisses zu minimieren:

  • Schutzkleidung
    ➜ Tragen von langen Ärmeln und Hosen, die in die Socken gesteckt werden.
  • Insektenschutzmittel
    ➜ Verwendung von Repellentien, die DEET oder Picaridin enthalten.
  • Regelmäßige Kontrolle
    ➜ Inspektion des Körpers nach Aufenthalten im Freien und sofortiges Entfernen von Zecken.
  • Umgebungsmanagement
    ➜ Reduktion der Zeckenpopulation durch Entfernung von Laub und hohem Gras in Wohngebieten.

Zecken spielen eine zentrale Rolle in der Epidemiologie der Lyme-Borreliose. Das Verständnis ihres Lebenszyklus, ihrer Ökologie und der Mechanismen der Krankheitsübertragung ist entscheidend für die Entwicklung effektiver Präventions- und Kontrollstrategien. Für medizinisches Personal ist es wichtig, über die Risiken und Präventionsmaßnahmen informiert zu sein, um Patienten entsprechend beraten und behandeln zu können.

Pflege bei Lyme-Borreliose

Pflege bei Lyme-Borreliose umfasst die Verabreichung von Antibiotika, Schmerz- und Symptommanagement, regelmäßige Überwachung und Nachuntersuchungen sowie psychosoziale Unterstützung. Prävention durch Zeckenvorsorge und Patientenaufklärung sind ebenfalls essenziell. Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist entscheidend.

Zusammenfassung

Lyme-Borreliose ist eine durch das Bakterium Borrelia burgdorferi verursachte Infektionskrankheit, die durch den Biss infizierter Zecken übertragen wird. Sie verläuft in mehreren Stadien und kann Haut, Gelenke, das Nervensystem und innere Organe betreffen. Typisches Frühsymptom ist die „Wanderröte“, eine ringförmige Hautrötung um die Bissstelle. Unbehandelt kann die Krankheit chronisch werden und zu Gelenkschmerzen, Lähmungen oder Herzproblemen führen. Zur Diagnose dienen Antikörpertests und klinische Befunde. Die Behandlung erfolgt meist durch Antibiotika, insbesondere in frühen Stadien. Präventiv helfen Schutzmaßnahmen gegen Zeckenstiche wie lange Kleidung und Zeckenschutzmittel.

Bei diesem Artikel handelt es sich um ein Gesundheitsthema. Er dient weder der Selbstdiagnose noch ersetzt er eine Diagnose durch einen Arzt. Bitte zusätzlich den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten!

Quellen

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