Niereninsuffizienz

Niereninsuffizienz, auch Nierenversagen genannt, bezeichnet den Zustand, in dem die Nieren ihre Fähigkeit verlieren, Abfallprodukte und überschüssige Flüssigkeit aus dem Blut zu filtern. Dies führt zur Ansammlung von schädlichen Substanzen im Körper und kann akut oder chronisch auftreten, was unterschiedliche Therapieansätze erfordert.
Wortart:
Substantiv, feminin
Aussprache (IPA):
[ˈniːʁənˌɪnzufiˈtsi̯ɛnt͡s]
Plural:
Niereninsuffizienzen
Trennung:
Nie|ren|in|suf|fi|zi|enz
Synonym:
Nierenschwäche, Nierenfunktionsstörung, Nierenversagen
Englisch:
Renal insufficiency
ICD-Klassifikation:
N17, N28, N19
Med. Fachgebiet:

Niereninsuffizienz, auch als Nierenversagen oder renale Insuffizienz bezeichnet, ist ein Zustand, bei dem die Nieren ihre Fähigkeit verlieren, Abfallprodukte und überschüssige Flüssigkeiten aus dem Blut effektiv zu filtern. Dies kann zu einer Anhäufung von schädlichen Substanzen im Körper führen, die letztendlich lebensbedrohlich sein kann. Niereninsuffizienz kann akut oder chronisch auftreten, wobei jede Form unterschiedliche Ursachen, Symptome und Behandlungsstrategien aufweist.

Definition

Niereninsuffizienz wird als ein Zustand definiert, in dem die Nieren ihre Filterfunktion verlieren, was zu einer unzureichenden Ausscheidung von Stoffwechselabfällen, Elektrolyten und Wasser führt. Die Niereninsuffizienz wird klassich in die zwei Hauptkategorien Akute Niereninsuffizienz (ANV) und Chronische Niereninsuffizienz (CNV) unterteilt.

Epidemiologie

Die Inzidenz der Niereninsuffizienz variiert weltweit, abhängig von Faktoren wie Lebensstil, Ernährung, Genetik und Zugang zur Gesundheitsversorgung. Die chronische Niereninsuffizienz ist weltweit auf dem Vormarsch, insbesondere aufgrund der Zunahme von Risikofaktoren wie Diabetes mellitus und Bluthochdruck. Laut der Global Burden of Disease Study von 2017 leiden etwa 10% der Weltbevölkerung an CKD, und die Erkrankung trägt maßgeblich zur globalen Morbidität und Mortalität bei.

In Deutschland sind etwa 9 – 10% der Bevölkerung von chronischer Niereninsuffizienz betroffen. Die Inzidenz steigt mit dem Alter, insbesondere bei über 60-Jährigen. Hauptursachen sind Diabetes und Hypertonie. Jährlich beginnen etwa 20.000 Patienten eine Dialysebehandlung. Die Sterblichkeitsrate bei terminaler Niereninsuffizienz (dauerhaftes Versagen der Nierenfunktion) bleibt hoch, insbesondere ohne rechtzeitige Behandlung.

Ätiologie

Die Ursachen der Niereninsuffizienz sind vielfältig und lassen sich in prärenale, renale und postrenale Faktoren unterteilen:

  1. Prärenale Ursachen
    • Diese umfassen Zustände, die die Nierendurchblutung vermindern, wie z.B. Hypovolämie, Herzinsuffizienz, Leberzirrhose und Sepsis. Eine unzureichende Durchblutung führt zu einer verminderten Sauerstoffversorgung des Nierengewebes, was die Nierenfunktion beeinträchtigt.
  2. Renale Ursachen
    • Diese betreffen direkte Schädigungen des Nierenparenchyms. Häufige Ursachen sind:
      • Glomerulonephritis: Eine Entzündung der Glomeruli, oft durch autoimmune Prozesse ausgelöst.
      • Tubulointerstitielle Nephritis: Entzündung der Tubuli und des umgebenden Interstitiums, oft durch Medikamente oder Infektionen verursacht.
      • Akute Tubulusnekrose (ATN): Eine häufige Ursache für AKI, oft infolge von Ischämie oder nephrotoxischen Substanzen.
  3. Postrenale Ursachen
    • Diese entstehen durch Abflussbehinderungen des Urins, wie z.B. durch Urolithiasis, Prostatahyperplasie oder Tumoren. Eine chronische Obstruktion kann zu einer Hydronephrose und schließlich zu Nierenversagen führen.

Risikofaktoren

Die Risikofaktoren für Niereninsuffizienz umfassen:

  • Diabetes mellitus
    • Der führende Risikofaktor für CKD, da chronisch hohe Blutzuckerwerte die Nieren schädigen.
  • Hypertonie
    • Kann zu Glomerulosklerose und einer verminderten Nierenfunktion führen.
  • Alter
    • Das Risiko steigt mit zunehmendem Alter, da die Nierenfunktion physiologisch abnimmt.
  • Kardiovaskuläre Erkrankungen
    • Stehen in engem Zusammenhang mit der Nierenfunktion, da eine verminderte Herzkreislauffunktion die Nierendurchblutung beeinträchtigen kann.
  • Rauchen
    • Verschlimmert vaskuläre Schäden und fördert die Entstehung von CKD.
  • Genetische Prädisposition
    • Familiäre Häufung von Nierenerkrankungen kann das Risiko erhöhen.

Einteilung

Die Niereninsuffizienz kann auf verschiedene Arten klassifiziert werden, je nachdem, welcher Aspekt der Erkrankung im Vordergrund steht. Diese Klassifikationen helfen dabei, den Verlauf der Erkrankung, die Funktionseinschränkung, die pathophysiologischen Mechanismen und die Schwere der Retention von Stoffwechselabfällen besser zu verstehen und zu managen.

Einteilung nach Verlauf

Akute Niereninsuffizienz (ANV)

  • Definition
    ➜ Ein plötzliches, häufig reversibles Versagen der Nierenfunktion, das innerhalb von Stunden bis Tagen auftritt.
  • Verlauf
    ➜ Akut, oft mit einem dramatischen Beginn und schnellen Veränderungen der Nierenfunktion. Häufige Ursachen sind Dehydratation, Sepsis, toxische Schädigungen oder akute Obstruktionen.
  • Stadien nach KDIGO
    ➜ Die Akute Niereninsuffizienz wird nach den „Kidney Disease: Improving Global Outcomes“ (KDIGO) Kriterien in drei Stadien eingeteilt:
    • Stadium 1: Anstieg des Serumkreatinins um 1,5-1,9-fache oder eine absolute Zunahme um ≥0,3 mg/dl innerhalb von 48 Stunden; oder eine Urinausscheidung <0,5 ml/kg/h für 6-12 Stunden.
    • Stadium 2: Anstieg des Serumkreatinins um 2,0-2,9-fache; oder eine Urinausscheidung <0,5 ml/kg/h für >12 Stunden.
    • Stadium 3: Anstieg des Serumkreatinins um das 3-fache oder Serumkreatinin ≥4,0 mg/dl; oder eine Urinausscheidung <0,3 ml/kg/h für ≥24 Stunden oder Anurie für ≥12 Stunden; oder die Einleitung einer Nierenersatztherapie.

Chronische Niereninsuffizienz (CNV)

  • Definition
    ➜ Ein fortschreitender, irreversibler Verlust der Nierenfunktion über Monate bis Jahre.
  • Verlauf
    ➜ Chronisch, mit langsamer Verschlechterung der Nierenfunktion. Die häufigsten Ursachen sind Diabetes mellitus, Hypertonie und chronische Glomerulonephritis.
  • Stadien
    ➜ siehe: Einteilung nach Glomerulärer Filtrationsrate (GFR)

Einteilung nach Glomerulärer Filtrationsrate (GFR)

Die Glomeruläre Filtrationsrate (GFR) ist ein Maß für die Nierenfunktion und wird verwendet, um die Schwere der chronischen Niereninsuffizienz zu bestimmen. Sie wird in ml/min/1,73 m² gemessen, was die Filtrationskapazität pro Minute pro 1,73 Quadratmeter Körperoberfläche darstellt.

  • Stadium 1
    ➜ GFR ≥90 ml/min/1,73 m² (normal bis hohe Funktion bei vorliegendem Nierenschaden).
  • Stadium 2
    ➜ GFR 60-89 ml/min/1,73 m² (leichte Einschränkung).
  • Stadium 3a
    ➜ GFR 45-59 ml/min/1,73 m² (milde bis moderate Einschränkung).
  • Stadium 3b
    ➜ GFR 30-44 ml/min/1,73 m² (moderate bis schwere Einschränkung).
  • Stadium 4
    ➜ GFR 15-29 ml/min/1,73 m² (schwere Einschränkung).
  • Stadium 5
    ➜ GFR <15 ml/min/1,73 m² (terminale Niereninsuffizienz).

Diese Klassifikation ist besonders hilfreich, um den Fortschritt der Chronische Niereninsuffizienz zu überwachen und Therapieentscheidungen zu treffen.

Einteilung nach Retentionswerten

Retentionswerte beziehen sich auf die Konzentration von Stoffwechselabfällen im Blut, insbesondere Harnstoff und Kreatinin, die normalerweise über die Nieren ausgeschieden werden. Anhand dieser Werte kann der Schweregrad der Niereninsuffizienz weiter klassifiziert werden:

  • Stadium 1 – Funktionseinschränkung
    • Kreatinin <1,2 mg/dl (bei Frauen) oder <1,4 mg/dl (bei Männern)
  • Stadium 2 – Kompensierte Retention
    • Kreatinin 1,2 mg/dl bis 2 mg/dl; Leichter Anstieg von Kreatinin und Harnstoff über den Normalwerten, GFR noch relativ erhalten.
  • Stadium 3 – Dekompensierte Retention
    • Deutlicher Anstieg von Kreatinin (z.B. 6 bis 12 mg/dl), beginnende urämische Symptome möglich.
  • Stadium 4 – Urämie
    • Hohes Kreatinin (>12 mg/dl), deutliche urämische Symptome, Dialysebedarf in vielen Fällen.

Einteilung nach Pathophysiologie

Diese Klassifikation berücksichtigt die zugrunde liegenden Mechanismen, die zur Niereninsuffizienz führen:

Prärenale Niereninsuffizienz

  • Pathophysiologie
    ➜ Verminderte Durchblutung der Nieren, häufig durch Hypovolämie, Herzinsuffizienz oder Sepsis bedingt. Führt zu einer verminderten GFR ohne strukturelle Schäden an den Nieren.
  • Beispiele
    ➜ Schockzustände, starke Dehydratation, schwere Blutverluste.

Renale (intrarenale) Niereninsuffizienz

  • Pathophysiologie
    ➜ Direkte Schädigung des Nierengewebes (Glomeruli, Tubuli, Interstitium oder Gefäße). Kann durch entzündliche, toxische, ischämische oder autoimmune Prozesse verursacht werden.
  • Beispiele
    ➜ Akute Tubulusnekrose (ATN), Glomerulonephritis, akute interstitielle Nephritis, vaskuläre Erkrankungen wie Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP).

Postrenale Niereninsuffizienz

  • Pathophysiologie
    ➜ Abflussbehinderungen im Harntrakt führen zu einem Rückstau des Urins und einer erhöhten Druckbelastung der Nieren, was letztlich zu einer Beeinträchtigung der Nierenfunktion führt.
  • Beispiele
    ➜ Urolithiasis, Prostatahyperplasie, Harnleiterstrikturen, Tumoren, neurogene Blasenstörung.

Symptome

Die Symptomatik der Niereninsuffizienz variiert je nach Stadium und Form der Erkrankung:

Akute Niereninsuffizienz (ANV)

  • Oligurie oder Anurie
    ➜ Verminderte Urinproduktion.
  • Azotämie
    ➜ Anstieg von Harnstoff und Kreatinin im Blut.
  • Ödeme
    ➜ Durch Flüssigkeitsretention, insbesondere in den Beinen.
  • Müdigkeit, Verwirrtheit
    ➜ Durch Elektrolytstörungen und Azidose.
  • Hyperkaliämie
    ➜ Lebensbedrohliche Komplikation, die Herzrhythmusstörungen verursachen kann.

Chronische Niereninsuffizienz (CNV)

  • Asymptomatisch in frühen Stadien
    ➜ Viele Patienten zeigen keine Symptome, bis die Nierenfunktion erheblich beeinträchtigt ist.
  • Fatigue und Schwäche
    ➜ Aufgrund der Anämie und der verminderten Erythropoetin-Produktion.
  • Übelkeit und Erbrechen
    ➜ Aufgrund der Akkumulation von Urämietoxinen.
  • Pruritus
    ➜ Durch die Ablagerung von Urämiesubstanzen in der Haut.
  • Blutdruckanstieg
    ➜ Häufig ein frühes Anzeichen, da die Nieren nicht in der Lage sind, Natrium und Wasser zu regulieren.
  • Knochenschmerzen und Frakturen
    ➜ Wegen sekundärem Hyperparathyreoidismus und renaler Osteodystrophie.
  • Foetor uraemicus (urämischer Geruch)
    ➜ typischen Körpergeruch von Patienten mit chronischer Nierenerkankungen, und Urämie

Diagnostik

Die Diagnostik der Niereninsuffizienz ist entscheidend, um die Ursache, den Schweregrad und die Art der Nierenfunktionsstörung zu bestimmen. Sie umfasst eine Kombination aus Anamnese, körperlicher Untersuchung, Labortests, Bildgebung und, in speziellen Fällen, invasiven Verfahren wie der Nierenbiopsie.

Anamnese und körperliche Untersuchung

Anamnese

Die Anamnese bildet die Grundlage für die Diagnosestellung. Wichtige Aspekte, die erfragt werden sollten, umfassen:

  • Frühere Erkrankungen
    Diabetes mellitus, Hypertonie, chronische Infektionen, Autoimmunerkrankungen, Nierenkrankheiten in der Familienanamnese.
  • Medikamentenanamnese
    ➜ Verwendung von potenziell nephrotoxischen Substanzen wie NSAIDs, Antibiotika (z.B. Aminoglykoside), Kontrastmittel oder Chemotherapeutika.
  • Lebensstil
    ➜ Alkoholkonsum, Rauchen, Diätgewohnheiten (z.B. hoher Proteinkonsum), Exposition gegenüber Umweltgiften.
  • Symptome
    Polyurie, Oligurie, Anurie, Ödeme, Müdigkeit, Übelkeit, Pruritus, Schaumiger Urin (Proteinurie), Hämaturie.

Körperliche Untersuchung

Die körperliche Untersuchung konzentriert sich auf Zeichen einer Nierenfunktionsstörung und systemische Manifestationen:

  • Blutdruckmessung
    Erhöhter Blutdruck kann sowohl Ursache als auch Folge einer Niereninsuffizienz sein.
  • Flüssigkeitshaushalt
    ➜ Beurteilung von Ödemen, insbesondere an den Unterschenkeln, sowie Anzeichen einer Dehydratation (trockene Schleimhäute, verminderter Hautturgor).
  • Abdomen
    Abtasten auf Nierenvergrößerung, Schmerzen in der Nierengegend, Blasendruckschmerz.
  • Herz-Kreislauf-System
    ➜ Zeichen einer Überwässerung wie Halsvenenstauung, pulmonale Rasselgeräusche, Herzgeräusche.
  • Haut
    ➜ Blässe (Anämie), Pruritus, urämischer Geruch, Kratzspuren, Zeichen einer renalen Osteodystrophie.

Labordiagnostik

Serumkreatinin und GFR

  • Serumkreatinin
    ➜ Das häufigste Screening-Tool für Nierenfunktion. Ein Anstieg deutet auf eine Reduktion der GFR hin. Allerdings ist Kreatinin abhängig von Muskelmasse, Alter und Geschlecht.
  • Glomeruläre Filtrationsrate (GFR)
    ➜ Die GFR kann mittels Formeln wie der CKD-EPI-Formel geschätzt werden und gibt Auskunft über das Ausmaß der Nierenfunktionsstörung.

Harnstoff und andere Retentionsparameter

  • Harnstoff
    ➜ Ein Produkt des Proteinabbaus, das bei Niereninsuffizienz ansteigt, aber auch durch andere Faktoren wie Ernährung und Leberfunktion beeinflusst wird.
  • Harnsäure
    ➜ Kann ebenfalls bei Niereninsuffizienz ansteigen und ist ein Marker für Gicht und andere Stoffwechselstörungen.
  • Zystatin C
    ➜ Ein alternativer Biomarker zur Abschätzung der GFR, der weniger von Muskelmasse und anderen Faktoren beeinflusst wird als Kreatinin.

Elektrolyte und Säure-Basen-Haushalt

  • Kalium
    ➜ Hyperkaliämie ist eine lebensbedrohliche Komplikation der Niereninsuffizienz und sollte sofort behandelt werden.
  • Natrium
    ➜ Hyponatriämie kann durch Flüssigkeitsretention oder durch die zugrunde liegende Ursache der Niereninsuffizienz entstehen.
  • Kalzium und Phosphat
    ➜ Dysregulationen sind häufig und können zu renaler Osteodystrophie führen.
  • Bikarbonat
    ➜ Metabolische Azidose ist eine häufige Komplikation der Niereninsuffizienz.

Harnanalyse

  • Proteinurie
    ➜ Das Vorhandensein von Eiweiß im Urin ist ein Hinweis auf eine Schädigung der glomerulären Filtrationsbarriere.
  • Mikrohämaturie
    ➜ Kann auf eine glomeruläre Erkrankung hindeuten.
  • Leukozyturie
    ➜ Ein Indiz für eine Infektion oder Entzündung im Urogenitaltrakt.
  • Spezifisches Gewicht
    ➜ Gibt Aufschluss über die Konzentrationsfähigkeit der Nieren.

Blutbild und andere spezielle Tests

  • Vollblutbild
    ➜ Anämie, häufig normochrom und normozytär, ist ein häufiges Zeichen der chronischen Niereninsuffizienz.
  • Parathormon (PTH)
    ➜ Erhöhte Werte bei sekundärem Hyperparathyreoidismus infolge einer gestörten Kalzium-Phosphat-Homöostase.
  • Antikörpertests
    ➜ z.B. Anti-Nukleäre Antikörper (ANA), Anti-Neutrophilen-Zytoplasmatische Antikörper (ANCA) bei Verdacht auf eine autoimmune Genese.

Bildgebende Verfahren

Sonographie der Nieren

  • Größe und Struktur der Nieren
    ➜ Eine Schrumpfniere ist typisch für chronische Niereninsuffizienz, während eine Vergrößerung z.B. bei polyzystischer Nierenerkrankung oder akuten entzündlichen Prozessen vorkommen kann.
  • Obstruktionen
    ➜ Nachweis von Hydronephrose, Uretersteinen oder Tumoren.

Doppler-Ultraschall

  • Nierenarterien
    ➜ Beurteilung der Durchblutung, Ausschluss einer Nierenarterienstenose, die eine renale Hypertonie verursachen kann.

Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT)

  • Erweiterte Diagnostik
    ➜ Bei komplexen Fällen, z.B. Tumoren, Gefäßerkrankungen oder obstruktiven Uropathien. Vorsicht bei der Verwendung von Kontrastmitteln, da sie nephrotoxisch sein können.

Nierenbiopsie

  • Indikation
    ➜ Bei unklarer Diagnose, z.B. bei Verdacht auf Glomerulonephritis, interstitielle Nephritis oder systemische Erkrankungen mit Nierenbeteiligung.
  • Verfahren
    Ultraschall– oder CT-gesteuerte perkutane Nierenbiopsie, bei der eine Gewebeprobe entnommen wird.
  • Histopathologie
    ➜ Ermöglicht die detaillierte Untersuchung der Nierenstrukturen und die Identifizierung spezifischer Pathologien wie Immunkomplexablagerungen, Entzündungszellen oder Tubulusnekrosen.

Funktionelle Tests

Kreatinin-Clearance

  • Definition
    ➜ Eine Methode zur direkten Messung der GFR durch Bestimmung der Kreatininausscheidung im Urin über 24 Stunden.
  • Verwendung
    ➜ Weniger gebräuchlich, aber in bestimmten Fällen nützlich zur präziseren Beurteilung der Nierenfunktion.

Urinosmolarität und Konzentrierungstest

  • Verwendung
    ➜ Beurteilung der Harnkonzentrationsfähigkeit, insbesondere bei Verdacht auf Tubulopathien oder Diabetes insipidus.

Therapie

Die Therapie der Niereninsuffizienz zielt darauf ab, die Progression der Erkrankung zu verlangsamen, Symptome zu lindern, Komplikationen zu verhindern und letztlich das Überleben und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Die Behandlung unterscheidet sich je nach Form und Schweregrad der Niereninsuffizienz und umfasst eine Kombination aus nicht-medikamentösen, medikamentösen und invasiven Maßnahmen.

Allgemeine Maßnahmen

Lebensstilmodifikation

  • Ernährungsumstellung
    ➜ Eine natriumarme, kaliumreduzierte, phosphatarme Diät ist entscheidend, um Elektrolytstörungen zu vermeiden. Bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz kann auch eine Proteinrestriktion erforderlich sein, um die Produktion von Urämietoxinen zu reduzieren.
  • Flüssigkeitsmanagement
    ➜ Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz sollten ihre Flüssigkeitsaufnahme überwachen und anpassen, um eine Überwässerung (Ödeme, Hypertension) oder Dehydratation zu vermeiden.
  • Gewichtsreduktion
    ➜ Bei adipösen Patienten kann eine Gewichtsabnahme den Blutdruck senken und die kardiovaskuläre Gesundheit verbessern.
  • Raucherentwöhnung
    ➜ Das Rauchen verschlechtert die Nierenfunktion und erhöht das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen. Der Verzicht auf Rauchen ist daher essentiell.
  • Alkoholkonsum reduzieren
    ➜ Übermäßiger Alkoholkonsum kann die Nieren schädigen und sollte vermieden werden.

Blutdruckkontrolle

  • Zielblutdruck
    ➜ Ein Zielblutdruck von <130/80 mmHg wird angestrebt, um die Progression der Niereninsuffizienz zu verlangsamen.
  • Medikamente
    ➜ ACE-Hemmer oder Angiotensin-II-Rezeptorblocker (ARBs) sind bevorzugte Antihypertensiva, da sie den intraglomerulären Druck senken und die Proteinurie reduzieren. Andere Antihypertensiva wie Diuretika, Calciumkanalblocker oder Betablocker können je nach individueller Situation ergänzt werden.

Therapie nach Stadium und Form

Akute Niereninsuffizienz (ANV)

  • Ursachenbehandlung
    ➜ Die primäre Therapie zielt darauf ab, die zugrunde liegende Ursache der AKI zu beseitigen (z.B. Rehydratation bei Hypovolämie, Absetzen nephrotoxischer Medikamente, Behandlung einer Sepsis).
  • Flüssigkeits- und Elektrolytmanagement
    ➜ Intravenöse Flüssigkeitszufuhr bei Hypovolämie, engmaschige Überwachung und Korrektur von Elektrolytstörungen (z.B. Kalium, Natrium).
  • Diuretika
    ➜ Bei Flüssigkeitsüberladung können Schleifendiuretika wie Furosemid eingesetzt werden, um die Diurese zu fördern, wobei die Wirkung begrenzt sein kann.
  • Dialyse
    ➜ Indiziert bei therapierefraktärer Hyperkaliämie, schwerer Azidose, urämischen Symptomen oder Oligurie/Anurie, die nicht auf konservative Maßnahmen anspricht.

Chronische Niereninsuffizienz (CNV)

Progressionsverzögerung
  • Glykämische Kontrolle bei Diabetes
    ➜ Eine enge Kontrolle des Blutzuckerspiegels (HbA1c <7%) kann die Progression der diabetischen Nephropathie verlangsamen.
  • Proteinurie-Reduktion
    ➜ Die Reduktion der Proteinurie durch ACE-Hemmer oder ARBs ist ein wichtiges Ziel. Zusätzlich kann eine salzarme Diät zur Senkung des Blutdrucks und der Proteinurie beitragen.
Management von Komplikationen
  • Anämie
    ➜ Die Behandlung der renalen Anämie erfolgt durch Erythropoese-stimulierende Agenzien (ESAs) und Eisensupplemente, um das Hämoglobin auf etwa 10-12 g/dl zu erhöhen.
  • Knochenmineralstoffwechsel
    ➜ Bei Hyperphosphatämie werden Phosphatbinder eingesetzt, und Vitamin D3-Supplemente werden zur Korrektur der Hypokalzämie und zur Behandlung des sekundären Hyperparathyreoidismus gegeben.
  • Azidose
    ➜ Bei metabolischer Azidose kann die Gabe von Natriumbikarbonat erforderlich sein, um den pH-Wert im Blut zu stabilisieren.
  • Hyperkaliämie
    ➜ Kaliumrestriktion in der Ernährung, der Einsatz von Kaliumbindern und bei Bedarf intravenöse Kalziumgaben sowie Insulin-Glukose-Infusionen, um den Kaliumspiegel schnell zu senken.

Terminale Niereninsuffizienz (Stadium 5 = GFR <15 ml/min/1,73 m² )

  • Dialyse
    ➜ Hämodialyse oder Peritonealdialyse werden notwendig, um die Funktion der Nieren zu ersetzen. Die Dialyse entfernt Abfallstoffe, überschüssiges Wasser und korrigiert Elektrolytstörungen.
  • Nierentransplantation
    ➜ Die Transplantation einer gesunden Niere ist die einzige kurative Therapie für Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz. Transplantationspatienten benötigen eine lebenslange immunsuppressive Therapie, um eine Abstoßung der Niere zu verhindern.

Medikamentöse Therapie

  • Antihypertensiva
    ➜ Neben ACE-Hemmern und ARBs können Diuretika, Calciumkanalblocker oder Betablocker je nach Bedarf eingesetzt werden.
  • Lipidsenker
    ➜ Statine werden häufig bei CKD-Patienten verschrieben, um das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse zu reduzieren.
  • Antikoagulation
    ➜ Bei Patienten mit hohem Thromboserisiko kann eine Antikoagulation in Betracht gezogen werden, insbesondere bei Vorhofflimmern oder nach Gefäßzugang für die Dialyse.
  • Urikostatika und Urikosurika
    ➜ Diese Medikamente können bei Hyperurikämie und Gichtanfällen helfen, die häufig bei CKD auftreten.

Invasive und chirurgische Maßnahmen

Dialyseverfahren

  • Hämodialyse
    ➜ Ein extrakorporales Verfahren, bei dem das Blut durch eine Dialysemembran gefiltert wird, um Abfallprodukte zu entfernen. Die Behandlung erfolgt typischerweise drei Mal pro Woche für 3-5 Stunden.
  • Peritonealdialyse
    ➜ Ein intrakorporales Verfahren, bei dem das Peritoneum als Dialysemembran dient. Dialysat wird in die Bauchhöhle eingefüllt und später abgelassen, um Abfallstoffe zu entfernen.

Nierentransplantation

  • Indikation
    ➜ Terminale Niereninsuffizienz mit geeigneten Empfängern, die sich einer immunsuppressiven Therapie unterziehen können.
  • Spender
    ➜ Die Niere kann von einem lebenden oder verstorbenen Spender stammen.
  • Postoperative Therapie
    ➜ Immunsuppressiva wie Calcineurin-Inhibitoren, Antimetaboliten und Steroide sind erforderlich, um eine Abstoßung zu verhindern.

Palliative Therapie

Bei Patienten, die nicht für eine Dialyse oder Transplantation geeignet sind, kann eine palliative Behandlung in Betracht gezogen werden, die sich auf die Symptomlinderung und die Verbesserung der Lebensqualität konzentriert.

  • Symptommanagement
    ➜ Behandlung von Schmerzen, Übelkeit, Juckreiz und anderen belastenden Symptomen.
  • Psychosoziale Unterstützung
    ➜ Beratung und Unterstützung durch ein interdisziplinäres Team, einschließlich Psychologen, Sozialarbeitern und Seelsorgern.

Komplikationen

Niereninsuffizienz kann zu einer Vielzahl von Komplikationen führen, die sowohl akute als auch chronische Formen betreffen:

  1. Elektrolytstörungen
    • Hyperkaliämie: Eine lebensbedrohliche Komplikation, die zu Arrhythmien führen kann.
    • Hyponatriämie: Kann zu neurologischen Symptomen wie Verwirrtheit und Krampfanfällen führen.
    • Hyperphosphatämie und Hypokalzämie: Tragen zur Entwicklung von renaler Osteodystrophie und vaskulären Verkalkungen bei.
  2. Kardiovaskuläre Komplikationen
    • Hypertension: Häufig und sowohl Ursache als auch Folge der Niereninsuffizienz.
    • Herzinsuffizienz und Kardiomyopathie: Häufige Folgen aufgrund der erhöhten Volumenlast und des Elektrolytungleichgewichts.
    • Perikarditis: Urämische Perikarditis kann in fortgeschrittenen Stadien auftreten und erfordert eine sofortige Behandlung.
  3. Urämische Komplikationen
    • Urämisches Koma: Ein fortgeschrittenes Stadium der Urämie, das eine Notfalldialyse erfordert.
    • Urämische Enzephalopathie: Manifestiert sich durch neurologische Symptome wie Verwirrtheit, Krampfanfälle und Koma.
    • Urämischer Pruritus: Ein hartnäckiger Juckreiz, der durch Ablagerungen von Toxinen in der Haut verursacht wird.
  4. Infektionen
    • Patienten mit Niereninsuffizienz, insbesondere diejenigen auf Dialyse, haben ein erhöhtes Risiko für Infektionen, einschließlich Peritonitis bei Peritonealdialyse und Sepsis.
  5. Renale Osteodystrophie
    • Eine Knochenerkrankung, die durch sekundären Hyperparathyreoidismus und gestörten Kalzium- und Phosphatstoffwechsel verursacht wird. Dies kann zu Knochenschmerzen, Deformitäten und erhöhtem Frakturrisiko führen.

ICD-10 Klassifikation

  • N17: Akutes Nierenversagen
    • N17.0: Akutes Nierenversagen mit tubulärer Nekrose
    • N17.1: Akutes Nierenversagen mit akuter kortikaler Nekrose
    • N17.2: Akutes Nierenversagen mit medullärer Nekrose
    • N17.8: Sonstiges akutes Nierenversagen
    • N17.9: Akutes Nierenversagen, nicht näher bezeichnet
  • N18: Chronische Niereninsuffizienz
    • N18.1: Chronische Niereninsuffizienz Stadium 1
    • N18.2: Chronische Niereninsuffizienz Stadium 2
    • N18.3: Chronische Niereninsuffizienz Stadium 3
    • N18.4: Chronische Niereninsuffizienz Stadium 4
    • N18.5: Chronische Niereninsuffizienz Stadium 5
    • N18.9: Chronische Niereninsuffizienz, nicht näher bezeichnet
  • N19: Nicht näher bezeichnete Niereninsuffizienz

Pflege bei Niereninsuffizienz

Die Pflege bei Niereninsuffizienz umfasst die ganzheitliche Betreuung von Patienten, die an eingeschränkter Nierenfunktion leiden. Sie beinhaltet die Überwachung der Flüssigkeitsbilanz, die Unterstützung bei der Ernährung, das Management der Medikation und die Vorbereitung auf Dialyseverfahren. Zudem zielt die Pflege darauf ab, Komplikationen zu verhindern, Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Patienten durch psycho-soziale Unterstützung zu verbessern. Eine enge Zusammenarbeit im interdisziplinären Team ist dabei essenziell.

Zusammenfassung

Niereninsuffizienz ist eine komplexe und potenziell lebensbedrohliche Erkrankung, die durch eine Vielzahl von ätiologischen Faktoren und Risikofaktoren ausgelöst werden kann. Sie kann sowohl akut als auch chronisch verlaufen, wobei die chronische Form oft unbemerkt voranschreitet, bis erhebliche Schäden eingetreten sind. Die Diagnostik umfasst eine Vielzahl von Labor- und Bildgebungsverfahren, um die zugrunde liegende Ursache zu identifizieren und den Schweregrad zu bestimmen. Die Therapie variiert je nach Form und Stadium der Erkrankung, wobei die Behandlung der zugrunde liegenden Ursachen, das Management der Symptome und die Prävention von Komplikationen im Vordergrund stehen. Präventive Maßnahmen und eine frühzeitige Intervention sind entscheidend, um das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern.

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Quellen

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