Oligurie

Wortart:
Substantiv, feminin
Aussprache (IPA):
[oliɡuˈʁiː]
Adjektiv:
oligurisch
Plural:
Oligurien
Trennung:
Oli|gu|rie
Synonym:
Oligoanurie
Gegenteil:
Polyurie
Englisch:
oliguria
Abstammung:
griech.: oligos = wenig, ouron = Harn
ICD-Klassifikation:
R34.0
Med. Fachgebiet:

Oligurie bezeichnet die pathologisch verminderte Harnausscheidung und ist ein Symptom, das häufig in der klinischen Medizin vorkommt. Sie kann ein Hinweis auf eine Reihe von zugrunde liegenden Gesundheitsproblemen sein, von Dehydratation bis hin zu schwerwiegenden Nierenfunktionsstörungen. Für medizinisches Personal ist es entscheidend, Oligurie frühzeitig zu erkennen und die zugrunde liegende Ursache zu identifizieren, um geeignete therapeutische Maßnahmen einleiten zu können.

Definition

Oligurie wird allgemein als eine Harnausscheidung von weniger als 400 bis 500 Millilitern pro Tag bei Erwachsenen definiert. Dies entspricht weniger als 0,5 Millilitern pro Kilogramm Körpergewicht pro Stunde. Bei Kindern variiert die Definition je nach Alter und Gewicht, wird jedoch häufig als weniger als 0,5 Milliliter pro Kilogramm pro Stunde angesehen.

Physiologische Urinmenge eines Erwachsenen pro Tag: 0,8 bis 2,0 Liter

Epidemiologie

Die Prävalenz von Oligurie variiert je nach Population und zugrunde liegenden Gesundheitszuständen. Sie tritt häufig in Intensivstationen auf, insbesondere bei Patienten mit akutem Nierenversagen (ANV) oder schwerer Sepsis. Studien haben gezeigt, dass bis zu 30-50% der Patienten in Intensivstationen von Oligurie betroffen sein können. Die Prävalenz kann auch in Abhängigkeit von Faktoren wie Alter, Vorerkrankungen und Schwere der zugrunde liegenden Erkrankung variieren.

Ätiologie

Oligurie kann durch eine Vielzahl von Ursachen bedingt sein, die in prärenale, renale und postrenale Ursachen unterteilt werden können:

Prärenale Ursachen

Renale Ursachen

  • Akutes Nierenversagen (z.B. durch ischämische oder toxische Schädigung der Nieren)
  • Glomerulonephritis
  • Tubulointerstitielle Nephritis
  • Vaskuläre Erkrankungen der Nieren (z.B. Nierenarterienstenose)

Postrenale Ursachen

Obstruktion der ableitenden Harnwege (z.B. durch Nierensteine, Tumore, Prostatahyperplasie)

Symptome und Klinik

Die klinischen Manifestationen der Oligurie hängen von der zugrunde liegenden Ursache ab. Allgemeine Symptome umfassen jedoch:

  • Geringe Harnausscheidung (weniger als 400-500 ml/Tag)
  • Dunkler, konzentrierter Urin
  • Symptome der zugrunde liegenden Ursache (z.B. Hypotonie bei Hypovolämie, Ödeme bei Herzinsuffizienz)
  • Zeichen der Urämie bei akutem oder chronischem Nierenversagen (z.B. Übelkeit, Erbrechen, Verwirrtheit)
  • Flankenschmerzen oder Blasenbeschwerden bei postrenaler Obstruktion

Formen

Oligurie kann in verschiedene Formen unterteilt werden, je nach Dauer und Schwere:

Akute Oligurie

Tritt plötzlich auf und ist häufig reversibel, wenn die zugrunde liegende Ursache schnell behandelt wird.

Chronische Oligurie

Entwickelt sich allmählich und ist oft ein Zeichen für chronische Nierenerkrankungen oder fortschreitende Schädigungen.

Diagnostik

Die Diagnose von Oligurie erfordert eine sorgfältige Anamnese, körperliche Untersuchung und eine Reihe von diagnostischen Tests:

  1. Anamnese:
    • Erfassung der Trink- und Urinmengen
    • Medikamentenanamnese (z.B. nephrotoxische Medikamente)
    • Vorerkrankungen (z.B. Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen)
  2. Körperliche Untersuchung:
    • Beurteilung von Hydratationszustand, Blutdruck und Ödemen
    • Palpation des Abdomens zur Erkennung von Blasenüberdehnung oder Flankenschmerzen
  3. Laboruntersuchungen:
    • Bluttests (z.B. Serumkreatinin, Elektrolyte, Harnstoff)
    • Urinanalysen (z.B. Urinstatus, Urinkultur, Urinosmolarität)
  4. Bildgebende Verfahren:
  5. Spezielle Tests:
    • Nierenbiopsie bei Verdacht auf glomeruläre Erkrankungen oder interstitielle Nephritis

Therapie

Die Behandlung der Oligurie richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache und dem Schweregrad der Symptomatik:

  • Prärenale Ursachen:
    • Flüssigkeitszufuhr bei Dehydratation (z.B. intravenöse Infusionen)
    • Optimierung der Herzfunktion bei Herzinsuffizienz (z.B. Diuretika, Inotropika)
    • Antibiotikatherapie bei Sepsis
  • Renale Ursachen:
    • Absetzen nephrotoxischer Medikamente
    • Dialyse bei schwerem akutem Nierenversagen
    • Spezifische Therapien bei Glomerulonephritis (z.B. Immunsuppressiva)
  • Postrenale Ursachen:
    • Entfernung von Obstruktionen (z.B. durch Katheterisierung, Lithotripsie bei Nierensteinen)
    • Chirurgische Eingriffe bei Tumoren oder strukturellen Anomalien

Zusammenfassung

Oligurie ist ein wichtiges klinisches Symptom, das auf eine Vielzahl von zugrunde liegenden Gesundheitsproblemen hinweisen kann. Eine sorgfältige diagnostische Abklärung und gezielte Therapie sind entscheidend, um schwerwiegende Komplikationen zu vermeiden. Das Verständnis der Ätiologie, Symptome und diagnostischen Verfahren ist für medizinisches Personal unerlässlich, um die beste Patientenversorgung zu gewährleisten.

Bei diesem Artikel handelt es sich um ein Gesundheitsthema. Er dient weder der Selbstdiagnose noch ersetzt er eine Diagnose durch einen Arzt. Bitte zusätzlich den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten!

Quellen

  • Andreae, S. (Hrsg.). (2008). Lexikon der Krankheiten und Untersuchungen (2. Aufl.). Thieme.
  • Faller, A., & Schünke, M. (2016). Der Körper des Menschen: Einführung in Bau und Funktion (A. Faller & M. Schünke, Hrsg.; 17. Aufl.). Thieme.
  • Bellomo, R., Kellum, J. A., & Ronco, C. (2012). Acute kidney injury. The Lancet, 380(9843), 756-766.
  • Schrier, R. W., & Wang, W. (2004). Acute renal failure and sepsis. New England Journal of Medicine, 351(2), 159-169.
  • Kellum, J. A., & Lameire, N. (2013). Diagnosis, evaluation, and management of acute kidney injury: a KDIGO summary (Part 1). Critical Care, 17(1), 204.
  • Johnson, R. J., & Feehally, J. (2012). Comprehensive Clinical Nephrology. Elsevier Health Sciences.
  • Post, T. W., Rose, B. D., & Narins, R. G. (2004). Clinical Physiology of Acid-Base and Electrolyte Disorders. McGraw Hill Professional.