Schizophrenie

Die Schizophrenie ist eine, meist episodisch verlaufende psychische Erkrankung, die sich durch eine vielfältige und komplexe Symptomatik auszeichnet. Hier sind vor allem Teile der Wahrnehmung, des Denkens, der Ich-Umwelt-Grenzen, des Affektes und der Psychomotorik betroffen.
Wortart:
Substantiv, feminin
Aussprache (IPA):
[ʃɪt͡soˈfʁeːniː]
Plural:
Schizophrenien
Trennung:
Schi|zo|phre|nie
Englisch:
schizophrenia
Abstammung:
griech.: s'chizein - abspalten; phren - Verstand, Geist
ICD-Klassifikation:
F20.-
Med. Fachgebiet:

Die Schizophrenie ist eine, meist episodisch verlaufende psychische Erkrankung, die sich durch eine vielfältige und komplexe Symptomatik auszeichnet. Hier sind vor allem Teile der Wahrnehmung, des Denkens, der Ich-Umwelt-Grenzen, des Affektes und der Psychomotorik betroffen.

Patienten, die unter einer Schizophrenie leiden, erleben akute Psychosen (die Welt wird oft ganz anders wahrgenommen als sie in Realität ist). Betroffene hören Stimmen, fühlen sich häufig verfolgt oder von anderen Menschen beeinflusst. Auch das Verhalten kann sich stark verändern. So sprechen viele Patienten unzusammenhängend oder verlieren fast völlig den Bezug zur Realität.

Geschichte

Der Begriff „Schizophrenie“ ist auf den Schweitzer Psychiater Eugen Bleuler (1857 – 1939) zurückzuführen, der die Erkrankung im Jahr 1911 erstmals charakterisierte und den bis dato gängigen Begriff der Dementia praecox (vorzeitige Demenz), der auf den Münchner Psychiater Emil Kraepelin (1856 – 1926) zurückging, ablöste.

Emil Kraepelin und Eugen Bleuler

Emil Kraepelin und Eugen Bleuler gelten als Namensgeber und Entdecker der Schizophrenie

Ätiologie

Die Ursachen einer Schizophrenie sind bis dato nicht abschließend geklärt und am ehesten multifaktoriell bedingt.

Genetische Faktoren

Eine positive Familienanamnese für Schizophrenie steigert das Risiko selbst zu erkranken. Die Höhe des Verwandtschaftsgrades beeinflusst die Möglichkeit einer Erkrankung ebenfalls negativ. So leiden etwa 12 % der Kinder von Müttern oder Vätern mit Schizophrenie später selbst unter der Krankheit. Erkrankt bei eineiigen Zwillingen eines an einer Schizophrenie, liegt die Wahrscheinlichkeit beim 2. Zwilling ebenfalls zu erkranken bei 50%. Bei zweieigen Zwillingen sinkt das Risiko bereits auf 15%, bei normalen Geschwistern beträgt es nur noch 9%.

Umweltassoziierte Faktoren

  • Veränderungen im Gehirn
  • Schlafstörungen
  • Drogenkonsum (z.B. Cannabis oder Amphetamine)
  • traumatische Erfahrungen
  • psychischer Stress (z.B. familiäre Konflikte)
  • Entwicklungsstörungen im Mutterleib oder in der Kindheit
  • Infektionen in früher Kindheit
  • frühere Hirntraumata

Neurobiologische Faktoren

Nachfolgend werden Fehlregulationen verschiedener Neurotransmitter und damit einhergehende Hypothesen aufgezeigt. Die Medizin geht hier von einer Dysbalance zwischen erregenden und hemmenden Neurotransmittersystemen aus (vor allem Glutamat, GABA, Dopamin), die nicht einzeln, sondern vielmehr als miteinander agierende neuronale Regelkreise betrachtet werden.

  • Dopaminhypothese
    ➜ Dysregulation des Dopaminstoffwechsels (vor allem präsynaptisch) mit Hyperaktivität im limbischen System und Hypoaktivität im Frontalhirn.
    ➜ Reduktion der psychotischen Positivsymptomatik durch Dopaminantagonisten (vor allem D2-Rezeptoren)
    ➜ Auslösung bzw. Verstärkung psychotischer Symptome durch Dopamin-agonistische Psychostimulanzien (z.B. Amphetamine oder Kokain)
  • Glutamathypothese
    ➜ Unterfunktion von NMDA-Rezeptoren (liegen in der postsynaptischen Membran) ➜ Folge: Glutamatmangel,vor allem in frontalen Hirnregionen
    ➜ Auslösung bzw. Verstärkung psychotischer Symptome (Positiv- wie auch Negativsymptome) durch NMDA-Antagonisten (z.B.: Phencyclidin).
  • Serotonin:
    ➜ Auslösung bzw. Verstärkung psychotischer Symptome durch Serotonin-agonistische Halluzinogene (z.B. LSD oder Psilocybin)

Epidemiologie

Die Schizophrenie kann als eine häufig auftretende Erkrankung angesehen werden (Lebenszeitrisiko ➜ 1%).

  • Männer und Frauen erkranken gleich häufig
  • Im Durchschnitt erkranken Männer früher als Frauen
  • erste psychotische Symptome bereits im 13. oder 14. Lebensjahr möglich
  • Hauptmanifestationsalter: Männern ➜ zwischen dem 20. und 25. Lebensjahr
  • Hauptmanifestationsalter: Frauen ➜ zwischen dem 25. und 30. sowie um das 45. Lebensjahr

Symptome und Formen

Grundsätzlich werden verschiedene Formen der Schizophrenie mit jeweils typischen Beschwerden unterschieden. Primär zählen hierzu:

Paranoide Schizophrenie

Sie ist die häufigste Form und beginnt meist im Alter zwischen 25 und 35 Jahren. Sie verläuft episodisch oder chronisch und ist überwiegend durch die folgenden Symptome gekennzeichnet:

  • Wahnvorstellungen
  • Halluzinationen (typisch ➜ Stimmen hören)
  • Verfolgungswahn
  • Reizbarkeit
  • Misstrauen
  • gelockerter formaler Gedankengang ➜ in akuten Krankheitsphasen

ICD-10 CodeF20.0

Hebephrene Schizophrenie

Eine hebephrene Schizophrenie beginnt meist im Alter zwischen 15 und 25 Jahren und entwickelt schnell eine Negativ-Symptomatik. Wichtige Merkmale sind:

  • Affekt flach, inadäquat
  • Zielloses, verantwortungsloses Verhalten
  • ungeordnetes Denken
  • weitschweifige, zerfahrene Sprache
  • Manierismus (bizarr aussehende Bewegungsabläufe)
  • nicht zur Situation passender Stimmung
  • Antriebsmangel

ICD-10 CodeF20.1

Katatone Schizophrenie

Diese eher selten gewordene Form der Schizophrenie beginnt zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr und macht sich vor allem durch folgende Symptome bemerkbar:

  • Stupor (tiefer Zustand der Teilnahmslosigkeit)
  • Erregungszustände
  • zielloser Bewegungsdrang
  • Erstarren
  • Grimassieren
  • Einnehmen bizarrer Haltungen

ICD-10 CodeF20.2

Undifferenzierte Schizophrenie

Bei der undifferenzierten Schizophrenie, ist kei­ne ein­deu­ti­ge Zu­ord­nung der Symptome zu den Formen paranoi­de Schizophrenie, he­bephre­ne Schizophrenie oder katatone Schizophrenie möglich. Die Symptomatik wechselt in­ner­halb von Stunden bis Ta­gen zwi­schen paranoi­den, halluzinato­ri­schen, affekti­ven und katatonen Symptomen.

ICD-10 CodeF20.3

Postschizophrene Depression

Bei der postschizophrenen Depression handelt es sich um eine depressive Episode, die im Anschluss an eine akute Schizophrenie auftreten kann. Es bestehen zwar noch einige
Positiv- und Negativsymptome, diese dominieren jedoch nicht das klinische Bild.

ICD-10 CodeF20.4

Cave: Eine postschizophrene Depression ist mit einem erhöhten Suizidrisiko verbunden.

Schizophrenes Risiduum

Bei einem schizophrenen Residualzustand liegen chronische Beschwerden vor, die meist nach einer akuten psychotischen Phase auftreten. Patienten sind in dieser Phase sehr passiv, antriebslos und wirken bedrückt. Weiter haben Sie wenig Interesse an Aktivitäten und es erfolgt der soziale Rückzug. Gesichtsausdruck und Sprache wirken emotionslos und es kann zu Konzentrations- und Gedächtnisstörungen kommen.

ICD-10 CodeF20.5

Schizophrenia simplex

Diese eher seltene Form der Schizophrenie zeichnet sich durch die chronisch fortschreitende Entwicklung einer Negativsymptomatik von Beginn der Erkrankung an aus. Typische Symptome sind:

  • ziel- und planloses Handlen
  • Trägheit
  • sozialer Rückzug
  • in sich verlorene Haltung
  • Antriebsminderung
  • Affektverflachung
  • keine Halluzinationen
  • kein Wahn

ICD-10 CodeF20.6

8 häufige Symptome einer Schizophrenie
8 häufige Symptome einer Schizophrenie:
Halluzinationen, Verfolgungswahn, Wahnvorstellungen, Bewegungsauffälligkeiten, Konzentrationsstörungen, Antriebslosigkeit, Fehlende Mimik/Gestik, unangemessenens Verhalten

Positiv- und Negativsymptomatik

Positivsymptomatik

  • Wahnhaftes Erleben
  • Halluzinationen (vor allem akustische)
  • Ich-Störungen
  • (Positive) formale Denkstörungen, vor allem. Denkzerfahrenheit 
  • Desorganisiertes, bizarres Verhalten

Produktive Symptome (➜ im Vergleich zum „Normalzustand“ kommt etwas hinzu) treten vor allem in akuten Phasen der Erkrankung auf:

Negativsymptomatik

  • Unfähigkeit Freude zu empfinden (Anhedonie)
  • Antriebslosigkeit und Apathie
  • Affektverflachung
  • Aufmerksamkeitsstörungen
  • Asozialität: Emotionaler und sozialer Rückzug
  • Alogie: Sprachverarmung

Nicht-produktive Symptome (➜ im Vergleich zum „Normalzustand“ wird etwas abgezogen) treten vor allem in  chronischen Phasen der Erkrankung auf:

Diagnostik

Die Diagnose der Schizophrenie basiert auf klinischen Kriterien und umfasst:

Klinische Beurteilung

  • Detaillierte Anamneseerhebung, einschließlich der Erfassung der Symptomatik, des Verlaufs und der familiären Vorgeschichte.
  • Psychiatrische Untersuchung zur Bewertung der geistigen Verfassung und des Verhaltens.

Diagnostische Kriterien (DSM-5)

  • Zwei oder mehr der folgenden Symptome über mindestens einen Monat, wobei mindestens eines der ersten drei Symptome vorliegen muss: Wahnvorstellungen, Halluzinationen, desorganisierte Sprechweise, grob desorganisiertes oder katatones Verhalten, negative Symptome.
  • Funktionseinschränkungen in einem oder mehreren wichtigen Lebensbereichen (Arbeit, soziale Beziehungen, Selbstversorgung).
  • Dauer der Störung (einschließlich Prodromal- und Residualphasen) von mindestens sechs Monaten.

Ausschlussdiagnosen

  • Ausschluss anderer psychischer Störungen (z.B. schizoaffektive Störung, affektive Störungen mit psychotischen Merkmalen).
  • Ausschluss von Substanzmissbrauch oder medizinischen Erkrankungen als Ursache der Symptome.

Zusätzliche Untersuchungen

  • Bildgebende Verfahren (MRT, CT) zur Identifikation struktureller Anomalien.
  • Laboruntersuchungen zur Abklärung organischer Ursachen und Ausschluss von Substanzmissbrauch.

Therapie

Die Behandlung der Schizophrenie ist multimodal und umfasst medikamentöse, psychotherapeutische und psychosoziale Ansätze:

Medikamentöse Therapie

  • Antipsychotika
    ➜ Erste Wahl zur Reduktion positiver Symptome und zur Prävention von Rückfällen. Typische (z.B. Haloperidol) und atypische (z.B. Risperidon, Olanzapin, Clozapin) Antipsychotika.
  • Adjuvante Medikamente
    ➜ Bei Bedarf zur Behandlung von begleitenden Depressionen, Angststörungen oder Schlafstörungen (z.B. Antidepressiva, Anxiolytika).

Psychotherapeutische Ansätze

  • Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
    ➜ Zur Reduktion von Wahnvorstellungen und Halluzinationen sowie zur Verbesserung des Umgangs mit der Erkrankung.
  • Familientherapie
    ➜ Unterstützung der Angehörigen und Verbesserung der familiären Kommunikation und Unterstützung.

Sozial- und Rehabilitationsmaßnahmen

  • Soziale Rehabilitation
    ➜ Förderung der sozialen Integration und Selbständigkeit durch berufliche Rehabilitation, Unterstützung bei der Wohnungsfindung und soziale Dienste.
  • Psychoedukation
    ➜ Aufklärung der Patienten und ihrer Familien über die Erkrankung, deren Behandlung und den Umgang mit Rückfällen.

Pflege bei Schizophrenie

Die Pflege von Patienten mit Schizophrenie erfordert ein umfassendes Verständnis der Erkrankung, ihrer Symptome und der besten Pflegepraktiken, um die Lebensqualität der Patienten zu verbessern und die Rückfallrate zu minimieren.

Zusammenfassung

Schizophrenie ist eine komplexe und schwerwiegende psychische Erkrankung, die eine umfassende und multidisziplinäre Behandlung erfordert. Durch eine Kombination aus medikamentöser Therapie, psychotherapeutischen Ansätzen und psychosozialer Unterstützung kann die Lebensqualität der Patienten verbessert und die Rückfallrate reduziert werden. Kontinuierliche Schulung und Weiterbildung des medizinischen Personals sind entscheidend, um die bestmögliche Versorgung von Patienten mit Schizophrenie zu gewährleisten.

Bei diesem Artikel handelt es sich um ein Gesundheitsthema. Er dient weder der Selbstdiagnose noch ersetzt er eine Diagnose durch einen Arzt. Bitte zusätzlich den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten!

Quellen

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  • Schizophrenie. (2023, 14. März). Amboss. Abgerufen am 19. März 2023, von https://next.amboss.com/de/article/pP0LfT
  • Kaplan, H.I., & Sadock, B.J. (2015). Kaplan and Sadock’s Comprehensive Textbook of Psychiatry. Lippincott Williams & Wilkins.Andreasen, N.C., & Black, D.W. (2014). Introductory Textbook of Psychiatry. American Psychiatric Publishing.
  • Owen, M.J., Sawa, A., & Mortensen, P.B. (2016). Schizophrenia. Lancet, 388(10039), 86-97. doi:10.1016/S0140-6736(15)01121-6
  • van Os, J., Kenis, G., & Rutten, B.P. (2010). The environment and schizophrenia. Nature, 468(7321), 203-212. doi:10.1038/nature09563
  • Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). (2023). Schizophrenie. Verfügbar unter: https://www.dgppn.de (Zugegriffen: 7. Juli 2024).
  • Andreae, S. (Hrsg.). (2008). Lexikon der Krankheiten und Untersuchungen (2. Aufl.). Thieme.