Blutkultur

Englisch:
blood culture
Probenmaterial:
Blut
Aussprache (IPA):
[ˈbluːtˌkʊltuːɐ̯]

Blutkulturen sind ein unverzichtbares diagnostisches Mittel zur Identifikation und Behandlung von systemischen Infektionen. Eine korrekte Entnahme, Handhabung und Interpretation der Blutkulturen sind entscheidend für die klinische Entscheidung und die optimale Patientenversorgung.

Bedeutung von Blutkulturen

Die Sepsis, eine potenziell lebensbedrohliche systemische Infektion, erfordert eine schnelle und präzise Diagnose, um eine effektive Therapie einzuleiten. Blutkulturen spielen hier eine zentrale Rolle, da sie Pathogene direkt aus dem Blut isolieren und somit eine gezielte antimikrobielle Behandlung ermöglichen. Zudem helfen sie, die Epidemiologie von nosokomialen und community-assoziierten Infektionen zu überwachen und antibiotische Resistenzmuster zu erfassen.

Indikationen von Blutkulturen

Klinische Indikationen für Blutkulturen

Fieber unklarer Genese

  • Definition
    ➜ Fieber unklarer Genese (FUO) wird typischerweise als Fieber über 38,3°C über mindestens drei Wochen ohne identifizierbare Ursache nach initialer ambulanter oder stationärer Abklärung definiert.
  • Indikation
    ➜ Blutkulturen sind indiziert, um mögliche systemische Infektionen, wie endovaskuläre Infektionen, versteckte Abszesse oder disseminierte Infektionen, zu identifizieren.

Sepsis und septischer Schock

  • Definition
    ➜ Sepsis ist eine lebensbedrohliche Organdysfunktion, die durch eine dysregulierte Reaktion des Körpers auf eine Infektion verursacht wird. Septischer Schock ist eine schwere Form der Sepsis mit Kreislauf- und Zellstoffwechselstörungen.
  • Indikation
    ➜ Blutkulturen sollten so früh wie möglich vor Beginn der antimikrobiellen Therapie abgenommen werden, um die verursachenden Pathogene zu identifizieren und die Therapie gezielt anpassen zu können.

Verdacht auf endovaskuläre Infektionen

  • Beispiele
    ➜ Endokarditis, Infektionen von Gefäßprothesen oder Herzschrittmachern.
  • Indikation
    ➜ Blutkulturen sind notwendig, um die Diagnose zu bestätigen und das spezifische Pathogen zu identifizieren, insbesondere bei Patienten mit anhaltendem oder wiederkehrendem Fieber und bekannten Risikofaktoren.

Akute bakterielle Meningitis

  • Symptome
    ➜ Fieber, Nackensteifigkeit, Bewusstseinsveränderungen.
  • Indikation
    ➜ Blutkulturen sollten parallel zur Lumbalpunktion durchgeführt werden, um die Diagnose einer bakteriellen Meningitis zu unterstützen und die entsprechenden Erreger zu identifizieren.

Infektionen des unteren Respirationstrakts

  • Beispiele
    ➜ Schwere Pneumonien, insbesondere bei immunsupprimierten Patienten oder solchen mit schwerer Grunderkrankung.
  • Indikation
    ➜ Blutkulturen sind angezeigt, wenn eine bakterielle Pneumonie vermutet wird, insbesondere wenn der Patient schwer krank ist oder eine schnelle Verschlechterung aufweist.

Infektionen des Harntrakts

  • Beispiele
    ➜ Pyelonephritis, insbesondere bei komplizierten Verläufen oder bei hospitalisierten Patienten.
  • Indikation
    ➜ Blutkulturen sollten bei Patienten mit schwerer Pyelonephritis, uroseptischem Verlauf oder immunsupprimierten Patienten durchgeführt werden.

Haut- und Weichteilinfektionen

  • Beispiele
    ➜ Zellulitis, nekrotisierende Fasziitis, infizierte Dekubitusgeschwüre.
  • Indikation
    ➜ Bei schweren Haut- und Weichteilinfektionen mit systemischen Symptomen (Fieber, Schüttelfrost) oder bei Verdacht auf tiefergehende Infektionen sind Blutkulturen indiziert.

Abdominale Infektionen

  • Beispiele
    ➜ Peritonitis, intraabdominelle Abszesse, cholangitis.
  • Indikation
    ➜ Blutkulturen sind bei Patienten mit schweren abdominalen Infektionen und systemischen Symptomen notwendig, um die Erreger zu identifizieren und eine gezielte Therapie einzuleiten.

Besondere Patientengruppen

Immunsupprimierte Patienten

  • Beispiele
    ➜ Patienten mit hämatologischen Malignomen, Organtransplantationen, immunsuppressiver Therapie.
  • Indikation
    ➜ Diese Patienten haben ein erhöhtes Risiko für schwere systemische Infektionen und Bakteriämien. Blutkulturen sollten bei jedem Verdacht auf eine Infektion oder bei unerklärlichem Fieber durchgeführt werden.

Neugeborene und Säuglinge

  • Symptome
    ➜ Fieber, Hypothermie, Lethargie, Nahrungsverweigerung.
  • Indikation
    ➜ Blutkulturen sind bei Neugeborenen und Säuglingen mit Fieber oder anderen unspezifischen Infektionszeichen indiziert, da sie ein hohes Risiko für schwere Infektionen haben.

Methodik der Blutkulturen

Entnahme und Handhabung

  • Probenentnahme
    ➜ Es ist essenziell, dass Blutkulturen unter aseptischen Bedingungen entnommen werden, um Kontaminationen zu vermeiden. Die Haut des Patienten sollte mit einem geeigneten Desinfektionsmittel, wie z.B. Chlorhexidin oder Jod, gründlich gereinigt werden. Für Erwachsene werden in der Regel 20-30 ml Blut (in mehreren Proben) und für Kinder entsprechend weniger Blutvolumen entnommen.
  • Zeitpunkt der Entnahme
    ➜ Idealerweise sollten Blutkulturen vor Beginn einer antimikrobiellen Therapie und während des Fieberanstiegs entnommen werden, da in diesen Zeitfenstern die Wahrscheinlichkeit am höchsten ist, Pathogene nachzuweisen.
  • Transport und Inkubation
    ➜ Die Proben müssen schnellstmöglich in ein mikrobiologisches Labor transportiert und in speziellen Nährmedien inkubiert werden. Moderne Blutkultursysteme verwenden automatisierte, kontinuierlich überwachte Flaschen, die CO2-Produktion oder andere Indikatoren für mikrobielles Wachstum detektieren.

Für die Untersuchung einer (möglichen) Organinfektion oder einer Sepsis sollen in der Regel immer 2 Blutkulturen, das heißt 2 x 2 Flaschen, befüllt werden!

Kulturmedien und Inkubation

Die Auswahl der richtigen Kulturmedien ist entscheidend für die erfolgreiche Isolierung und Identifizierung von Pathogenen aus Blutproben.

Blutkulturflaschen (aerob, anaerob)
Zu den häufigst verwendeten Kulturmedien im klinischen Setting zählen aerobe und anaerobe Blutkulturen

Allgemeine Kulturmedien

Aerobe Blutkulturen

Aerobe Kulturmedien sind speziell formuliert, um das Wachstum von Bakterien zu fördern, die Sauerstoff benötigen. Diese Medien enthalten in der Regel Nährstoffe wie Peptone, Glukose und Blutbestandteile, die das Wachstum einer Vielzahl von aeroben Bakterien unterstützen.

Anwendungsbeispiele

  • Staphylococcus aureus
  • Escherichia coli
  • Klebsiella pneumoniae

Anaerobe Blutkulturen

Anaerobe Kulturmedien sind so formuliert, dass sie das Wachstum von Bakterien ermöglichen, die in sauerstofffreien Umgebungen gedeihen. Diese Medien enthalten oft Reduktionsmittel wie Thioglykolat oder Cystein, um Sauerstoff zu entfernen oder zu reduzieren.

Anwendungsbeispiele

  • Bacteroides fragilis
  • Clostridium perfringens
  • Fusobacterium spp.

Spezielle Kulturmedien

Mykobakterienkulturmedien

Mykobakterien, wie Mycobacterium tuberculosis, sind anspruchsvolle Organismen, die spezielle Nährstoffe und längere Inkubationszeiten benötigen. Spezielle Medien wie Lowenstein-Jensen und Middlebrook 7H10/7H11 werden häufig verwendet.

  • Lowenstein-Jensen Medium
    ➜ Enthält Eier, Glycerin und Malachitgrün, um das Wachstum von Mykobakterien zu fördern und Kontaminanten zu hemmen.
  • Middlebrook 7H10/7H11
    ➜ Enthält Agar, Salze, Vitamine und andere Nährstoffe, die das Wachstum von Mykobakterien unterstützen.

Pilzkulturmedien

Pilze benötigen spezielle Medien, um ihr Wachstum zu fördern und Kontaminanten zu unterdrücken. Zu den häufig verwendeten Medien gehören Sabouraud-Dextrose-Agar und Chromogenic Agar.

  • Sabouraud-Dextrose-Agar
    ➜ Enthält Dextrose und Pepton, die das Wachstum von Pilzen fördern. Der saure pH-Wert hilft, Bakterienwachstum zu hemmen.
  • Chromogenic Agar
    ➜ Ermöglicht die Differenzierung von Pilzarten auf der Grundlage von Farbveränderungen der Kolonien.

Parasitenkulturmedien

Für die Kultur von Parasiten, insbesondere von Protozoen und Helminthen, werden spezifische Medien verwendet. Diese sind oft angereichert mit Nährstoffen, die für das Wachstum dieser Organismen erforderlich sind.

  • Boeck-Drbohlav Medium
    ➜ Verwendet zur Kultur von Entamoeba histolytica.
  • RPMI 1640 Medium
    ➜ Ein allgemein verwendetes Medium für die Kultur von Plasmodium spp. und anderen intraerythrozytären Parasiten.

Automatisierte Blutkultursysteme

Moderne automatisierte Blutkultursysteme, wie das BACTEC (Becton Dickinson) oder BacT/ALERT (bioMérieux), nutzen spezielle Flaschen, die sowohl aerobe als auch anaerobe Bedingungen bieten. Diese Systeme überwachen kontinuierlich die Flaschen auf Anzeichen von mikrobiellen Wachstum, indem sie Parameter wie CO2-Produktion messen.

  • BACTEC-System
    ➜ Verwendet fluoreszenzbasierte Sensoren, die Veränderungen im CO2-Gehalt detektieren. Die Flaschen enthalten spezifische Medien für aerobe, anaerobe und spezielle Organismen.
  • BacT/ALERT-System
    ➜ Nutzt kolorimetrische Sensoren, die Farbänderungen aufgrund von pH-Wert-Änderungen durch mikrobielles Wachstum erfassen. Die Flaschen sind für unterschiedliche Mikroorganismen optimiert.

Inkubation

Die meisten Blutkulturen werden bei einer Temperatur von 35-37°C inkubiert, was der normalen menschlichen Körpertemperatur entspricht und das Wachstum der meisten humanpathogenen Bakterien und Pilze fördert.

  • Dauer
    ➜ Standardmäßig werden Blutkulturen für 5 bis 7 Tage inkubiert. Diese Zeitspanne reicht in der Regel aus, um die meisten relevanten Pathogene zu detektieren.
  • Ausnahmen:
    ➜ Einige langsam wachsende oder anspruchsvolle Organismen, wie Mykobakterien oder bestimmte Pilze, erfordern längere Inkubationszeiten von bis zu 6 Wochen.

Faktoren, die die Inkubation beeinflussen

  • Blutvolumen
    ➜ Das Volumen des entnommenen Bluts kann die Sensitivität der Blutkulturen beeinflussen. Höhere Blutvolumina erhöhen die Wahrscheinlichkeit, Pathogene zu detektieren, insbesondere bei niedrigen Bakteriämie- oder Fungämie-Konzentrationen.
  • Anzahl der Proben
    ➜ Mehrere Blutkultursets erhöhen die Wahrscheinlichkeit, einen Erreger nachzuweisen, und helfen, Kontaminationen zu unterscheiden. Es wird empfohlen, mindestens zwei bis drei Sets zu unterschiedlichen Zeiten und aus verschiedenen Venipunktionsstellen zu entnehmen.
  • Zeit bis zur Inkubation
    ➜ Die Zeitspanne zwischen Probenentnahme und Inkubationsbeginn sollte so kurz wie möglich gehalten werden, um das Überleben der Mikroorganismen zu gewährleisten. Idealerweise sollten Proben innerhalb von zwei Stunden nach Entnahme inkubiert werden.

Interpretation der Ergebnisse

Positivbefunde

Ein positiver Blutkultur-Nachweis bedeutet das Wachstum eines Mikroorganismus, das durch Gram-Färbung, Subkulturen und biochemische Tests weiter identifiziert wird. Die klinische Relevanz eines positiven Befunds hängt von mehreren Faktoren ab:

  • Art des Pathogens
    ➜ Bestimmte Erreger, wie Staphylococcus aureus, E. coli oder Candida-Arten, sind fast immer als pathogen anzusehen, während andere, wie z.B. Hautflora (z.B. Staphylococcus epidermidis), als Kontaminanten betrachtet werden können, es sei denn, sie sind in mehreren Proben nachweisbar.
  • Anzahl der positiven Kulturen
    ➜ Mehrere positive Kulturen erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer echten Bakteriämie.
  • Klinischer Kontext
    ➜ Die Symptomatik des Patienten, Fieber, Schüttelfrost und andere Anzeichen einer Infektion müssen bei der Interpretation berücksichtigt werden.

Negativbefunde

Ein negativer Blutkulturbefund schließt eine Infektion nicht zwangsläufig aus, besonders bei Patienten, die bereits antimikrobielle Therapien erhalten oder Infektionen durch langsam wachsende oder schwierig zu kultivierende Erreger haben. Wiederholte Blutkulturen und der Einsatz von molekularbiologischen Techniken können hier hilfreich sein.

Klinische Implikationen und Herausforderungen

Antimikrobielle Therapie

Die Ergebnisse der Blutkulturen sind essenziell für die gezielte antimikrobielle Therapie. Eine frühzeitige Identifikation des Erregers und seine Antibiotikaempfindlichkeit ermöglichen eine spezifische Behandlung und vermeiden unnötige Breitbandantibiotika-Einsätze, die zur Resistenzentwicklung beitragen.

Herausforderungen

  • Kontaminationen
    ➜ Ein häufiges Problem bei Blutkulturen sind Kontaminationen durch Hautflora, die zu falsch positiven Ergebnissen führen können. Strikte aseptische Techniken bei der Probenentnahme sind entscheidend, um dieses Problem zu minimieren.
  • Spezialtechniken
    ➜ Für die Identifikation bestimmter Pathogene sind spezielle Techniken und Medien erforderlich, die nicht immer standardmäßig verfügbar sind.

Zusammenfassung

Blutkulturen sind essenziell für die Diagnose und Behandlung von bakteriellen und pilzlichen Infektionen des Blutkreislaufs, insbesondere bei Verdacht auf Sepsis. Eine korrekte Probenentnahme unter aseptischen Bedingungen, idealerweise vor Beginn einer antimikrobiellen Therapie, ist entscheidend. Für Erwachsene werden in der Regel 20-30 ml Blut entnommen, während bei Kindern weniger Volumen erforderlich ist. Die Proben werden schnellstmöglich in speziellen Nährmedien inkubiert.

Positive Blutkulturen, die durch Gram-Färbung und biochemische Tests identifiziert werden, ermöglichen eine gezielte antimikrobielle Therapie. Negativbefunde schließen eine Infektion nicht zwangsläufig aus, besonders bei bereits therapierten Patienten. Kontaminationen durch Hautflora stellen ein häufiges Problem dar, das durch strikte aseptische Techniken minimiert werden kann. Blutkulturen bleiben ein unverzichtbares diagnostisches Werkzeug, das durch kontinuierliche Schulungen und Forschung weiter optimiert werden sollte.

Quellen

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