Pflege im Nazionalsozialismus

Pflege im Nationalsozialismus: Ein dunkles Kapitel der Geschichte

Im Nazionalsozialismus wurden Pflegekräfte für die kranken Idiologien instrumentalisiert.
Geschichte 4 Minuten

Die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland von 1933 bis 1945 war geprägt von menschenverachtender Ideologie, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und systematischer Ausgrenzung und Vernichtung bestimmter Bevölkerungsgruppen. In diesem Kontext spielte auch die Pflege eine tragische Rolle. Pflegekräfte wurden sowohl Opfer als auch Täter, wobei sie in menschenunwürdige Praktiken verwickelt wurden, die weit von den ethischen Prinzipien der Pflege entfernt waren.

Ideologische Grundlagen

Rassenhygiene und Eugenik

Die nationalsozialistische Ideologie basierte stark auf den Prinzipien der Rassenhygiene und Eugenik. Diese Konzepte zielten darauf ab, die „arische Rasse“ zu stärken und „lebensunwertes Leben“ zu eliminieren. Menschen mit Behinderungen, psychischen Erkrankungen und andere als „minderwertig“ angesehene Personen wurden als Belastung für die Gesellschaft betrachtet und systematisch ausgegrenzt.

Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses

1933 verabschiedeten die Nationalsozialisten das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“, das die Zwangssterilisation von Menschen mit bestimmten Erkrankungen und Behinderungen erlaubte. Pflegekräfte spielten eine Schlüsselrolle bei der Identifizierung und Meldung von Betroffenen, was oft zur Zwangssterilisation führte.

Rolle der Pflegekräfte

Ausbildung und Indoktrination

Während der NS-Zeit wurde die Ausbildung von Pflegekräften stark ideologisiert. Die Pflegeausbildung beinhaltete Schulungen in nationalsozialistischer Ideologie, einschließlich der Prinzipien der Rassenhygiene. Pflegekräfte wurden darauf vorbereitet, die politischen Ziele des Regimes zu unterstützen und durchzusetzen.

Beteiligung an Euthanasieprogrammen

Pflegekräfte waren aktiv an den sogenannten Euthanasieprogrammen beteiligt, insbesondere an der Aktion T4. Diese Programme zielten auf die systematische Ermordung von Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen ab. Pflegekräfte halfen bei der Identifizierung, Meldung und oft auch bei der physischen Vernichtung der Betroffenen.

Aktion T4 ist eine nach 1945 gebräuchlich gewordene Bezeichnung für den systematischen Massenmord an mehr als 70.000 Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen in Deutschland von 1940 bis 1941 unter Leitung der Zentraldienststelle T4.

Praxis der Pflege im Nationalsozialismus

Bedingungen in Pflegeeinrichtungen

Die Bedingungen in den Pflegeeinrichtungen während der NS-Zeit waren oft katastrophal. Überfüllung, mangelnde Hygiene und unzureichende medizinische Versorgung waren an der Tagesordnung. Pflegekräfte arbeiteten unter enormem Druck und oft ohne ausreichende Ressourcen.

Missbrauch und Vernachlässigung

Professionell Pflegende waren häufig direkt in Missbrauch und Vernachlässigung involviert. Es gibt zahlreiche Berichte über Misshandlungen, absichtliche Unterversorgung und aktive Beteiligung an Tötungen. Diese Handlungen standen im direkten Widerspruch zu den ethischen Grundsätzen der Pflege.

Auswirkungen und Aufarbeitung

Langfristige Auswirkungen auf die Pflegeberufe

Die Ereignisse während der NS-Zeit hinterließen tiefe Spuren im Pflegeberuf. Das Vertrauen in Pflegekräfte und das Gesundheitssystem war schwer beschädigt. Nach dem Krieg begann ein langsamer Prozess der Aufarbeitung und Reformen, um die Pflegeberufe zu rehabilitieren und ethische Standards wiederherzustellen.

Juristische Aufarbeitung

Nach dem Krieg wurden einige Pflegekräfte für ihre Beteiligung an den Verbrechen des NS-Regimes zur Rechenschaft gezogen. Die Nürnberger Prozesse und andere Gerichtsverfahren versuchten, Gerechtigkeit für die Opfer zu schaffen. Viele Verbrechen blieben jedoch ungesühnt, und die juristische Aufarbeitung blieb lückenhaft.

Erinnerungskultur

Die Erinnerung an die Verbrechen der Pflege im Nationalsozialismus ist ein wichtiger Bestandteil der deutschen Erinnerungskultur. Gedenkstätten, Museen und Bildungsprogramme tragen dazu bei, das Bewusstsein für diese dunkle Epoche zu schärfen und sicherzustellen, dass sich solche Verbrechen niemals wiederholen.

Zusammenfassung

Die Pflege im Nationalsozialismus stellt ein düsteres Kapitel in der Geschichte der Pflegeberufe dar. Pflegekräfte wurden sowohl als Instrumente der Ideologie missbraucht als auch zu Tätern gemacht. Die ideologische Indoktrination, die Beteiligung an menschenverachtenden Programmen und die schlechten Bedingungen in Pflegeeinrichtungen sind Mahnmale für die Gefahren, wenn ethische Grundsätze der Pflege aufgegeben werden. Die Aufarbeitung dieser Geschichte ist unerlässlich, um aus der Vergangenheit zu lernen und sicherzustellen, dass die Pflegeberufe heute und in Zukunft den höchsten ethischen Standards entsprechen.

Quellen

  • Aly, Götz. Die Belasteten: „Euthanasie“ 1939-1945: Eine Gesellschaftsgeschichte. Fischer, 2013.
  • Friedlander, Henry. Der Weg zum NS-Genozid: Von der Euthanasie zur Endlösung. Berlin Verlag, 1997.
  • Burleigh, Michael. Death and Deliverance: „Euthanasia“ in Germany, 1900-1945. Cambridge University Press, 1994.
  • Seidelman, William E. „Nazi Medicine and the Nuremberg Trials: From Medical War Crimes to Informed Consent.“ Bulletin of the History of Medicine, vol. 64, no. 3, 1990, pp. 503-515.
  • Klee, Ernst. Euthanasie im NS-Staat: Die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“. Fischer Taschenbuch Verlag, 1983.