Physiologische Anpassungen des menschlichen Körpers unter Wasser

Physiologische Anpassungen des menschlichen Körpers unter Wasser

Das Eintauchen des menschlichen Körpers ins Wasser führt zu komplexen physiologischen Reaktionen, die das Herz-Kreislauf-System, die Atmung, das zentrale Nervensystem und die Thermoregulation betreffen. Für medizinisches Fachpersonal ist das Verständnis dieser Anpassungen entscheidend.
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Das Eintauchen des menschlichen Körpers in Wasser führt zu einer Reihe von physiologischen Veränderungen, die sowohl auf die physikalischen Eigenschaften des Wassers als auch auf die spezifischen Bedingungen der Immersion zurückzuführen sind. Diese Veränderungen können, abhängig von der Dauer und Tiefe der Exposition, signifikante Auswirkungen auf verschiedene Körpersysteme haben.

Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System

Das Herz-Kreislauf-System ist eines der ersten Systeme, das auf das Eintauchen in Wasser reagiert. Der hydrostatische Druck, den das Wasser auf den Körper ausübt, führt zu einer signifikanten Umverteilung des Blutvolumens, insbesondere in Richtung der zentralen Blutgefäße und des Herzens.

Zentralisierung des Blutvolumens

Der hydrostatische Druck des Wassers komprimiert die Blutgefäße in den Extremitäten, was das Blut in Richtung der zentralen Körperhöhlen drängt. Diese Zentralisierung des Blutvolumens erhöht den venösen Rückfluss zum Herzen erheblich. Als Folge steigt das enddiastolische Volumen des Herzens, was zu einer erhöhten Dehnung des Myokards und somit zu einer Zunahme des Schlagvolumens führt. Dieser Mechanismus ist ein wesentlicher Teil der Frank-Starling-Beziehung und sorgt dafür, dass das Herzminutenvolumen in Ruhe unter Wasser um bis zu 30% ansteigen kann.

Erhöhter pulmonalarterieller Druck

Das erhöhte zentrale Blutvolumen führt zu einem Anstieg des pulmonalarteriellen Drucks. Dies bedeutet eine erhöhte Belastung des rechten Ventrikels, da dieser nun gegen einen höheren Druck pumpen muss. Diese Situation kann insbesondere bei Patienten mit vorbestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen problematisch werden, da sie das Risiko für eine Rechtsherzinsuffizienz erhöht.

Tauchreflex und Bradykardie

Der sogenannte Tauchreflex ist eine Kombination von physiologischen Reaktionen, die durch das Eintauchen des Gesichts ins Wasser ausgelöst werden. Dieser Reflex wird durch eine Aktivierung des Parasympathikus vermittelt und führt zu einer Verlangsamung der Herzfrequenz (Bradykardie). Die Reduktion der Herzfrequenz dient der Schonung der Sauerstoffreserven des Körpers, indem der Sauerstoffverbrauch gesenkt und das Blut vermehrt zu den lebenswichtigen Organen wie Gehirn und Herz umgeleitet wird. Gleichzeitig fördert der Reflex eine periphere Vasokonstriktion, die den Blutdruck weiter erhöhen kann.

Periphere Vasokonstriktion

Die periphere Vasokonstriktion unter Wasser ist eine Folge des hydrostatischen Drucks und des Tauchreflexes. Dieser Mechanismus reduziert die Durchblutung der Haut und der Extremitäten, wodurch der periphere Widerstand ansteigt. Der erhöhte Widerstand kann den Blutdruck in der zentralen Zirkulation erheblich erhöhen, was bei Patienten mit arterieller Hypertonie oder Herzinsuffizienz ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen darstellt.

Veränderungen im Atemsystem

Die Atmung wird unter Wasser durch mehrere Faktoren erschwert, insbesondere durch den erhöhten externen Druck auf den Thorax und die damit verbundenen biomechanischen und physiologischen Herausforderungen.

Erhöhter Atemwiderstand

Unter Wasser wirkt der hydrostatische Druck direkt auf den Thorax und komprimiert diesen. Die dadurch entstehende Verengung des Thoraxraumes erschwert die Inspiration, da die Atemmuskulatur gegen den erhöhten Druck arbeiten muss, um die Lunge zu dehnen. Diese erhöhte Atemarbeit führt zu einer Reduktion des Atemzugvolumens und einer vermehrten Beanspruchung der Atemmuskulatur.

Reduktion der funktionellen Residualkapazität (FRC)

Die funktionelle Residualkapazität (FRC) beschreibt das Volumen an Luft, das nach einer normalen Exspiration in der Lunge verbleibt. Unter dem Einfluss des hydrostatischen Drucks wird die FRC reduziert, da die Lunge in einen weniger gedehnten Zustand gebracht wird. Diese Volumenreduktion erhöht das Risiko für die Entwicklung von Atelektasen, insbesondere in den basalen Lungenabschnitten, was zu einer beeinträchtigten Gasdiffusion und einem möglichen Abfall der arteriellen Sauerstoffsättigung führen kann.

Hyperkapnie und CO2-Retention

Die eingeschränkte Ventilation aufgrund des erhöhten Atemwiderstands und der reduzierten FRC kann zu einer ineffizienten Elimination von Kohlendioxid führen. Dies kann zu einer Retention von CO2 und in der Folge zu einer Hyperkapnie führen. Eine schwere Hyperkapnie kann zu respiratorischer Azidose, erhöhter Atemfrequenz, Dyspnoe und letztlich zu Bewusstseinsstörungen führen.

Zentralnervensystem und die Auswirkungen des Wasserdrucks

Das zentrale Nervensystem (ZNS) reagiert empfindlich auf die veränderten Druckverhältnisse unter Wasser, insbesondere bei tiefen Tauchgängen. Verschiedene physiologische und pathophysiologische Zustände können auftreten, abhängig vom Umgebungsdruck und der Expositionsdauer.

Sauerstoffvergiftung (Hyperoxie)

Mit zunehmender Tauchtiefe steigt der Umgebungsdruck, und damit auch der Partialdruck des Sauerstoffs (pO2) in den Alveolen. Bei einem pO2 von über 1,6 ATA (Atmosphären absolut) kann es zu toxischen Effekten des Sauerstoffs kommen. Diese Hyperoxie kann das zentrale Nervensystem beeinträchtigen und Symptome wie Krampfanfälle, Sehstörungen, Übelkeit und Verwirrtheit verursachen. Besonders gefährlich ist die akute Sauerstoffvergiftung, die durch plötzliche Krampfanfälle und Bewusstlosigkeit zu einem Ertrinkungsrisiko führen kann.

Stickstoffnarkose (Inertgasnarkose)

Ab Tiefen von etwa 30 Metern kann Stickstoff bei einem Partialdruck von etwa 3-4 ATA narkotische Effekte entfalten. Die Stickstoffnarkose äußert sich durch eine eingeschränkte kognitive Funktion, Euphorie, gestörte Urteilsfähigkeit und verminderte motorische Koordination. Die Schwere der Narkose ist individuell unterschiedlich und kann durch Faktoren wie Ermüdung, Kälte und Alkoholkonsum verstärkt werden. Medizinisches Fachpersonal muss sich der Gefahr dieser „Tiefenrausch“-Symptome bewusst sein, insbesondere bei der Betreuung von Tauchern.

Dekompressionskrankheit (Caissonkrankheit)

Beim zu schnellen Auftauchen nach einem langen oder tiefen Tauchgang kann sich der Stickstoff, der während des Tauchgangs im Gewebe gelöst wurde, in Form von Gasblasen absondern. Diese Blasen können in Blutgefäßen und Geweben Schäden verursachen, was zu einer Vielzahl von Symptomen führen kann, darunter Gelenkschmerzen, Schwindel, Parästhesien, Lähmungen und in schweren Fällen zu kardiovaskulären Komplikationen oder neurologischen Ausfällen. Die Prävention und Behandlung der Dekompressionskrankheit erfordert spezialisierte Kenntnisse, einschließlich der Anwendung von Dekompressionsprotokollen und der Notfallbehandlung in einer hyperbaren Kammer.

Die Dekompressionskrankheit (Caissonkrankheit) wird umgangssprachlich auch als Taucherkrankheit bezeichnet.

Thermoregulation unter Wasser

Die Thermoregulation des Körpers wird unter Wasser aufgrund der hohen Wärmeleitfähigkeit von Wasser erheblich herausgefordert. Dies führt zu einem raschen Wärmeverlust und kann unter bestimmten Umständen zu schwerwiegenden Konsequenzen führen.

Hypothermie

Wasser leitet Wärme etwa 25-mal schneller ab als Luft, was den menschlichen Körper besonders anfällig für Hypothermie macht, selbst bei Wassertemperaturen, die als relativ mild empfunden werden. Hypothermie tritt auf, wenn die Körperkerntemperatur unter 35°C sinkt. Symptome reichen von leichtem Zittern über Verwirrung bis hin zu Bewusstlosigkeit und Kreislaufversagen. Bei einer fortgeschrittenen Hypothermie verlangsamt sich der Stoffwechsel, und die Gefahr einer Herzrhythmusstörung steigt erheblich.

Kälte-induzierte Vasokonstriktion und Diurese

Als Reaktion auf den Wärmeverlust verengen sich die peripheren Blutgefäße (Vasokonstriktion), um die Wärmeabgabe zu minimieren und das Blut in den zentralen Körperbereich zu verlagern. Dies führt zu einem erhöhten zentralen Blutvolumen und kann den Blutdruck weiter erhöhen, was für Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen problematisch sein kann. Die Umverteilung des Blutvolumens führt auch zu einer vermehrten Urinproduktion (kälte-induzierte Diurese), was zu einem erhöhten Flüssigkeits- und Elektrolytverlust führt.

Unterkühlung und Herzrhythmusstörungen

Eine fortschreitende Hypothermie kann zur Entwicklung schwerer Herzrhythmusstörungen führen, insbesondere von Kammerflimmern. Die Behandlung einer durch Kälte induzierten Hypothermie erfordert spezielle Erwärmungstechniken, die von einer aktiven externen Erwärmung bis hin zu invasiven Methoden wie der extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) reichen können, abhängig vom Schweregrad der Hypothermie.

Weitere physiologische und pathophysiologische Effekte

Neben den bereits erwähnten Anpassungen gibt es weitere bedeutende physiologische Veränderungen, die bei längerer Immersion oder bei Tiefentauchgängen auftreten können.

Barotraumen

Mit zunehmender Tiefe steigt der Umgebungsdruck, was eine Kompression aller luftgefüllten Hohlräume im Körper zur Folge hat. Zu diesen Hohlräumen gehören die Lunge, das Mittelohr und die Nasennebenhöhlen. Ein unzureichender Druckausgleich in diesen Hohlräumen kann zu einem Barotrauma führen, das sich durch Schmerzen, Blutungen und in schweren Fällen durch einen Pneumothorax oder eine arterielle Gasembolie äußern kann. Besonders gefährdet sind Taucher, die unter einer oberen Atemwegsinfektion leiden oder anatomische Anomalien wie eine Septumdeviation haben.

Veränderte sensorische Wahrnehmung

Unter Wasser sind die sensorischen Wahrnehmungen des Menschen, insbesondere das Hören und die visuelle Wahrnehmung, erheblich verändert. Schallwellen breiten sich im Wasser schneller und auf andere Weise aus als in der Luft, was das Richtungshören erschwert. Visuelle Verzerrungen durch die Brechung des Lichts an der Wasseroberfläche können die Einschätzung von Entfernungen und Größen erschweren. Diese veränderten sensorischen Inputs können die Reaktionszeit verzögern und die Koordination beeinträchtigen, was das Unfallrisiko erhöht.

Langfristige Effekte und Anpassungen

Bei regelmäßiger Exposition gegenüber den Bedingungen unter Wasser können sich auch langfristige physiologische Anpassungen entwickeln. Dazu gehören eine erhöhte Toleranz gegenüber erhöhtem Umgebungsdruck, eine verbesserte Fähigkeit zur CO2-Elimination und eine verbesserte periphere Vasokonstriktionsantwort. Es ist wichtig, diese Anpassungen zu erkennen und zu verstehen, um sowohl die potenziellen Vorteile als auch die Risiken einer wiederholten Exposition zu bewerten.

Zusammenfassung

Das Eintauchen des menschlichen Körpers in Wasser stellt eine Herausforderung für nahezu alle Körpersysteme dar. Die komplexen physiologischen Anpassungen, die der Körper dabei durchläuft, sind größtenteils adaptiv, können jedoch unter bestimmten Bedingungen zu schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken führen. Für medizinisches Fachpersonal ist es von entscheidender Bedeutung, diese Reaktionen und die damit verbundenen Risiken zu kennen, um geeignete Präventions- und Behandlungsstrategien entwickeln zu können. Insbesondere in der Betreuung von Tauchern oder Personen, die beruflich oder privat regelmäßig in Wasserumgebungen aktiv sind, ist ein tiefes Verständnis der physiologischen Mechanismen und der möglichen pathologischen Zustände unerlässlich. Die Fähigkeit, potenzielle Gefahren frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu handeln, kann lebensrettend sein und zur Erhaltung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Betroffenen beitragen.

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