Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL) nach Juchli

Die Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL) nach Liliane Juchli sind ein Konzept, das im Pflegebereich weit verbreitet ist. Sie bieten eine strukturierte Methode zur Beurteilung und Unterstützung der Pflegebedürftigkeit von Patienten. Diese Aktivitäten sind in zwölf Kategorien unterteilt und decken alle wesentlichen Bereiche des täglichen Lebens ab. Dieses Konzept hilft Pflegekräften, eine ganzheitliche und individuelle Pflegeplanung zu erstellen.

Hintergrund

Liliane Juchli, eine Schweizer Pflegewissenschaftlerin, entwickelte das Konzept der Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL), um die Pflegepraxis zu strukturieren und zu verbessern. Die ATL dienen als Grundlage für die systematische Erfassung der Pflegebedürfnisse von Patienten und helfen Pflegekräften, eine ganzheitliche und individuelle Pflegeplanung zu erstellen.

Die zwölf Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL)

Sich waschen und kleiden

  • Beschreibung
    ➜ Umfasst alle Aspekte der Körperpflege und des Ankleidens.
  • Ziel
    ➜ Förderung der Selbstständigkeit bei der täglichen Hygiene und Kleidung.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Unterstützung beim Waschen und Ankleiden, Bereitstellung geeigneter Kleidung, Anleitung zur selbstständigen Durchführung.

Essen und Trinken

  • Beschreibung
    ➜ Nahrungsaufnahme und Flüssigkeitszufuhr.
  • Ziel
    ➜ Sicherstellung einer ausreichenden Ernährung und Hydratation.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Essensvorbereitung, Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme, Überwachung der Flüssigkeitszufuhr.

Ausscheiden

  • Beschreibung
    ➜ Prozesse der Blasen- und Darmentleerung.
  • Ziel
    ➜ Unterstützung und Förderung der natürlichen Ausscheidungsprozesse.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Hilfe beim Toilettengang, Bereitstellung von Inkontinenzmaterialien, Überwachung der Ausscheidung.

Sich bewegen

  • Beschreibung
    ➜ Mobilität im weitesten Sinne, einschließlich Fortbewegung und Lagewechsel.
  • Ziel
    ➜ Erhaltung und Förderung der Mobilität.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Mobilisationsübungen, Hilfestellung beim Gehen, Lagerungstechniken.

Ruhen und schlafen

  • Beschreibung
    ➜ Erholung und Schlaf.
  • Ziel
    ➜ Sicherstellung einer ausreichenden Erholung und eines gesunden Schlafs.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Schaffung einer ruhigen Umgebung, Unterstützung bei Schlafproblemen, Entspannungstechniken.

Sich beschäftigen

  • Beschreibung
    ➜ Teilnahme an Aktivitäten und Freizeitgestaltung.
  • Ziel
    ➜ Förderung der Selbstverwirklichung und Zufriedenheit durch sinnvolle Beschäftigungen.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Planung und Durchführung von Freizeitaktivitäten, Motivation zur Teilnahme an Hobbys, soziale Interaktionen fördern.

Sich als Mann/Frau fühlen und verhalten

  • Beschreibung
    ➜ Geschlechtsspezifische Identität und Sexualität.
  • Ziel
    ➜ Unterstützung bei der Pflege der eigenen Identität und Sexualität.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Gesprächsangebote zu Fragen der Sexualität, Unterstützung bei der Pflege des äußeren Erscheinungsbildes.

Für eine sichere Umgebung sorgen

  • Beschreibung
    ➜ Sicherheitsmaßnahmen und Unfallprävention.
  • Ziel
    ➜ Schaffung und Erhaltung einer sicheren Umgebung.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Gefahrenquellen identifizieren und beseitigen, Sicherheitsvorkehrungen treffen, Sturzprävention.

Kommunizieren

  • Beschreibung
    ➜ Austausch von Informationen und Interaktionen.
  • Ziel
    ➜ Förderung der Kommunikationsfähigkeiten und Sicherstellung der Informationsweitergabe.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Unterstützung bei Kommunikationsproblemen, Nutzung von Kommunikationshilfen, Förderung des Austauschs.

Sich als Teil der Gesellschaft fühlen

  • Beschreibung
    ➜ Soziale Integration und Teilnahme am Gemeinschaftsleben.
  • Ziel
    ➜ Förderung der sozialen Kontakte und der gesellschaftlichen Teilhabe.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Förderung der Teilnahme an Gemeinschaftsaktivitäten, Unterstützung bei der Pflege sozialer Kontakte, Teilnahme an kulturellen und sozialen Veranstaltungen.

Mit existenziellen Erfahrungen des Lebens umgehen

  • Beschreibung
    ➜ Umgang mit lebensverändernden und existenziellen Ereignissen wie Krankheit, Trauer und Tod.
  • Ziel
    ➜ Unterstützung bei der Bewältigung von Krisen und existenziellen Herausforderungen.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Seelsorgerische Unterstützung, Gesprächsangebote, Unterstützung in Trauersituationen.

Sich pflegen

  • Beschreibung
    ➜ Eigenverantwortliche Gesundheitsfürsorge.
  • Ziel
    ➜ Förderung der Selbstpflegefähigkeiten.
  • Beispielhafte Pflegeinterventionen
    ➜ Anleitung zur Selbstpflege, Unterstützung bei der Organisation von Gesundheitsmaßnahmen, Förderung gesundheitsbewusster Verhaltensweisen.

Anwendung in der Pflegepraxis

Pflegeanamnese

  • Einsatz
    ➜ Nutzung der ATL-Kategorien zur systematischen Erfassung der Pflegebedürfnisse eines Patienten.
  • Vorteil
    ➜ Ermöglicht eine umfassende und ganzheitliche Einschätzung.

Pflegeplanung

  • Einsatz
    ➜ Erstellung individueller Pflegepläne basierend auf den Ergebnissen der Pflegeanamnese.
  • Vorteil
    ➜ Unterstützung einer patientenzentrierten Pflege.

Pflegediagnosen

  • Einsatz
    ➜ Identifikation von spezifischen Pflegeproblemen und -ressourcen.
  • Vorteil
    ➜ Gezielte Interventionen zur Lösung oder Linderung von Pflegeproblemen.

Pflegeinterventionen

  • Einsatz
    ➜ Durchführung von Maßnahmen, die auf den individuellen Bedarf des Patienten abgestimmt sind.
  • Vorteil
    ➜ Verbesserung der Lebensqualität und Förderung der Selbstständigkeit.

Vorteile des ATL-Modells

  • Ganzheitlicher Ansatz
    • Das Modell berücksichtigt alle wesentlichen Aspekte des täglichen Lebens und fördert eine umfassende Pflege.
  • Individuelle Pflege
    • Ermöglicht eine auf die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Patienten abgestimmte Pflegeplanung.
  • Förderung der Selbstständigkeit
    • Unterstützt die Patienten dabei, ihre Selbstständigkeit und Lebensqualität zu erhalten oder zu verbessern.

Schulung und Weiterbildung

  • Grundlagenschulungen
    • Einführung in das Konzept der ATL nach Juchli für neue Pflegekräfte.
  • Fortgeschrittenenkurse
    • Vertiefung der Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit spezifischen ATL-Kategorien.
  • Zertifizierungen
    • Möglichkeit zur Zertifizierung in der Anwendung der ATL für qualifiziertes Pflegepersonal.

Zusammenfassung

Das Konzept der Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL) nach Liliane Juchli bietet eine strukturierte und ganzheitliche Grundlage für die Pflegeplanung und -durchführung. Durch die Fokussierung auf zwölf zentrale Lebensbereiche können Pflegekräfte die individuellen Bedürfnisse der Patienten besser erfassen und gezielt darauf eingehen. Dies fördert die Selbstständigkeit und Lebensqualität der Pflegebedürftigen und unterstützt das Pflegepersonal bei der effektiven und patientenzentrierten Pflege.

Quellen

  • Juchli, L. (2000). Pflegeplanung: Die zwölf Aktivitäten des täglichen Lebens. Elsevier.
  • Fiechter, V., & Meier, C. (1998). Pflegeplanung Schritt für Schritt: Eine praxisnahe Anleitung. Huber.
  • Elsevier GmbH, & Menche, N. (Hrsg.). (2019). Pflege Heute (7. Aufl.). Urban & Fischer in Elsevier.
  • Müller, H., & Niedermann, K. (2017). Bedeutung der ATL nach Juchli in der modernen Pflege. Pflegewissenschaft, 19(4), 123-130.
  • Schmidt, B., & Wirth, T. (2019). Anwendung der Aktivitäten des täglichen Lebens in der Pflegepraxis. Pflegezeitschrift, 72(6), 250-256.