Expertenstandards
Die deutschen Expertenstandards sind systematisch entwickelte Instrumente, die die Qualität der Gesundheitsversorgung sicherstellen und verbessern sollen. Sie dienen als Leitlinien für die Praxis und sind ein wichtiger Bestandteil des Qualitätsmanagements in medizinischen Einrichtungen. Diese Standards basieren auf den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen und werden von Fachgesellschaften und Expertenkommissionen entwickelt.
Hintergrund und Zielsetzung
Die Entwicklung der Expertenstandards in Deutschland wird vor allem vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) koordiniert. Diese Standards haben das Ziel, die Pflegequalität zu verbessern, die Patienten- und Mitarbeitersicherheit zu erhöhen und die Effizienz der Gesundheitsversorgung zu steigern. Die Standards sollen zudem die Arbeit von medizinischem Personal strukturieren und vereinheitlichen, indem sie klare Handlungsanweisungen und Kriterien für die Qualitätssicherung bieten.
Struktur der Expertenstandards
Ein typischer Expertenstandard besteht aus mehreren Komponenten:
- Zielsetzung und Geltungsbereich
- Hier wird erläutert, welches Ziel der Standard verfolgt und für welche Bereiche und Personengruppen er gilt.
- Standards und Kriterien
- Dies umfasst die spezifischen Handlungsanweisungen und Qualitätskriterien, die das medizinische Personal befolgen soll.
- Begründung
- Eine wissenschaftliche Begründung, die die Evidenzbasis für die festgelegten Standards liefert.
- Anwendungsbereiche und Implementierung
- Empfehlungen zur praktischen Anwendung und Implementierung der Standards in den Arbeitsalltag.
- Evaluation und Überprüfung
- Methoden zur Bewertung und Überprüfung der Einhaltung und Wirksamkeit des Standards.
Übersicht der Expertenstandards
Dekubitusprophylaxe in der Pflege
- Zielsetzung
➜ Vermeidung von Druckgeschwüren (Dekubitus) bei Patienten. - Inhalt
➜ Dieser Standard umfasst die Bewertung des Dekubitusrisikos, präventive Maßnahmen wie regelmäßige Umlagerung und Hautpflege sowie die Schulung des Pflegepersonals in Bezug auf Dekubitusprophylaxe. - Veröffentlichung
➜ 2000 (aktualisiert 2017)
Schmerzmanagement in der Pflege
- Zielsetzung
➜ Verbesserung der Schmerzerkennung und -behandlung bei Patienten. - Inhalt
➜ Beinhaltet die systematische Schmerzerfassung, die Anwendung geeigneter Schmerztherapien und die kontinuierliche Überwachung und Dokumentation der Schmerzverläufe. - Veröffentlichung
➜ 2005 (aktualisiert 2020)
Sturzprophylaxe in der Pflege
- Zielsetzung
➜ Vermeidung von Stürzen und Reduzierung der damit verbundenen Verletzungen. - Inhalt
➜ Maßnahmen zur Risikobewertung, Umweltanpassungen zur Sturzvermeidung und Schulung des Pflegepersonals in sturzpräventiven Techniken. - Veröffentlichung
➜ 2006 (aktualisiert 2017)
Förderung der Harnkontinenz in der Pflege
- Zielsetzung
➜ Unterstützung und Wiederherstellung der Harnkontinenz bei Patienten. - Inhalt
➜ Assessment der Kontinenz, Erstellung individueller Kontinenzförderpläne und Schulung des Pflegepersonals in Kontinenz fördernden Maßnahmen. - Veröffentlichung
➜ 2007 (aktualisiert 2021)
Entlassungsmanagement in der Pflege
- Zielsetzung
➜ Sicherstellung einer kontinuierlichen und nahtlosen Versorgung nach der Entlassung aus dem Krankenhaus. - Inhalt
➜ Umfasst die frühzeitige Planung der Entlassung, Koordination mit nachsorgenden Einrichtungen und Unterstützung der Patienten und Angehörigen bei der Organisation der häuslichen Pflege. - Veröffentlichung
➜ 2009 (aktualisiert 2019)
Ernährungsmanagement zur Sicherstellung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege
- Zielsetzung
➜ Sicherstellung einer ausreichenden und ausgewogenen Ernährung der Patienten. - Inhalt
➜ Assessment des Ernährungsstatus, Erstellung und Umsetzung individueller Ernährungspläne und Schulung des Pflegepersonals in Ernährungstherapien. - Veröffentlichung
➜ 2010 (aktualisiert 2017)
Förderung der Mobilität in der Pflege
- Zielsetzung
➜ Erhaltung und Verbesserung der Mobilität von Patienten. - Inhalt
➜ Maßnahmen zur Mobilitätsförderung, individuelle Bewegungspläne und Schulung des Pflegepersonals in mobilitätsfördernden Techniken. - Veröffentlichung
➜ 2014 (aktualisiert 2021)
Pflege von Menschen mit chronischen Wunden
- Zielsetzung
➜ Verbesserung der Versorgung und Heilung von chronischen Wunden. - Inhalt
➜ Risikobewertung, Erstellung individueller Wundbehandlungspläne und Schulung des Pflegepersonals in modernen Wundtherapien. - Veröffentlichung
➜ 2012 (aktualisiert 2020)
Pflege von Menschen mit Demenz
- Zielsetzung
➜ Verbesserung der Lebensqualität und Pflege von Menschen mit Demenz. - Inhalt
➜ Individuelle Pflegeplanung, spezielle Kommunikations- und Interaktionstechniken und Schulung des Pflegepersonals im Umgang mit Demenzpatienten. - Veröffentlichung
➜ 2010 (aktualisiert 2018)
Förderung der Mundgesundheit in der Pflege
- Zielsetzung
➜ Sicherstellung einer guten Mundgesundheit bei Pflegebedürftigen. - Inhalt
➜ Assessment der Mundgesundheit, Erstellung individueller Mundpflegepläne und Schulung des Pflegepersonals in Mundpflegetechniken. - Veröffentlichung
➜ 2011 (aktualisiert 2018)
Prävention und Management von Aggressionen und Gewalt in der Pflege
- Zielsetzung
➜ Vermeidung und Umgang mit aggressivem Verhalten und Gewalt in Pflegeeinrichtungen. - Inhalt
➜ Maßnahmen zur Risikoerkennung, Deeskalationstechniken und Schulung des Pflegepersonals im Umgang mit Aggression und Gewalt. - Veröffentlichung
➜ 2019
Pflege und Betreuung von Menschen mit chronischen Schmerzen
- Zielsetzung
➜ Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit chronischen Schmerzen. - Inhalt
➜ Systematische Schmerzerfassung, multidisziplinäre Schmerztherapieansätze und kontinuierliche Evaluation und Anpassung der Schmerzbehandlungspläne. - Veröffentlichung
➜ 2020
Förderung der sozialen Teilhabe und Lebensqualität in der Pflege
- Zielsetzung
➜ Erhaltung und Förderung der sozialen Teilhabe und Lebensqualität von Pflegebedürftigen. - Inhalt
➜ Maßnahmen zur Förderung sozialer Aktivitäten, individuelle Teilhabepläne und Schulung des Pflegepersonals in sozialen Interaktionstechniken. - Veröffentlichung
➜ 2020
Förderung der physiologischen Geburt
- Zielsetzung
➜ Erhaltung und Förderung der natürlichen Geburt, Stärkung von Autonomie und Selbstbestimmung - Inhalt
➜ Maßnahmen zur Förderung der natürlichen Geburtsprozesse, Schulung des medizinischen Personals in nicht-invasiven Techniken und Unterstützung der Schwangeren in ihren individuellen Geburtswünschen. - Veröffentlichung
➜ 2023
Bedeutung und Umsetzung in der Praxis
Die Umsetzung der Expertenstandards in der Praxis erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Berufsgruppen im Gesundheitswesen, einschließlich Ärzten, Pflegepersonal und Therapeuten. Regelmäßige Schulungen und Fortbildungen sind notwendig, um sicherzustellen, dass das Personal die Standards kennt und in der täglichen Arbeit anwendet. Zudem ist eine kontinuierliche Evaluation und Anpassung der Standards erforderlich, um auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse und veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren.
Herausforderungen und Zukunftsperspektiven
Die Implementierung von Expertenstandards kann mit verschiedenen Herausforderungen verbunden sein. Dazu gehören der hohe Aufwand für Schulungen und Fortbildungen, der Widerstand gegen Veränderungen im Arbeitsalltag und die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Anpassung und Aktualisierung der Standards. Trotz dieser Herausforderungen sind Expertenstandards ein unverzichtbares Instrument zur Sicherstellung einer hohen Versorgungsqualität im Gesundheitswesen.
In der Zukunft ist zu erwarten, dass die Bedeutung von Expertenstandards weiter zunimmt, insbesondere in Anbetracht des demografischen Wandels und der zunehmenden Komplexität der medizinischen Versorgung. Digitalisierung und technologische Innovationen könnten dabei helfen, die Implementierung und Überwachung der Standards zu erleichtern und die Qualität der Gesundheitsversorgung weiter zu verbessern.
Zusammenfassung
Die deutschen Expertenstandards für medizinisches Personal sind ein zentrales Element des Qualitätsmanagements im Gesundheitswesen. Sie bieten klare und evidenzbasierte Leitlinien, die dazu beitragen, die Pflegequalität zu verbessern, die Patientensicherheit zu erhöhen und die Effizienz der Versorgung zu steigern. Durch kontinuierliche Anpassung und Implementierung dieser Standards kann das Gesundheitswesen den Herausforderungen der Zukunft erfolgreich begegnen.
Quellen
- Elsevier GmbH, & Menche, N. (Hrsg.). (2019). Pflege Heute (7. Aufl.). Urban & Fischer in Elsevier.
- Elsevier GmbH (Hrsg.) (2017) PFLEGEN: Grundlagen und Interventionen. 2. Aufl. München: Urban & Fischer in Elsevier.
- Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) (2020). Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege. 6. aktualisierte Auflage. Osnabrück: Hochschule Osnabrück.
- Bundesministerium für Gesundheit (BMG) (2021). Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen. Verfügbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/krankenversicherung/qualitaetssicherung/qualitaetsmanagement.html [Zugriff am 31. Juli 2024].
- Robert Koch-Institut (RKI) (2022). Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen. Epidemiologisches Bulletin, 14(2022), S. 117-122. Verfügbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2022/Ausgaben/14_22.pdf?__blob=publicationFile [Zugriff am 31. Juli 2024].
- Expertenstandard „Schmerzmanagement in der Pflege bei akuten Schmerzen“ (2019). In: Bundesverband Pflegemanagement (Hrsg.), Pflege- und Gesundheitsrecht. 3. Auflage. Berlin: Springer-Verlag.
- Meyer, G., Kuhlmey, A., & Zwingmann, I. (2018). Pflegequalität und Qualitätsmanagement in der Pflege. In: Pflegewissenschaft. 5. Auflage. Stuttgart: Kohlhammer Verlag, S. 255-270.
- ZQP – Zentrum für Qualität in der Pflege (2020). Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege. Verfügbar unter: https://www.zqp.de/publikationen/expertenstandard-sturzprophylaxe/ [Zugriff am 31. Juli 2024].
- Behrens, J. (2017). Qualität und Sicherheit in der Pflege. In: Pflege heute. 7. Auflage. Elsevier: München, S. 300-310.