Pflege bei einem Schlaganfall

Ein Schlaganfall ist eine akute medizinische Notlage, die eine sofortige und umfassende Pflege erfordert. Die Pflege von Schlaganfallpatienten stellt besondere Herausforderungen dar, da die Betroffenen häufig an Lähmungen, Sprachstörungen und kognitiven Beeinträchtigungen leiden.

Sofortmaßnahmen und Akutphase

Erkennen und Reagieren:

FAST-Test

Der FAST-Test (Face, Arms, Speech, Time) dient dem schnelle und sicheren Erkennen von Schlganfallsymptomen.

  • Face (Gesicht): Lächeln lassen – hängt eine Gesichtshälfte herunter?
  • Arms (Arme): Beide Arme heben – sinkt ein Arm ab?
  • Speech (Sprache): Einfache Sätze sprechen lassen – ist die Sprache verwaschen oder seltsam?
  • Time (Zeit): Bei einem positiven Ergebnis sofort den Notruf wählen.

Akutversorgung im Krankenhaus

  • Überwachung
    ➜ Vitalzeichen regelmäßig überwachen, einschließlich Blutdruck, Puls, Sauerstoffsättigung und Temperatur.
  • Medikation
    ➜ Einsatz von Thrombolytika oder anderen gerinnungshemmenden Medikamenten, wie vom Arzt verordnet.
  • Diagnostik
    ➜ Unterstützung bei der Durchführung von CT- oder MRT-Scans zur Bestätigung der Diagnose und zur Bestimmung des Schlaganfalltyps.

Pflege in der akuten Phase

Mobilität und Lagerung

  • Lagerung
    ➜ Regelmäßige Umlagerung alle zwei Stunden, um Druckgeschwüre zu vermeiden.
  • Mobilisation
    ➜ Frühzeitige Mobilisation unter Anleitung eines Physiotherapeuten zur Vermeidung von Kontrakturen und Förderung der Durchblutung (z.B. durch Anwendung des Bobath-Konzepts)

Ernährung und Hydratation

  • Schluckstörungen
    ➜ Beobachtung und Management von Dysphagie (Schluckstörungen), eventuell Anpassung der Konsistenz von Nahrungsmitteln und Flüssigkeiten.
  • Ernährung
    ➜ Sicherstellen einer ausgewogenen Ernährung, eventuell über eine Magensonde, wenn notwendig.

Hygiene und Hautpflege

  • Hautpflege
    ➜ Regelmäßige Inspektion und Pflege der Haut, um einen Dekubitus zu vermeiden.
  • Hygiene
    ➜ Unterstützung bei der Körperpflege und beim Toilettengang, um die Hygiene zu gewährleisten und Infektionen vorzubeugen.

Rehabilitation und Langzeitpflege

Physiotherapie

  • Bewegungsübungen
    ➜ Durchführung von geplanten Bewegungsübungen zur Förderung der Muskelstärke und Flexibilität.
  • Gangtraining
    ➜ Unterstützung beim Gehen mit Hilfsmitteln wie Gehhilfen oder Rollatoren.

Ergotherapie

  • Alltagsfähigkeiten
    ➜ Training zur Wiedererlangung von Alltagsfähigkeiten wie Anziehen, Essen und persönlicher Hygiene.
  • Anpassung des Umfelds
    ➜ Anpassung der Wohnumgebung, um die Sicherheit und Selbstständigkeit des Patienten zu erhöhen.

Sprachtherapie (Logopädie)

  • Kommunikationstraining
    ➜ Übungen zur Verbesserung der Sprach- und Kommunikationsfähigkeiten, Schlucltraining bei Dysphagie.
  • Alternative Kommunikationsmittel
    ➜ Einsatz von Hilfsmitteln wie Bildtafeln oder elektronischen Kommunikationsgeräten.

Psychosoziale Unterstützung

Emotionale Unterstützung

  • Gespräche
    ➜ Regelmäßige Gespräche, um Ängste und Depressionen zu erkennen und zu lindern.
  • Therapie
    ➜ Vermittlung von psychotherapeutischer Unterstützung, wenn erforderlich.

Soziale Integration

  • Familienunterstützung
    ➜ Einbeziehung, Schulung und Unterstützung der Familie bei der Pflege und Rehabilitation.
  • Gemeinschaft
    ➜ Förderung der Teilnahme an sozialen Aktivitäten und Selbsthilfegruppen.

Fortbildung und Teamarbeit

Schulung und Weiterbildung

  • Fortbildung
    ➜ Regelmäßige Fortbildungen für Pflegekräfte zu neuesten Behandlungsmethoden und Pflegetechniken.
  • Teamarbeit
    ➜ Enge Zusammenarbeit mit Ärzten, Therapeuten und anderen Gesundheitsdienstleistern, um eine umfassende und koordinierte Pflege zu gewährleisten.

Fallbeispiel: Pflege bei einem Schlaganfall

Patientenvorstellung

  • Name: Herr Müller
  • Alter: 72 Jahre
  • Geschlecht: Männlich
  • Familienstand: Verheiratet
  • Beruf: Rentner (ehemaliger Lehrer)
  • Wohnort: In einer kleinen Stadt, lebt mit seiner Ehefrau in einem Einfamilienhaus

Herr Müller wurde in die Notaufnahme gebracht, nachdem seine Ehefrau beobachtet hatte, dass er plötzlich nicht mehr sprechen konnte und seine rechte Gesichtshälfte herabhing. Er zeigte auch Schwäche in seinem rechten Arm und Bein.

Anamnese und Diagnosen

Anamnese

  • Aktuelle Symptome
    • Plötzlicher Verlust der Sprachfähigkeit (Aphasie)
    • Herabhängende rechte Gesichtshälfte (Fazialisparese)
    • Schwäche in der rechten Körperhälfte (Hemiparese)
    • Schwierigkeiten beim Gehen
    • Schwindel und Kopfschmerzen
  • Medizinische Vorgeschichte:
  • Medikamentenanamnese:
    • Metformin 500 mg, 2x täglich
    • Lisinopril 20 mg, 1x täglich
    • Atorvastatin 20 mg, 1x täglich
    • ASS 100 mg, 1x täglich
    • Multivitaminpräparat
  • Soziale Anamnese:
    • Herr Müller ist Nichtraucher
    • Gelegentlicher Alkoholkonsum (1-2 Gläser Wein pro Woche)
    • Unterstützendes familiäres Umfeld, enge Beziehung zu seiner Ehefrau und seinen zwei erwachsenen Kindern
    • Regelmäßige Teilnahme an sozialen Aktivitäten in der Gemeinde
  • Allergien:
    • Keine bekannten Allergien

Diagnose

Nach einer umfassenden neurologischen Untersuchung und Bildgebung (CT und MRT des Gehirns) wurde die Diagnose eines ischämischen Schlaganfalls im Bereich der linken Hemisphäre des Gehirns bestätigt.

Pflegeziele

Stabilisierung und Überwachung des Gesundheitszustands

  • Sicherstellung der Vitalfunktionen
  • Überwachung neurologischer Parameter

Förderung der Mobilität und Vermeidung von Komplikationen

  • Prävention von Thrombosen
  • Förderung der Muskelkraft und Beweglichkeit

Unterstützung der Kommunikationsfähigkeit

  • Verbesserung der Sprachfähigkeiten
  • Alternative Kommunikationsmethoden bereitstellen

Sicherstellung der adäquaten Ernährung und Hydration

  • Vermeidung von Aspiration
  • Angemessene Nährstoffzufuhr

Psychosoziale Unterstützung

  • Reduzierung von Angst und Depression
  • Unterstützung bei der Anpassung an die neue Lebenssituation

Pflegemaßnahmen

Stabilisierung und Überwachung des Gesundheitszustands

  • Regelmäßige Kontrolle der Vitalzeichen (Blutdruck, Puls, Atemfrequenz, Temperatur)
  • Neurologische Überwachung (Bewusstseinslage, Pupillenreaktion, motorische und sensorische Funktionen)
  • Sicherstellung einer adäquaten Sauerstoffzufuhr bei Bedarf

Förderung der Mobilität und Vermeidung von Komplikationen

  • Physiotherapie zur Förderung der Mobilität und Verhinderung von Kontrakturen
  • Regelmäßige Umlagerung zur Vermeidung von Druckgeschwüren
  • Verwendung von Thromboseprophylaxestrümpfen

Unterstützung der Kommunikationsfähigkeit

  • Zusammenarbeit mit einem Logopäden zur Verbesserung der Sprachfähigkeit
  • Einsatz von Bildkarten und anderen Hilfsmitteln zur Kommunikation
  • Geduldiger und einfühlsamer Umgang bei Kommunikationsversuchen

Sicherstellung der adäquaten Ernährung und Hydration

  • Überprüfung der Schluckfähigkeit durch einen Logopäden
  • Anpassung der Nahrungskonsistenz (z.B. pürierte Kost) zur Vermeidung von Aspiration
  • Regelmäßige Flüssigkeitszufuhr sicherstellen

Psychosoziale Unterstützung

  • Gespräche mit dem Patienten und seinen Angehörigen zur Unterstützung der emotionalen Bewältigung
  • Einbeziehung des Patienten in Pflegeplanungen und Entscheidungsprozesse
  • Förderung der Teilnahme an sozialen Aktivitäten und Rehabilitationsprogrammen

Evaluation

Stabilisierung und Überwachung des Gesundheitszustands

  • Kontinuierliche Überwachung zeigt stabile Vitalzeichen und keine Verschlechterung der neurologischen Parameter
  • Patient bleibt bei Bewusstsein und zeigt keine neuen neurologischen Defizite

Förderung der Mobilität und Vermeidung von Komplikationen

  • Patient zeigt Fortschritte in der Mobilität und kann unter Aufsicht kurze Strecken laufen
  • Keine Anzeichen von Thrombosen oder Druckgeschwüren

Unterstützung der Kommunikationsfähigkeit

  • Patient macht Fortschritte in der Sprachtherapie und kann einfache Sätze formulieren
  • Verwendung von Kommunikationshilfsmitteln wird gut angenommen

Sicherstellung der adäquaten Ernährung und Hydration

  • Patient zeigt keine Anzeichen von Aspiration und kann angepasste Nahrung sicher zu sich nehmen
  • Flüssigkeitszufuhr ist ausreichend und ausgewogen

Psychosoziale Unterstützung

  • Patient zeigt eine positive Einstellung zur Rehabilitation und nimmt aktiv an Therapieprogrammen teil
  • Emotionales Wohlbefinden verbessert sich, Angst und Depression nehmen ab

Zusammenfassung

Die Pflege von Schlaganfallpatienten erfordert ein hohes Maß an Fachwissen, Empathie und Teamarbeit. Durch gezielte Pflege und Rehabilitation können Pflegekräfte wesentlich dazu beitragen, die Lebensqualität und Selbstständigkeit der Patienten zu verbessern. Dieser Leitfaden soll Pflegekräften als Unterstützung dienen, um den vielfältigen Anforderungen bei der Betreuung von Schlaganfallpatienten gerecht zu werden.

Quellen

  • Symptome eines Schlaganfalls erkennen und handeln (ohne Datum) Internisten-im-netz.de. Verfügbar unter: https://www.internisten-im-netz.de/aktuelle-meldungen/aktuell/symptome-eines-schlaganfalls-erkennen-und-handeln.html (Zugegriffen: 3. Juli 2024).
  • Elsevier GmbH, & Menche, N. (Hrsg.). (2019). Pflege Heute (7. Aufl.). Urban & Fischer in Elsevier.
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