Pflege bei Herzinfarkt

Die Pflege von Patienten mit Herzinfarkt (Myokardinfarkt) ist eine kritische Aufgabe, die eine schnelle und umfassende medizinische Versorgung erfordert. Dies umfasst die Akutversorgung, die Überwachung und Betreuung in der Akutphase sowie die langfristige Rehabilitation und Prävention.

Akutversorgung

Erstmaßnahmen

  • Notfallmanagement
    ➜ Schnelles und zielgerichtetes Handeln ist essenziell. Der Notruf 112 sollte sofort abgesetzt werden.
  • Positionierung
    ➜ Den Patienten in eine bequeme halbsitzende Position bringen, um die Atmung zu erleichtern.
  • Sauerstoffgabe
    ➜ Bei Anzeichen von Hypoxie (Sauerstoffsättigung <90%) Sauerstoff mit 4-8 l/min verabreichen (ärztiche Anordnung).
  • Medikamentengabe
    ➜ Sofortige Gabe von 150-300 mg Aspirin, falls nicht kontraindiziert.

Schmerzlinderung

Verabreichung von Schmerzmitteln (z.B. Morphin 3-5 mg i.v. in kleinen Dosen) zur Schmerzlinderung und Beruhigung des Patienten.

Überwachung

Kontinuierliches Monitoring der Vitalzeichen (Blutdruck, Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung) und EKG-Überwachung zur Erkennung von Rhythmusstörungen.

Pflege in der Akutphase

Intensivüberwachung

  • Patienten mit Herzinfarkt sollten auf einer Intensivstation oder Überwachungsstation betreut werden.
  • Kontinuierliche EKG-Überwachung und regelmäßige Vitalzeichenkontrollen.

Medikamentenmanagement

  • Sicherstellung der regelmäßigen Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern, Antikoagulanzien, Betablockern, ACE-Hemmern/ARBs und Statinen gemäß ärztlicher Anordnung.
  • Überwachung auf mögliche Nebenwirkungen und Interaktionen der Medikamente.

Flüssigkeits- und Ernährungstherapie

  • Intravenöse Flüssigkeitszufuhr zur Aufrechterhaltung der Hämodynamik, wenn oral nicht möglich.
  • Überwachung der Flüssigkeitsbilanz und Anpassung der Flüssigkeitszufuhr bei Anzeichen von Herzinsuffizienz.

Mobilisierung

  • Frühzeitige Mobilisierung zur Vermeidung von Thrombosen und Förderung der Genesung, unter Berücksichtigung des Zustands des Patienten.
  • Unterstützung bei der Durchführung leichter Aktivitäten und Atemübungen.

Komplikationsmanagement

  • Rasche Intervention bei Komplikationen wie Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz, kardiogenem Schock oder mechanischen Komplikationen.

Psychosoziale Unterstützung

Psychologische Betreuung

  • Bereitstellung von psychologischer Unterstützung und Beratung, um Ängste und Stress zu reduzieren.
  • Einbeziehung von Psychologen oder spezialisierten Beratern bei Bedarf.

Aufklärung und Schulung

  • Aufklärung des Patienten und der Angehörigen über die Erkrankung, den Behandlungsverlauf und die Bedeutung der Medikamenteneinnahme.
  • Schulung zur Erkennung von Warnzeichen eines erneuten Herzinfarkts und zur Durchführung geeigneter Maßnahmen.

Rehabilitation und Langzeitpflege

Kardiologische Rehabilitation

  • Teilnahme an strukturierten kardiologischen Rehabilitationsprogrammen, die körperliche Aktivität, Ernährungsberatung und psychosoziale Unterstützung umfassen.
  • Förderung einer herzgesunden Lebensweise und Unterstützung bei der Umsetzung von Lebensstiländerungen.

Medikamentöse Langzeittherapie

  • Sicherstellung der fortlaufenden Gabe von kardiovaskulären Medikamenten gemäß ärztlicher Anordnung.
  • Regelmäßige Überprüfung der Medikamentenwirkung und Anpassung der Therapie bei Bedarf.

Nachsorgeuntersuchungen

  • Regelmäßige Kontrolluntersuchungen beim Kardiologen zur Überwachung des Krankheitsverlaufs und der Herzfunktion.
  • Durchführung von bildgebenden Verfahren (z.B. Echokardiographie, Belastungstests) zur Beurteilung der Herzgesundheit.

Lebensstilmodifikationen

  • Unterstützung bei der Raucherentwöhnung, gesunder Ernährung, regelmäßiger körperlicher Aktivität und Gewichtsmanagement.
  • Förderung von Stressbewältigungsstrategien und psychosozialer Unterstützung.

Prävention und Gesundheitsförderung

  • Primärprävention
    • Aufklärung über Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Förderung einer gesunden Lebensweise.
    • Durchführung regelmäßiger Gesundheitschecks zur Früherkennung und Behandlung von Risikofaktoren wie Hypertonie, Diabetes und Dyslipidämie.
  • Sekundärprävention
    • Sicherstellung der Adhärenz zu medikamentösen Therapien und regelmäßigen Nachsorgeuntersuchungen.
    • Förderung eines gesunden Lebensstils und kontinuierliche Aufklärung über die Bedeutung der Prävention von Rezidiven.

Fallbeispiel: Pflege bei Herzinfarkt

Hintergrund

Herr Müller, 65 Jahre alt, wird mit starken Brustschmerzen, Atemnot und Übelkeit in die Notaufnahme gebracht. Er wird umgehend als Notfallpatient eingestuft und die ersten diagnostischen Maßnahmen deuten auf einen akuten Herzinfarkt hin. Nach der Stabilisierung im Krankenhaus wird Herr Müller auf die Intensivstation verlegt, wo er intensiv überwacht und gepflegt wird.

Pflegeassessment

Beim Pflegeassessment von Herrn Müller werden die folgenden Aspekte berücksichtigt:

  • Schmerzmanagement
    ➜ Erfassung der Schmerzintensität und -qualität.
  • Vitalparameterüberwachung
    ➜ Kontinuierliche Überwachung von Herzfrequenz, Blutdruck, Sauerstoffsättigung und Atemfrequenz.
  • Kardiologische Überwachung
    EKG-Monitoring zur Erkennung von Rhythmusstörungen.
  • Psychosoziale Betreuung
    ➜ Unterstützung bei Ängsten und emotionalem Stress.

Pflegeplanung und -interventionen

Basierend auf dem Pflegeassessment wird ein individueller Pflegeplan erstellt. Dieser umfasst:

  • Schmerzmanagement
    • Regelmäßige Schmerzerfassung mit einer standardisierten Schmerzskala.
    • Verabreichung von Schmerzmedikamenten gemäß ärztlicher Anordnung.
    • Überwachung der Wirksamkeit der Schmerzmedikation und Anpassung bei Bedarf.
  • Vitalparameterüberwachung
    • Kontinuierliches Monitoring der Vitalparameter.
    • Dokumentation und Auswertung der gemessenen Werte.
    • Sofortige Reaktion auf kritische Veränderungen der Vitalparameter (z.B. Anstieg des Blutdrucks, Abfall der Sauerstoffsättigung).
  • Kardiologische Überwachung
    • Ständiges EKG-Monitoring zur Überwachung der Herzaktivität.
    • Erkennung und Meldung von Rhythmusstörungen.
    • Vorbereitung und Assistenz bei kardiologischen Interventionen (z.B. Herzkatheteruntersuchung).
  • Medikamentenmanagement
    • Verabreichung von Antikoagulanzien, Thrombolytika und anderen kardiologischen Medikamenten gemäß ärztlicher Anordnung.
    • Überwachung der Medikamentenwirkung und Nebenwirkungen.
  • Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt
    • Überwachung der Flüssigkeitsbilanz durch regelmäßige Kontrolle der Ein- und Ausfuhr.
    • Verabreichung von intravenösen Flüssigkeiten und Elektrolytlösungen bei Bedarf.
  • Mobilisation
    • Frühzeitige Mobilisation im Bett und langsame Steigerung der körperlichen Aktivität unter Berücksichtigung der kardiologischen Stabilität.
    • Anleitung und Unterstützung bei Bewegungsübungen.
  • Ernährungsmanagement
    • Anpassung der Ernährung an den kardiologischen Zustand (z.B. natriumarme Diät).
    • Überwachung der Nahrungsaufnahme und Unterstützung bei Bedarf.
  • Psychosoziale Betreuung
    • Regelmäßige Gespräche zur emotionalen Unterstützung und Angstbewältigung.
    • Einbeziehung der Angehörigen in den Pflegeprozess und Information über den Gesundheitszustand von Herrn Müller.
    • Vermittlung von Informationen über den Herzinfarkt und die notwendigen Lebensstiländerungen nach der Entlassung.

Evaluation und Anpassung der Pflege

Die Pflegeinterventionen werden regelmäßig evaluiert und bei Bedarf angepasst. Die folgenden Punkte sind von besonderer Bedeutung:

  • Schmerzkontrolle
    ➜ Beurteilung der Schmerzreduktion und Anpassung der Schmerztherapie.
  • Stabilität der Vitalparameter
    ➜ Sicherstellung, dass die Vitalparameter innerhalb der normalen Grenzwerte bleiben.
  • Kardiologische Stabilität
    ➜ Überwachung und Kontrolle von EKG-Veränderungen.
  • Erfolgreiche Mobilisation
    ➜ Beurteilung der körperlichen Aktivität und Anpassung des Mobilisationsplans.
  • Emotionale Stabilität
    ➜ Unterstützung bei der Verarbeitung des Erlebten und Vorbereitung auf die Entlassung.

Entlassungsplanung

Die Entlassungsplanung beginnt frühzeitig und umfasst:

  • Aufklärung und Schulung
    ➜ Information über Medikation, Lebensstiländerungen, Ernährungsumstellung und körperliche Aktivität.
  • Nachsorge
    ➜ Organisation von Terminen für die kardiologische Nachsorge und Rehabilitation.
  • Soziale Unterstützung
    ➜ Einbindung von sozialen Diensten und Unterstützung bei der Rückkehr in den Alltag.

Fallverlauf

Herr Müller, 65, wird mit Brustschmerzen und Atemnot in die Notaufnahme gebracht. Ein akuter Herzinfarkt wird diagnostiziert. Nach Stabilisierung wird er auf die Intensivstation verlegt. Schmerzerfassung und -behandlung, kontinuierliches Monitoring der Vitalparameter und EKG-Überwachung sind entscheidend. Medikamente werden gemäß Anordnung verabreicht, die Flüssigkeitsbilanz überwacht. Frühzeitige Mobilisation und psychosoziale Betreuung unterstützen die Genesung. Die Entlassungsplanung umfasst Schulungen zu Medikation und Lebensstiländerungen sowie die Organisation der Nachsorge. Durch gezielte Pflege stabilisiert sich sein Zustand.

Zusammenfassung

Die Pflege von Patienten mit Herzinfarkt erfordert eine umfassende, interdisziplinäre Herangehensweise, die Akutversorgung, intensive Überwachung, psychosoziale Unterstützung und langfristige Rehabilitation umfasst. Durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Pflegepersonal, Ärzten und anderen Gesundheitsdienstleistern kann die Prognose verbessert und die Lebensqualität der Patienten nachhaltig gesteigert werden. Kontinuierliche Schulung und Weiterbildung des medizinischen Personals sind entscheidend, um eine optimale Versorgung zu gewährleisten.

Quellen

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