Pflegeassessment
Das Pflegeassessment ist ein wesentlicher Bestandteil der Pflegepraxis und beinhaltet eine umfassende Beurteilung des Gesundheitszustands und der Pflegebedürfnisse eines Patienten. Es ermöglicht Pflegekräften, gezielte Pflegepläne zu entwickeln, um die Lebensqualität der Patienten zu verbessern und ihre Selbständigkeit zu fördern.
Seit 1996 ist das Pflegeassessment in der deutschen Pflegeversicherung fest verankert.
Ziele des Pflegeassessments
- Erfassung des Gesundheitszustands
- Das Pflegeassessment hilft, den physischen, psychischen und sozialen Zustand des Patienten zu bewerten.
- Pflegeplanung
- Basierend auf den Ergebnissen des Assessments wird ein individueller Pflegeplan erstellt.
- Pflegeevaluation
- Das Assessment ermöglicht eine kontinuierliche Überprüfung und Anpassung der Pflege.
- Förderung der Patientenautonomie
- Es unterstützt die Patienten dabei, ihre Selbständigkeit und Lebensqualität zu erhalten oder zu verbessern.
Schritte im Pflegeassessment
- Anamnese
- Sammlung von Informationen zur Krankengeschichte und den aktuellen Gesundheitsproblemen des Patienten.
- Physische Untersuchung
- Körperliche Inspektion und Untersuchung, um den physischen Zustand des Patienten zu bewerten.
- Pflegediagnose
- Identifizierung von Pflegeproblemen basierend auf den gesammelten Daten.
- Planung
- Entwicklung eines individuellen Pflegeplans mit spezifischen Maßnahmen.
- Intervention
- Durchführung der geplanten Pflegeinterventionen.
- Evaluation
- Bewertung der Wirksamkeit der Pflege und Anpassung des Pflegeplans bei Bedarf.
Instrumente und Methoden
- Pflegeanamnesebogen
- Systematische Erfassung von patientenbezogenen Informationen.
- Skalen und Fragebögen
- Verwendung von standardisierten Instrumenten wie der Barthel-Index für die Bewertung der Aktivitäten des täglichen Lebens.
- Beobachtung
- Systematische Beobachtung des Patienten im Pflegealltag.
- Körperliche Untersuchung
- Untersuchungstechniken wie Inspektion, Palpation, Perkussion und Auskultation.
Arten des Pflegeassessments
- Initiales Assessment
- Zu Beginn der Pflege, um einen Ausgangspunkt zu schaffen.
- Fortlaufendes Assessment
- Regelmäßige Überprüfungen zur Anpassung der Pflege.
- Fokussiertes Assessment
- Konzentration auf spezifische Gesundheitsprobleme oder Pflegebedürfnisse.
- Notfall-Assessment
- Schnelle Beurteilung in akuten oder kritischen Situationen.
Beispiele für Pflegeassessment-Modelle
- Roper-Logan-Tierney-Modell
- Konzentriert sich auf 12 Lebensaktivitäten und deren Beeinflussung durch Krankheit.
- Gordon’s Functional Health Patterns
- Ein Modell, das 11 funktionale Gesundheitsmuster zur ganzheitlichen Bewertung eines Patienten umfasst.
- Bradford Dementia Group
- Ein Modell, das speziell für die Pflege von Menschen mit Demenz entwickelt wurde.
- Barthel-Index
- Selbständigkeit in Alltagsaktivitäten
- Mini-Mental-Status-Test
- Einschätzug von Gedächtnisstörungen
- Braden-Skala
- Einschätzung einer Dekubitusgefährdung
Bedeutung des Pflegeassessments
- Qualität der Pflege
- Ein gründliches Pflegeassessment ist entscheidend für die Bereitstellung qualitativ hochwertiger Pflege.
- Patientensicherheit
- Es trägt dazu bei, Risiken frühzeitig zu erkennen und zu minimieren.
- Individuelle Pflege
- Ermöglicht eine an den Bedürfnissen des Patienten orientierte, personalisierte Pflege.
- Ressourcenmanagement
- Hilft, Pflegeressourcen effizient zu nutzen und Pflegeprozesse zu optimieren.
Herausforderungen und ethische Überlegungen
- Datenschutz
- Wahrung der Vertraulichkeit und Schutz der personenbezogenen Daten des Patienten.
- Einwilligung
- Sicherstellung, dass die Patienten über das Verfahren informiert sind und ihre Zustimmung geben.
- Komplexität
- Erfassung und Integration umfangreicher und komplexer Informationen.
Geschichte
Das Pflegeassessment hat eine lange und bedeutsame Geschichte, die sich im Laufe der Jahre stark weiterentwickelt hat. Die Anfänge reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück, als Florence Nightingale Pionierarbeit in der systematischen Datenerfassung und -analyse in der Pflege leistete. Sie erkannte die Notwendigkeit, Patientendaten zu sammeln, um die Pflegequalität zu verbessern. In den folgenden Jahrzehnten wurden verschiedene Modelle und Instrumente entwickelt, um den Gesundheitszustand von Patienten systematisch zu erfassen und zu bewerten.
In den 1960er Jahren begannen Pflegewissenschaftler, standardisierte Assessment-Tools zu entwickeln, um eine konsistente und umfassende Bewertung zu ermöglichen. Diese Instrumente wurden zunehmend evidenzbasiert, was die Zuverlässigkeit und Validität der erhobenen Daten erhöhte. Ein wichtiger Meilenstein war die Einführung der North American Nursing Diagnosis Association (NANDA) in den 1970er Jahren, die ein Klassifikationssystem für Pflegeprobleme entwickelte.
Im 21. Jahrhundert hat sich das Pflegeassessment durch technologische Fortschritte und die Integration elektronischer Gesundheitsakten weiter verbessert. Moderne Assessment-Tools nutzen digitale Technologien, um Daten effizient zu erfassen und zu analysieren. Die Entwicklung von Pflegeklassifikationen wie NANDA, NIC (Nursing Interventions Classification) und NOC (Nursing Outcomes Classification) hat zur Standardisierung und Verbesserung der Pflegequalität beigetragen.
Zusammengefasst hat das Pflegeassessment eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen, von den frühen Bemühungen Florence Nightingales bis hin zu den modernen, technologiegestützten Methoden. Es bleibt ein zentrales Element der pflegerischen Praxis, das kontinuierlich weiterentwickelt wird, um den sich ändernden Bedürfnissen der Patienten gerecht zu werden.
Zusammenfassung
Das Pflegeassessment ist ein systematischer Prozess zur Erfassung und Bewertung der gesundheitlichen und pflegerischen Bedürfnisse einer Person. Es umfasst die Sammlung von Daten durch Beobachtung, Befragung und Untersuchung, um ein umfassendes Bild des Patienten zu erhalten. Ziel ist es, individuelle Pflegeprobleme zu identifizieren, Pflegeziele festzulegen und passende Interventionen zu planen. Das Assessment umfasst körperliche, psychische, soziale und funktionelle Aspekte und bildet die Grundlage für eine personalisierte Pflegeplanung und -dokumentation. Es ist ein kontinuierlicher Prozess, der regelmäßige Überprüfungen und Anpassungen erfordert.
Quellen
- Elsevier GmbH, & Menche, N. (Hrsg.). (2019). Pflege Heute (7. Aufl.). Urban & Fischer in Elsevier.
- Elsevier GmbH (Hrsg.) (2017) PFLEGEN: Grundlagen und Interventionen. 2. Aufl. München: Urban & Fischer in Elsevier.
- Wied, S., & Warmbrunn, A. (Hrsg.). (2012). Pschyrembel Pflege (3. Aufl.). Walter de Gruyter.
- Wiederhold, D. (2009) PflegeFakten: Entscheidungshilfen, Übersichten, Normwerte – mit www.pflegeheute.de-Zugang. München: Urban & Fischer in Elsevier.
- Ackley, B.J., Ladwig, G.B., Makic, M.B.F. und Martinez-Kratz, M.R., 2016. Nursing Diagnosis Handbook: An Evidence-Based Guide to Planning Care. 11. Auflage. St. Louis: Elsevier.
- Berman, A., Snyder, S., und Frandsen, G., 2016. Kozier & Erb’s Fundamentals of Nursing: Concepts, Process, and Practice. 10. Auflage. Boston: Pearson.
- Herdman, T.H. und Kamitsuru, S., 2014. NANDA International Nursing Diagnoses: Definitions and Classification 2015-2017. 10. Auflage. Oxford: Wiley-Blackwell.
- Nightingale, F., 1860. Notes on Nursing: What It Is, and What It Is Not. London: Harrison.