Pflegediagnose

Wortart:
Substantiv, feminin
Aussprache (IPA):
[p͡fleːɡədiaˈɡnoːzə]
Plural:
Pflegediagnosen
Trennung:
Pfle|ge|dia|gno|se
Englisch:
nursing diagnosis

Die Pflegediagnose ist ein zentraler Bestandteil der professionellen Pflegepraxis. Sie dient dazu, die gesundheitlichen Probleme, Bedürfnisse und Ressourcen von Patienten systematisch zu erfassen und zu dokumentieren. Dadurch wird eine gezielte und effektive Pflegeplanung ermöglicht.

Definition und Bedeutung

Eine Pflegediagnose ist eine klinische Beurteilung der Reaktionen eines Individuums, einer Familie oder einer Gemeinschaft auf aktuelle oder potenzielle Gesundheitsprobleme und Lebensprozesse. Sie bildet die Grundlage für die Auswahl von pflegerischen Interventionen, um gewünschte Ergebnisse zu erzielen. Pflegediagnosen unterscheiden sich von medizinischen Diagnosen, da sie sich auf die Reaktionen des Patienten auf Gesundheitsprobleme konzentrieren und nicht auf die Krankheit selbst.

Die Bedeutung der Pflegediagnose liegt in ihrer Fähigkeit, die Pflegepraxis zu strukturieren und zu standardisieren. Sie ermöglicht es Pflegefachkräften, Patientenbedürfnisse systematisch zu identifizieren und gezielte Pflegeinterventionen zu planen und durchzuführen. Dadurch wird die Qualität der Pflege verbessert und die Patientensicherheit erhöht.

Der Prozess der Pflegediagnose

Der Prozess der Pflegediagnose umfasst mehrere Schritte, die sorgfältig beachtet werden müssen, um eine genaue und relevante Diagnose zu stellen:

  1. Daten sammeln
    • Dies umfasst die Erhebung und Analyse von Daten durch Anamnese, körperliche Untersuchung und Beobachtungen. Es ist wichtig, sowohl objektive Daten (z.B. Vitalzeichen) als auch subjektive Daten (z.B. vom Patienten berichtete Symptome) zu berücksichtigen.
  2. Datenanalyse
    • Die gesammelten Daten werden analysiert, um Muster und Hinweise auf gesundheitliche Probleme zu erkennen. Dies erfordert kritisches Denken und klinische Urteilsfähigkeit.
  3. Formulierung der Diagnose
    • Basierend auf der Analyse wird eine Pflegediagnose formuliert. Dabei wird eine standardisierte Nomenklatur verwendet, wie sie z.B. von der North American Nursing Diagnosis Association (NANDA) vorgegeben wird.
  4. Priorisierung
    • Die Pflegediagnosen werden nach Dringlichkeit und Relevanz priorisiert. Dies hilft, den Pflegeplan zu strukturieren und sicherzustellen, dass die wichtigsten Probleme zuerst angegangen werden.
  5. Dokumentation
    • Die Pflegediagnosen werden in der Patientenakte dokumentiert, um Transparenz und Kontinuität der Pflege zu gewährleisten.

Anwendung in der Praxis

Die Anwendung der Pflegediagnose in der Praxis ist vielfältig und umfasst:

  • Pflegeplanung
    • Basierend auf den Pflegediagnosen werden spezifische Pflegeziele und Interventionen festgelegt. Dies stellt sicher, dass die Pflege individuell und zielgerichtet ist.
  • Pflegeinterventionen
    • Pflegediagnosen leiten die Auswahl und Durchführung von pflegerischen Maßnahmen. Dies kann präventive, kurative oder palliative Interventionen umfassen.
  • Evaluation
    • Die Wirksamkeit der Pflegeinterventionen wird regelmäßig evaluiert, und die Pflegediagnosen werden bei Bedarf angepasst. Dies stellt sicher, dass die Pflege kontinuierlich auf die sich ändernden Bedürfnisse des Patienten abgestimmt ist.

Herausforderungen und Lösungen

Die Implementierung von Pflegediagnosen in die Pflegepraxis kann mit Herausforderungen verbunden sein, darunter:

  • Zeitaufwand
  • Die Erstellung einer umfassenden Pflegediagnose kann zeitaufwendig sein. Eine Lösung besteht darin, die Pflegefachkräfte durch Schulungen und die Nutzung von Technologie (z.B. elektronische Patientenakten) zu unterstützen.
  • Kompetenz
  • Die Fähigkeit, genaue Pflegediagnosen zu stellen, erfordert klinische Erfahrung und fundiertes Wissen. Regelmäßige Fortbildungen und Supervision können hier Abhilfe schaffen.
  • Akzeptanz
  • Manchmal gibt es Widerstände gegen die Nutzung von Pflegediagnosen, insbesondere wenn Pflegefachkräfte den Nutzen nicht erkennen. Aufklärung und Demonstration der Vorteile können dazu beitragen, die Akzeptanz zu erhöhen.

Fallbeispiel: Pfegediagnose

Hintergrund

Frau Müller ist eine 78-jährige Patientin, die nach einem Sturz in ihrem Zuhause ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Sie hat sich den Oberschenkelhals gebrochen und wurde operiert. Frau Müller lebt allein und hat keine nahe Verwandte, die sich um sie kümmern könnten. Sie ist Diabetikerin und hat einen leichten Grad an Demenz. Vor ihrem Sturz war sie relativ mobil und konnte ihre täglichen Aktivitäten mit minimaler Hilfe bewältigen.

Aufnahme

Bei der Aufnahme zeigt Frau Müller Anzeichen von Schmerzen, Verwirrtheit und Angst. Ihr Mobilitätsstatus ist stark eingeschränkt, und sie ist auf Unterstützung bei den meisten Aktivitäten des täglichen Lebens (ADLs) angewiesen. Die Hautinspektion zeigt beginnende Druckgeschwüre an den Fersen und am Steißbein.

Pflegediagnosen

Nach einer gründlichen Beurteilung und unter Berücksichtigung der NANDA-I-Klassifikationen wurden die folgenden Pflegediagnosen für Frau Müller gestellt:

Beeinträchtigte körperliche Mobilität im Zusammenhang mit postoperativen Schmerzen und Oberschenkelhalsfraktur, manifestiert durch eingeschränkte Bewegungsfähigkeit.

  • Ziel
    ➜ Verbesserung der Mobilität innerhalb von 2 Wochen durch schmerzreduzierende Maßnahmen und physiotherapeutische Unterstützung.
  • Interventionen
    ➜ Verwaltung und Überwachung der Schmerzmedikation gemäß ärztlicher Anordnung.
    ➜ Förderung und Unterstützung bei leichten Bewegungsübungen im Bett.
    ➜ Zusammenarbeit mit Physiotherapeuten zur Erstellung eines individuellen Mobilitätsplans.
    ➜ Regelmäßige Umlagerung zur Vermeidung von Druckgeschwüren.

Akute Schmerzen im Zusammenhang mit chirurgischem Eingriff und postoperativen Bedingungen, manifestiert durch verbale Berichte über Schmerzen und nonverbale Anzeichen wie Grimassen und Unruhe.

  • Ziel
    ➜ Reduktion der Schmerzen auf ein erträgliches Niveau (weniger als 4 auf der Schmerzskala) innerhalb von 24 Stunden.
  • Interventionen
    ➜ Regelmäßige Schmerzeinschätzung und Dokumentation.
    ➜ Verabreichung von Schmerzmitteln gemäß ärztlicher Verordnung und Überwachung der Wirkung.
    ➜ Anwendung von nicht-medikamentösen Schmerztherapien wie Kälte-/Wärmeanwendungen.
    ➜ Schulung der Patientin über Schmerzmanagementtechniken.

Gefahr einer Hautschädigung im Zusammenhang mit eingeschränkter Mobilität und bestehender Druckgeschwüre.

  • Ziel
    ➜ Vermeidung der Verschlechterung bestehender Druckgeschwüre und Verhinderung neuer Hautschäden.
  • Interventionen
    ➜ Regelmäßige Inspektion der Haut und Dokumentation.
    ➜ Einsatz von druckentlastenden Matratzen und Kissen.
    ➜ Förderung der regelmäßigen Umlagerung (alle 2 Stunden).
    ➜ Sicherstellung einer angemessenen Hautpflege und Feuchtigkeitsspende.

Selbstpflegedefizit im Zusammenhang mit eingeschränkter Mobilität und kognitiver Beeinträchtigung, manifestiert durch Unfähigkeit, ADLs unabhängig durchzuführen.

  • Ziel
    ➜ Verbesserung der Selbstpflegefähigkeiten innerhalb eines Monats durch gezielte Schulung und Unterstützung.
  • Interventionen
    ➜ Unterstützung bei der Körperpflege, beim Anziehen und bei der Nahrungsaufnahme.
    ➜ Förderung der Unabhängigkeit durch adaptive Hilfsmittel und Techniken.
    ➜ Schulung der Patientin und ggf. Betreuungspersonen in Selbstpflegefähigkeiten.
    ➜ Zusammenarbeit mit Ergotherapeuten zur Förderung der Feinmotorik und Koordination.

Pflegeprozess

Der Pflegeprozess für Frau Müller umfasst eine kontinuierliche Beurteilung und Anpassung der Pflegeplanung, um auf ihre sich ändernden Bedürfnisse und Zustände einzugehen. Regelmäßige Teammeetings und Fallbesprechungen stellen sicher, dass alle beteiligten Fachkräfte über die Fortschritte und Herausforderungen informiert sind.

Evaluation

Nach einer Woche zeigen die Schmerzeinschätzungen eine signifikante Reduktion der Schmerzen, und Frau Müller kann mit Unterstützung leichte Bewegungen durchführen. Die Druckgeschwüre haben sich nicht verschlechtert, und die Hautpflegeprotokolle zeigen positive Ergebnisse. Frau Müller benötigt weiterhin umfangreiche Unterstützung bei den ADLs, aber durch gezielte Interventionen wird ihre Selbstständigkeit langsam gefördert.

Zusammenfassung

Die Pflegediagnose ist ein unverzichtbares Werkzeug in der professionellen Pflege. Sie ermöglicht eine systematische Erfassung und Analyse der gesundheitlichen Bedürfnisse von Patienten und bildet die Grundlage für eine gezielte Pflegeplanung und -intervention. Trotz der Herausforderungen bietet die Pflegediagnose erhebliche Vorteile für die Qualität und Effektivität der Pflegepraxis. Durch kontinuierliche Schulung, Unterstützung und Evaluation kann ihre Anwendung weiter verbessert und optimiert werden.

Quellen

  • Elsevier GmbH, & Menche, N. (Hrsg.). (2019). Pflege Heute (7. Aufl.). Urban & Fischer in Elsevier.
  • Elsevier GmbH (Hrsg.) (2017) PFLEGEN: Grundlagen und Interventionen. 2. Aufl. München: Urban & Fischer in Elsevier.
  • Wied, S., & Warmbrunn, A. (Hrsg.). (2012). Pschyrembel Pflege (3. Aufl.). Walter de Gruyter.
  • Wiederhold, D. (2009) PflegeFakten: Entscheidungshilfen, Übersichten, Normwerte – mit www.pflegeheute.de-Zugang. München: Urban & Fischer in Elsevier.